Immobilien Katrin Hupfauer von der Meag: „Antizyklisch investieren ist das Gebot der Stunde“

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Katrin Hupfauer von der Meag: „Antizyklisch investieren ist das Gebot der Stunde“
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Katrin Hupfauer, Leiterin Immobilientransaktionen der Meag

Katrin Hupfauer, Leiterin Immobilientransaktionen der Meag: „Die Illiquidität von Immobilien wird gemeinhin überschätzt.“ Foto: Meag

Die Assetklasse Immobilien hat aus Sicht einer Versicherung eine Vielzahl von Vorteilen. Mit der Beimischung von Immobilien zu einem lediglich aus Wertpapieren bestehenden Portfolio gehen in der Regel substanziell positive Effekte einher. Als Stichworte seien an dieser Stelle Diversifizierung, eine geringere Volatilität, Durations-, Illiquiditäts- und Komplexitätsprämien sowie Inflationsschutz genannt. Je länger der Anlagehorizont des Investors, umso mehr Investmentopportunitäten stehen potenziell zur Verfügung und umso mehr kann ein intelligent strukturiertes und gut selektiertes Portfolio von den Vorzügen von Immobilien profitieren.

Quelle: MSCI Real Capital Analytics

 

Auch wenn bereits auf Sicht von wenigen Jahren positive Portfolioeffekte durch Beimischung von Immobilien erzielt werden können, so sollte ein Immobilieninvestor in Zeiträumen von mindestens 20 bis 30 Jahren rechnen, das heißt auch bei geopolitischen Unsicherheiten und einem anderen Zinsumfeld seine Kapitalanlage durchhalten können. Gleichwohl wird die Illiquidität von Immobilien gemeinhin überschätzt. Wer gewisse Abschläge zu akzeptieren bereit ist, kann auch in angespannten Marktphasen in vergleichsweise kurzer Zeit einzelne Assets oder ganze Portfolien verkaufen.

Unter dem Strich halten manche Versicherungsgesellschaften seit mehr als 100 Jahren Immobilien als Teil der Kapitalanlage. Sie haben viele dieser Engagements durch viele Krisen und Kriege durchgehalten und sind heute noch froh über ihren Kernbestand. Darüber hinaus haben langjährige Immobilieninvestoren einen unschätzbaren Bestand an Know-how aufgebaut und verfügen über ein global gespanntes Netzwerk, das ihnen in allen Marktphasen Opportunitäten bietet. Keine Frage, auch für andere Assetklassen sind Know-how und passende Marktzugänge gefragt, aber in der Assetklasse Immobilien haben diese Faktoren noch einmal einen anderen Stellenwert. Sie brauchen viel Zeit und Erfahrung. Ohne diese Faktoren, sind aussichtsreiche
Transaktionen in attraktiven Märkten praktisch nicht möglich.

Immobilien unterscheiden sich von liquiden Investments durch die Notwendigkeit einer laufenden
Betreuung. Die Bearbeitungsintensität ist dabei sehr unterschiedlich je nach Nutzungsart und hängt von den Ereignissen ab und davon, ob sich ein Objekt planmäßig im Einklang mit den Erwartungen entwickelt. Vor allem Betreiberimmobilien erfordern sehr viel spezielle Expertise. Wer hier den Anforderungen des Marktes nicht gewachsen ist, muss mit erheblichen, unter Umständen sogar unwiederbringlichen Wertrückgängen rechnen. In jedem Fall sind hinreichende Ressourcen für die Bestandsbetreuung einzuplanen. Die Erfahrung zeigt, dass aktive Investoren in der Haltephase erhebliche Wertbeiträge generieren können. Ein wertorientiertes Management ist ein hochrelevanter Erfolgsfaktor.

Immobilien sind keine Selbstläufer

Die Assetklasse Immobilien sehen Versicherungen daher weiterhin als Stabilitätsanker in einem breit diversifizierten Portfolio. Vermögensmanager großer Versicherungen fühlen sich auch in der jetzigen angespannten Marktphase mit ihren Immobilienquoten wohl, denn sie denken sehr langfristig und haben ihr Portfolio entsprechend ausgerichtet. Versicherungen kommt natürlich zugute, dass sie ihre Immobilien weit überwiegend aus eigenen Mitteln beziehungsweise Prämieneinnahmen finanzieren, und daher von den geänderten Finanzierungsbedingungen und Marktschwankungen weit weniger betroffen sind als andere Marktteilnehmer.

 

 

 

Wer also heute angesichts von Marktunsicherheiten Immobilien als Assetklasse grundsätzlich in Frage stellt, sollte seinen Blick stärker auf den Horizont richten. Angesichts der marktphasenunabhängigen Vorteile dieser Assetklasse und der langen Haltedauer der Immobilienobjekte sind temporäre Ereignisse für den langfristig orientierten Investor von eher untergeordneter Bedeutung.

Erfolgsfaktoren in der langfristigen Immobilienanlage


Aber die Zeit heilt nicht alle Wunden. Professionelle Immobilieninvestoren wissen, dass natürlich nicht jede Immobilie geeignet ist, sich langfristig nachhaltig ertragreich zu entwickeln. Deswegen ist bereits beim Ankauf streng darauf zu achten, dass es gewisse unveränderbare Faktoren gibt. Dies gilt vor allem für die Lage, die auch in 20, 30 oder mehr Jahren immer noch begehrt sein sollte, was sich entsprechend in einem nachhaltig stabilen Wertansatz widerspiegelt. Die Nutzungsart ist dabei gar nicht so entscheidend, viel wichtiger sind ganz allgemein das objektspezifische Anlagerisiko, das heißt die Makro- und Mikrolage, die Objektqualität sowie vor allem die nachhaltige Ertragssituation.

