Übersteigt die Allokation eines Anlegers in Private Markets, also illiquide Vermögenswerte, die anvisierte Zielallokation, kann dies zu einer Abweichung zwischen dem gewünschten Risikoprofil des Anlegers und der tatsächlichen Risikoexposition des Portfolios führen. Dieser sogenannte Denominator-Effekt kann besonders kritisch für Anleger sein, welche gesetzlich vorgeschriebene Allokationsgrenzen beispielsweise für Private Equity oder auch Immobilien zu beachten haben. „Da illiquide Märkte meist keinen schnellen Exit erlauben, sollten Anleger unbedingt einen gewissen Puffer bis zu ihrer jeweiligen Maximal-Allokation einplanen“, empfiehlt deshalb André Geilenkothen, Vorstand bei Mercer Pensionsfonds.
Nicht einfach in Zeiten von Zinswende, hoher Inflation und russischem Angriffskrieg. Geilenkothen weiß das. Er verweist darauf, dass auch die Private Markets von den starken Kapitalmarktverwerfungen der vergangenen Monate betroffen sind. Im Gegensatz zu liquiden Anlageklassen würden solche Schocks bei illiquiden Anlagen allerdings oft erst verzögert sichtbar und „bei sehr kurzfristigen Markteinbrüchen sind sie gar nicht oder nur marginal betroffen“, so Geilenkothen.
Die Folge: Der Ausbau illiquider Assets könnte bei stärker regulierten institutionellen Investoren (Limited Partners, LPs) wie Pensionskassen und Stiftungen ausgebremst werden. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Private-Equity-Studie von Coller Capital, einem der der größten globalen Investoren auf dem Private-Equity-Sekundärmarkt. Der Effekt ist demnach bereits bei einer wachsenden Zahl größerer LPs und öffentlicher Pensionsfonds zu spüren, wobei zwei Drittel von ihnen dies als einen Faktor für die Verlangsamung ihres Engagements angeben. Auch Liquiditätsengpässe führen bei mehr als einem Viertel der Institutionellen zu einer Verlangsamung von Kapitalzusagen.
Ebenso sind die von den Investoren angestrebten Allokationen in alternative Anlageklassen davon betroffen. Unterm Strich ist die Zahl derer, die eine Erhöhung der Allokation in Private Equity planen, in den letzten sechs Monaten zurückgegangen. „Zwei Fünftel der LPs gaben in unserer Befragung an, dass der sogenannte Denominator-Effekt in den nächsten ein bis zwei Jahren zu einer Verringerung des Tempos ihrer Private-Equity-Fonds-Zusagen führen könnte“, fasst Michael Schad, Partner bei Coller Capital die Ergebnisse zusammen.
Befragt wurden weltweit 112 institutionelle Private-Equity-Investoren. Die Ergebnisse des Barometers sind laut Studienautoren für die Gesamtheit der LPs im Hinblickauf Anlegerstandort, Art der investierenden Organisation, verwaltetes Gesamtvermögen und Dauer der Erfahrung mit Private-Equity-Anlagen global repräsentativ.
Für Detlef Mackewicz vom Private-Equity-Berater Mackewicz und Partner sind die Zahlen nicht überraschend. Schließlich würden Investoren über ein ausgeklügeltes Asset Liability Management an der zielgerichteten Koordination der Steuerung von Aktiva und Passiva arbeiten. Konkret geht es um die Abstimmung des Anlageportfolios (Assets) mit den Verpflichtungen (Liabilities). Dabei ist die finanzielle Stabilität durch Kontrolle der eingegangenen Risikopositionen zu gewährleisten und die Profitabilität unter Rendite-/Risiko-Gesichtspunkten zu optimieren. „Der Denominator-Effekt bringt dieses fein aufeinander abgestimmte System durcheinander, und die Investoren sehen sich teilweise auch aus regulatorischen Gründen gezwungen, Private-Equity-Positionen zu verkaufen“, so Mackewicz. „Die Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern lagen zuletzt aber noch recht weit auseinander“, ergänzt er und wartet auf die von den Wirtschaftsprüfern testierten Jahresberichte der Fondsmanager. In seinen Augen wird dann „mehr Klarheit bestehen und das Transaktionsgeschehen nach unserer Erwartung langsam mehr Fahrt aufnehmen“.
Bremsklotz für den Gesamtmarkt ist für Mackewicz ebenfalls der Denominator-Effekt: „Während die institutionellen Investoren unter normalen Bedingungen weiter Committments für neue Fonds abgegeben hätten, werden Neu-Investments erst einmal komplett ausgesetzt und bestehende Fondspositionen mit Abschlägen veräußert.“ Laut einer Studie aus seinem Haus sind derzeit rekordverdächtig viele Fondspositionen im Markt, was die Manager der Secondary-Fonds frohlocken lassen würde. Mehr als 60 Prozent der Verkäufer von Secondary-Positionen stammen demnach aus den USA, knapp 30 Prozent sind institutionelle Investoren aus Europa. Schätzungen besagen, dass etwa 50 Prozent aller Verkäufer von LP-Interests aktuell Erstverkäufer (first time sellers) sind.
