Krieg, hohe Inflation, steigende Fremdkapitalkosten, allgemein eingetrübte wirtschaftliche und gesellschaftliche Stimmung treffen fast alle Immobilienmarktakteure überwiegend negativ. Die durch die Nullzins-Politik gespeiste Partystimmung der vergangenen Jahre ist vorbei und innerhalb der Branche deuten sich verschiedene strukturelle Veränderungen an.
Welche Fragen werfen sich vor diesem Hintergrund aus der Anlegerperspektive auf
- Welchen Einfluss hat die gedämpfte Stimmung am Immobilienmarkt auf das Angebot an Immobilien, welches auf dem Transaktionsmarkt zur Verfügung steht? Inwieweit existiert noch ein „Match“ zwischen Angebot und Nachfrage?
- Welchen Einfluss haben diese Entwicklungen auf die wesentlichen Immobilienmarktakteure, wie Projektentwickler, Fondsmanager, KVGen oder Anleger?
Gutes Produkt zum guten Preis ist rar
Die Nachfrage von Anlegern nach Immobilieninvestitionen ist aus verschiedenen Gründen stark gedämpft. Zum einen ist die Attraktivität anderer Assetklassen (insbesondere Fixed Income) gestiegen, zum anderen nähert sich das Preisniveau im Immobiliensektor nur langsam an Käufererwartungen an.
Angesichts der immer stärker werdenden ESG-Anforderungen an Immobilien haben Anleger kaum eine Wahl bei Neuinvestitionen. Das grobe Bild ist: Hochwertiger energieeffizienter Neubau schlägt Bestandsbau, bei dem unklar ist, mit welchem künftigen Modernisierungsaufwand zu rechnen ist.
Aber hohe Energieeffizienz treibt das Preisniveau, welches Bauträger und Projektentwickler nicht entzaubern können. Und hier beginnt das Henne-/Ei-Problem, was zu einem spürbaren Angebotsvakuum im Markt führt. Ein Beispiel: Wohnprojektentwicklungen in deutschen B-Städten wurden vor 18 Monaten noch ohne größere Diskussionen zu einer Bruttoanfangsrendite von 3,5 Prozent von der Käuferseite akzeptiert.
Das gleiche Angebot findet heute keinen Abnehmer, weil der Preis angesichts des Rendite-/Risikoprofils zu Vergleichsanlagen zu hoch ist. Aber kann der Projektwickler ein solches Objekt zum günstigeren Preis abgeben?
Drei Gründe sprechen dagegen:
- Sofern das Grundstück innerhalb der „heißen“ Marktphase gesichert wurde, hat es einen Preis, der durch das Projekt wieder „reingeholt“ werden muss.
- Die Kosten, um Projektentwicklungen zu finanzieren, sind gestiegen. Der für Projektentwickler wichtige 3 Monats-Euribor ist von minus 0,5 Prozent Anfang 2022 auf aktuell 3,8 Prozent gestiegen.
- Gestiegene Lohnkosten im Baugewerbe und nach wie vor steigende Materialkosten drücken die Projektentwicklungsmarge massiv. Im Juli teilte das Statistische Bundesamt mit, dass die Baukosten für Wohngebäude im Mai 2023 um 8,8 Prozent gegenüber Mai 2022 gestiegen sind.
Hinzu kommt, dass der Abnehmermarkt – institutionelle und private Anleger – nicht mehr so kauffreudig, wie vor zwei Jahren ist. Letztlich leiden auch Käufer unter massiv gestiegenen Fremdkapitalkosten.
Es liegen sektorübergreifend durchaus zahlreiche startreife Neubauvorhaben in den Schubladen der Projektentwickler. Offen bleibt allerdings, ob und wann der Startschuss hierfür fällt. Ein Indiz, welches die Erwartungen dämpft: Die Anzahl der Baugenehmigungen in Deutschland ist stark rückläufig, wie kürzlich das Statistische Bundesamt mitgeteilt hat. Allein im Bereich der Mehrfamilienhäuser lag die Anzahl der Baugenehmigungen im ersten Halbjahr 2023 um 27 Prozent unter dem Wert des Vorjahres-Vergleichszeitraumes.
Diese Abschwächung bleibt nicht ohne wirtschaftliche Konsequenzen auf die „Königsdisziplin“ der Immobilienwirtschaft: Seit einigen Wochen vergeht kaum ein Tag, an dem nicht über die wirtschaftliche Schieflage von (renommierten) Immobilien-Projektentwicklungsunternehmen berichtet wird.