 

 

Zugegeben, diese Faktoren waren bis vor wenigen Jahren noch gut kalkulierbar. Die Pandemie, Mobile Working, der Klimaschutz und andere Ereignisse habe zu Neueinschätzungen geführt. Auch die Unsicherheit bezüglich der relevanten ESG-Kriterien macht die Beurteilung der nachhaltigen Ertragskraft einer Immobilie nicht einfacher. Nicht-ESG-konforme Immobilien bergen ein hohes Risiko, mittel- bis langfristig geringere Mieteinnahmen zu generieren. In Verbindung mit etwaig hohen notwendigen Investitionen führt dies unweigerlich zu einem signifikanten Performanceverlust und Abschlägen im Verkaufsfall. So sollte ein Objektankauf keinesfalls ohne engmaschige ESG-Due Diligence erfolgen, in deren Rahmen die Taxonomie-Anforderungen beurteilt sowie der Stranding Point nach CRREM-Pfad ausgewiesen und entsprechend im Pricing kritisch reflektiert wird.

Aktuelle Risiken der Immobilienanlage

Was wir derzeit erleben, ist eine deutliche Korrektur der Immobilienpreise in allen Sektoren im Zuge der Zinswende. Diese Phase dürfte noch nicht abgeschlossen sein. Es gibt allerdings Faktoren, die einem erheblichen weiteren Preisverfall entgegenwirken sollten. Hierzu zählen insbesondere die nachlassende Bautätigkeit bei weiterhin bestehendem Nachfrageüberhang, vor allem bei hochwertigen Flächen. Zudem ist mit weiter steigenden Mieten zu rechnen sowie zu beobachten, dass bei Investoren die Bedeutung des Inflationsschutzes von Immobilien einen ungebrochen hohen Stellenwert hat.

Es ist aktuell auch keine Verkaufswelle erkennbar. Im Gegenteil, die Verkaufsbereitschaft vieler
Marktteilnehmer ist gering – dies könnte sich jedoch im Verlauf des Jahres noch ändern. Gründe hierfür konnten zum Beispiel sein, dass bei Fonds aus Liquiditätsgründen Verkaufsdruck aufkommt, umfangreiche Prolongationen von Finanzierungen anstehen oder Banken bei fallenden Verkehrswerten nicht mehr stillhalten können. Dem gegenüber steht allerdings die stabile Nachfrage eigenkapitalstarker Investoren, die auf Gelegenheiten bei sehr guten Objekten warten können, um sich diese zu einem attraktiven Preis zu sichern.

Vermögensmanager von Versicherungen beobachten den Markt sehr intensiv und werden die Preisbewegungen für Opportunitäten nutzen. Denn wer mit eigenem Geld investiert, findet sogar ein attraktives Umfeld vor. Oder andersherum ausgedrückt: Die Käufer, die mit einer hohen und günstigen Fremdfinanzierung Preise bieten konnten, die viele nicht mitgehen wollten, fehlen jetzt. So sich die Verkäufer sukzessive von ihren historisch hohen Preisforderungen  verabschieden, stehen Equity-Investoren vorne und sind im Begriff, langfristig vorteilhafte Transaktionen abschließen zu können.

 

 

 

Denn zu allen Zeiten gilt, Core-Immobilien mit wirklich guten Qualitäten in erstklassigen Lagen sind immer knapp und erweisen sich in wirtschaftlich schwächeren Zeiten als äußerst resilient und wertstabil. Die Option abzuwarten, bis der Markt wieder in Schwung kommt, bedeutet auch, sich einem härteren Wettbewerb stellen zu müssen. Wer es sich leisten kann, für den gilt: Antizyklisch investieren ist das Gebot der Stunde.

Für Vermögensmanager international tätiger Versicherungen bietet sich noch einmal ein anderes Bild. Ausgewählte Immobilienmärkte außerhalb Deutschlands bieten gute Chancen und stehen für viele bereits seit längerem im Fokus, um die historisch in Deutschland gewachsenen Portfolien der Mandanten international stärker zu diversifizieren. Aktuell ist vor allem der US-amerikanische
Wohnungsmarkt attraktiv.

Losgelöst davon gilt zu allen Zeiten: Der entscheidende Werttreiber von Immobilien ist der Mieter.
Ausgehend davon lässt sich leicht feststellen, dass in den Wohnungsmärkten kaum oder nur sehr
selektiv Belastungen festzustellen sind. Die Nachfrage ist hoch und nimmt vor allem in den
Ballungsräumen eher noch zu. Gleichzeitig ist das Angebot limitiert, und es ist nicht absehbar, dass diese Übernachfrage auf Sicht verschwindet. Aus dem gewerblichen Bereich sind Fachmarktzentren ein gutes Beispiel für Resilienz. Denn sie werden meist getragen von Lebensmittel und Drogerie – ein grundsätzlich krisensicheres Geschäft, denn gegessen und getrunken wird immer. Der langfristige Investor sucht Standorte, Lagen und Objekte, die auch in Zukunft nachhaltig Erträge durch stabile und steigende Mieteinnahmen sichern. Die Conclusio lautet: Die qualitätsorientierte Selektion bietet langfristig sehr gute Erfolgschancen.

Über die Autorin: 

Katrin Hupfauer ist seit dem Jahr 2000 bei der Meag, ist bei dem über 320 Milliarden Euro schweren Vermögensverwalter der Munich Re und der Ergo Leiterin Immobilientransaktionen.

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