Vor dem Hintergrund, dass die Asset-Klasse Private Equity seit gut zehn Jahren auf der Überholspur unterwegs ist, stufen nicht wenige Marktteilnehmer die Abkühlung eher als logisch denn als dramatisch ein, da schließlich jeder Zyklus irgendwann ein Ende finden muss. Einen „sehr großen Einfluss“ des Denominator-Effekts auf die Allokationen reglementierter institutioneller Investoren sieht auch Peter Brodehser. „Obwohl kein Cent investiert wurde, sind die Quoten der illiquiden Anlagen durch die Decke gegangen“, so Brodehser, der bis zum vergangenen Jahr das Geschäft mit Infrastruktur-Investments für die Ampega, den Vermögensverwalter der Talanx, aufbaute und nun das Thema Infrastruktur bei der DWS mitverantwortet.
Für ihn ist besagter Effekt dem Grunde nach kein Problem, er hat jedoch Konsequenzen auf das Anlageverhalten zahlreicher institutioneller Investoren. Die Anlagevolumina im Bereich der illiquiden Investments reduzieren sich. Dass institutionelle Investoren deshalb gezwungen sind, sich von illiquiden Positionen zu trennen, um Quoten auf ein geringeres Niveau zu drücken, glaubt Brodehser jedoch nicht. Auch die Anlagerichtlinie stellt er nicht infrage, im Gegenteil. „Insbesondere in den illiquiden Asset-Klassen verbieten sich permanente Lenkbewegungen. Der Zeithorizont der Strategie muss dem langfristigen Anlagehorizont Rechnung tragen.“ Man könne diese Asset-Klasse laut Brodehser „nicht an- und ausschalten wie eine Lampe“.
Stefan Klimpel, CIO bei der HDI Deutschland, verfällt ebenfalls nicht in Panik. „Als Liability Driven Investor nehmen wir Asset-Klassen langfristig in das Anlageuniversum auf. So nutzen wir die Asset-Klassen Private Equity und Infrastruktur seit sehr langer Zeit und nicht ausschließlich vor dem Hintergrund der Niedrigzinsphase.“ Reglementiert wird ein Investor in seinen Augen eher durch die Risikotragfähigkeit: „Die Zielquote und die sich daraus ergebenden Schwankungen muss man langfristig tragen können.“ Gegebenenfalls wurden auch bereits Zielquoten erreicht, so dass seiner Meinung nach aus der „Pflicht der Neuanlage die Kür des Bestandsmanagements wird“. Diese zu bestehen, ist derzeit auch in Klimpels Augen fordernd: „Typischerweise werden bei schwankungsanfälligen Assets in der Regel Aktien genannt. Erstaunlicherweise sind jedoch die anderen klassischen Asset-Klassen wie beispielsweise Bonds und Creditspreads nicht weniger volatil und beeinflussen die Anlagen aktuell wesentlich mehr“, gibt er zu bedenken: „Man muss sich sogar fragen, was nicht volatil geworden ist.“
Zumal der Denominator-Effekt auch bei Sachwerten zu spüren ist. Seit der Gründung im Jahr 2011 ist das Multi Family Office Tresono auf Immobilien spezialisiert. Da nicht an regulatorische Quoten gebunden, gibt es Stimmen in der Branche, die Family Offices nun goldene Zeiten auf dem Immobilienmarkt vorhersagen – zumindest das Angebot wächst derzeit. „Wir schauen uns im Jahr im Normalfall 800 bis 900 Angebote an, in den verschiedensten Bereichen. 2022 waren es 1.300. Warum? Weil viele gesehen haben, dass Refinanzierungen schwieriger geworden sind – also sprechen sie mit Family Offices“, sagt Sven Tomitza, der bei Tresono den Bereich Immobilien verantwortet. Mehr Zukäufe hatte das nicht zur Folge: „Wir sind jedoch nicht da, um veraltete Exit-Fantasien zu befriedigen“, sagt Tomitza und betont: „Immobilien müssen unserer Renditeanforderung entsprechen. Tun sie das, realisieren wir die Übernahme gerne mit 100 Prozent Eigenkapital.“
Tresono-Gründungspartner Stephan Knichel ergänzt: „Sicher können
unsere Klienten mit ihrem Eigenkapital Immobilien kaufen, dafür wollen sie aber auch einen ökonomischen Gegenwert haben.“ Darauf, dass professionelle Investoren wegen ihrer Geschäftsordnung gar nicht unter Buchwert verkaufen dürfen, verweist zudem Tomitza. Diese Marktteilnehmer müssten demnach in den kommenden Jahren zunächst ihre Buchwerte anpassen. Ist das nicht geschehen, wird es keine Immobilienverkäufe geben. Den meisten Druck und damit die für Tresono vielversprechendsten Chancen erwartet er im Bereich der Projektentwicklungen, da der Markt in seinen Augen heiß gelaufen und die Exit-Struktur, die benötigt wird, weggebrochen ist. „Wirkliche Notverkäufe haben wir bislang aber nur selten gesehen.“