Damit reduziert sich auch die Anzahl der Marktteilnehmer, es kommt zu Konsolidierungs- und gegebenenfalls Konzentrationsprozessen. Aber nicht nur kleine Unternehmen sind betroffen, sondern auch größere und namhafte Unternehmen. Besonders problematisch ist es, wenn die Unternehmen über keine weiteren Einnahmequellen verfügen, wie beispielsweise laufende Erträge aus der Bestandshaltung. Allerdings ist durch den in Deutschland sehr fragmentierten Markt nicht davon auszugehen, dass – anders als in China – Neubautätigkeit aus strukturellen Gründen komplett zum Erliegen kommt.
Daneben kommen nun auch unternehmerische Planungsfehler aus den vergangenen Jahren zum Vorschein, wie beispielsweise der Kauf überteuerter Grundstücke, die nun Teil der Insolvenzmasse sind. Aber gerade solche Grundstücke könnten der Nukleus für neue Projektentwicklungen unter neuer Regie sein.
Was ist mit Objekten, die beispielsweise für den Einzelverkauf im Eigentumswohnungssegment vorgesehen waren und in den letzten Monaten fertiggestellt worden sind? Da auch hier die Nachfrage eingebrochen ist, denken einige Bauträger oder Projektentwickler darüber nach, diese im Globalverkauf an den Markt zu bringen. Hier könnten sich interessante Kauf-Opportunitäten mit etwaigen Preisabschlägen zeigen. Genau zu prüfen ist allerdings, über welchen Ausstattungsstandard die Objekte verfügen.
In diesem Zusammenhang erscheint es auch trügerisch, nur auf die Kaufpreisfaktoren zu schauen, wenn beispielsweise Wohn-Projektentwicklungen angeboten werden, die nach KfW 55-Standard gebaut wurden. Unterstellt man, dass die Mehrkosten zum moderneren Standard KfW 40 NH gut 600 Euro pro Quadratmeter betragen, sind dies etwa 12 Prozent Mehrkosten, wenn 5.000 Euro pro Quadratmeter für KfW 55 veranschlagt werden. Unabhängig von öffentlichen Förderungen bleibt im Businessplan fraglich, ob der Baustandard 12 Prozent mehr Miete rechtfertigt.
Passendes Personal: Beherrscht ein Akquisitionsprofi Risikomanagement?
In den vergangenen Jahren waren auch die Fondsmanagement-Gesellschaften auf Wachstum der Assets under Management getrimmt. Die Unternehmen mussten im Wettbewerb um Kundenkapital stark in die Bereiche Transaktionsmanagement und Client Relationship investieren. Teilweise sind bei jungen Unternehmen, die als Newcomer in der Boomphase in den Markt eingetreten sind, in erster Linie drei unvorteilhafte Merkmale erkennbar:
- Die der Transaktion nachgelagerten Unternehmens- und Wertschöpfungsbereiche, wie Asset Management und Risikomanagement, sind angesichts der aktuellen Herausforderungen weniger gut aufgestellt. Das zeigt sich in der Praxis durch Fehleinschätzungen zur weiteren Entwicklung der wirtschaftlichen Parameter der Fonds beziehungsweise der Assets.
- Auch beim Finanzierungsmanagement werden handwerkliche Fehler sichtbar, wenn beispielsweise der Refinanzierungsbedarf stiefmütterlich behandelt wird – und dies mit fatalen Folgen.
- In einigen Fällen äußert sich die managerseitige Unerfahrenheit oder der fehlende Fokus auf die schwierige Marktphase auch durch Unkenntnis der fondsvertraglichen Inhalte oder durch unzureichende Anlegerkommunikation.
Was Photoshop in der Bildbearbeitung ist, ist Excel im Financial Engineering – in beiden Fällen muss man genau hinschauen, um mögliche „Optimierungen zur Realität“ zu erkennen.
Fazit
Die beschriebenen Entwicklungen zu den Marktstrukturen und -teilnehmern werden angesichts der wirtschaftlichen Parameter noch eine gewisse Zeit andauern. Die Anforderungen an die Asset Manager sind andere als in der Boomphase vor 18 Monaten. Es kommt nun darauf an, die Chancen und Risiken von bestehenden Investments in den Immobilienfonds neu zu beurteilen.
Investitionen vor allem in Neubau sind wegen der Güte des Produktes der richtige Weg, um das Anlegerportfolio unter ESG-Aspekten passend aufzustellen. Allerdings müssen mögliche Ankäufe mit Vorsicht geplant und die zugrunde liegenden Businesspläne in Bezug auf die renditebeeinflussenden Parameter mehr denn je plausibilisiert werden.
Über den Autor:
Andreas Peppel ist Managing Director bei Institutional Investment Consulting Partners. Davor war er Portfoliomanager für europäische Investitionen des Indirekten Immobilienportfolios des Pensionsfonds des Stromversorgers Eon. Vor dieser Zeit war er unter anderem Leiter des Immobilienresearch bei der IKB Deutsche Industriebank.