private banking magazin: Hand aufs Herz – wohin steuert die Immobilienwirtschaft angesichts von Rezession bei gleichzeitiger Vollbeschäftigung und einer Einstimmung von Teilen der Bevölkerung auf eine 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich?
Dominik Benner: Um diese Frage zu beantworten, lohnt der Blick auf die wichtigen Parameter der Branche: Preisentwicklung, Finanzierungshöhen bei den Banken, die generelle Stimmungslage am Immobilienmarkt und die Mietentwicklung in den verschiedenen Asset-Klassen wie Wohn- und Büroimmobilien. Sieht man sich das Gesamtpaket an, sind wir schon definitiv mitten drin in der Krise. Unternehmen wie McMakler müssen Massenentlassungen vornehmen, weil es keine nennenswerten Transaktionen mehr gibt. Zugleich geben die Immobilienpreise nach. Die Gefahr, dass sie sich halbieren, besteht jedoch wohl nicht; die in Deutschland hohen Baukosten stützen die Preise.
Aber noch einmal gefragt: Stehen wir nicht am Beginn einer großen Immobilienkrise?
Benner: Die Lage ist volatil. Wir sind mitten in der Krise drin, wir stehen wohl nicht an einer Vorstufe, das ist meine Einschätzung. Schauen Sie sich die Wünsche der Politik an: Wärmewende, Sanierungszwang, erneuerbare Energien – diese gewaltigen Veränderungen hatten vor eineinhalb Jahren nur die Wenigsten auf dem Zettel. Das treibt die Branche jetzt um und beschäftigt sie genauso wie die Themen Zinsanstieg und wegbrechende Finanzierungen.
Wie bewerten Sie aktuell den Bestand der Immobilien-Fonds? Wer jetzt Immobilien auf den Markt bringt, erzielt einen teils viel niedrigeren Erlös als die Buchpreise suggerieren. Für Kleinanleger könnte es wieder ein übles Erwachen geben.
Benner: Man muss hier ein bisschen unterscheiden, je nach Asset-Klasse, in der ein Fonds investiert ist. Bei Wohnimmobilien sind die Abschläge nicht ganz so hoch, sie bewegen sich bei den großen Anbietern zwischen 4 und 8 Prozent auf Jahressicht. Im darbenden Einzelhandel geben die Immobilienpreise natürlich stärker nach.
In vielen Städten hat es noch nie so viel Leerstand bei Büroflächen wie heute gegeben. Schauen Sie sich Düsseldorf, den „Schreibtisch des Ruhrgebiets“ an. Noch nie in der Geschichte der Stadt standen so viele Büroflächen leer. Diese Entwicklung schlägt unweigerlich auf die Fonds durch. Mietverträge laufen aus, die Firmen verkleinern sich und man will oft nur noch neue, energieeffiziente Immobilien. Hier droht bitteres Ungemach: Die Fonds stehen nicht nur vor einer Abwertung ihres Immobilienbestands, sondern es wird zum flächendeckenden Ausfall der Cashflows kommen. Das gleiche Dilemma haben wir auch beim Einzelhandel. Hier ist Leerstand zwar nicht das zentrale Thema. Aber auch hier gehen die Mieten runter, strukturell gibt es hier immer größere Probleme, überhaupt noch Mieter zu finden. Diese Situation wird ein ganz großes Thema auf dem neuen Branchen-Event P5 The Property Kongress sein, der am 6. und 7. Juli 2023 in Frankfurt/Main stattfindet.
Ein Großteil des Portfolios der Benner Holding besteht aus Wohnimmobilien, da können Sie ja beruhigter sein, oder?
Benner: Ja, absolut. Durch die Wohnungen kommt weiterhin Cashflow rein, das ist kein Problem. Aber hier haben wir die bereits skizzierte andere Thematik: Die Sanierungszwänge, die vor allem Eigentümer von Wohnimmobilien treffen. Obwohl wir weiterhin Cashflows erzielen, stehen wir politisch im Feuer.
Ziehen Sie doch bitte einmal ein Resümee, Sie sind ja nicht erst seit gestern in der Branche. War es schon mal schwieriger?
Benner: Die erste Krise, die ich im Immobiliensektor erlebt habe, war die globale Finanzkrise 2008. Die Banken haben damals gesagt: Wir stoppen die Finanzierung, das ist uns zu heikel, wir wissen nicht, welcher Flächenbrand entsteht. Aber bei den Immobilien selber veränderte sich nichts, die Cashflows blieben gleich – aber es gab eben kaum noch Finanzierungen.
Die aktuelle Krise ist deutlich wuchtiger. Wir sehen stark gestiegene Finanzierungszinsen, die noch dazu über längere Zeit hoch bleiben dürften. Und im Verlauf der Zeit müssen viele Kreditnehmer dann Anschlusszinsen finanzieren. Das macht uns große Sorgen. Hinzu kommen die Sanierungsthemen zuzüglich Unsicherheit hinsichtlich etwaiger Mietpreisdeckelungen. Wir sind zum Spielball der Politik geworden. Kurz gesagt, verglichen mit der Krise des Jahres 2008 sind die aktuellen Verwerfungen deutlich intensiver und werden noch viele Opfer erfordern.
Wer könnte künftig zu den Opfern zählen?
Benner: Zu den Opfern werden die zwei am meisten risikobehafteten Asset-Klassen gehören: Retail und Office. Schwer treffen dürfte es vor allem jene, die mit der Projektentwicklung Geld verdienen. Ende des Jahres laufen die letzten Bauprojekte aus, dann wird es ziemlich eng werden beim Neubau, egal ob Residential oder Office.
Erschreckend. Der gebeutelte Mittelstand, der noch zu unter einem Prozent finanziert hat, muss in wenigen Jahren eine Neufinanzierung angehen, die dann vielleicht bei 5 Prozent liegt. Sehen Sie da ein Stück weit private Dramen auf uns zukommen?
Benner: Also, das Gute in Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Ländern ist ja, dass wir eine Zinsbindung haben. In anderen EU-Ländern wie Spanien sind lange Zinsbindungen völlig unüblich. Immerhin beginnt der Bund sich zu bewegen. Ab Juni ist ein neues Förderprogramm für den Neubau von klimafreundlichen Häusern gestartet. Familien mit niedrigen und mittleren Einkommen können KfW-Kredite zu niedrigen Zinssätzen bekommen. Zum Start gilt für einen Kredit mit bis zu 35 Jahren Laufzeit und zehn Jahren Zinsbindung ein Zinssatz von 1,25 Prozent.
Immerhin wird der Handlungsbedarf erkannt.
Benner: Der Staat hat mit den Familien eine riesige Wählerschaft im Blick, auf Dauer kann es sich keine Partei leisten, diese Gruppe, die für den Staat Kinder großzieht, zu vergraulen.
Wie stehen Sie solchen Subventionen gegenüber?
Benner: Ich bin mir nicht sicher, ob das als Subvention laufen wird. Ich könnte mir vorstellen, dass der Staat direkt als Kreditgeber aktiv wird und damit das Hausbankprinzip umgeht oder dessen Bedeutung verringert.
P5 The Property Kongress – Der Kongress der Immobilienbranche:
Immobilieninvestoren aus den Bereichen private und institutionelle Anleger, Family Offices, Projektentwicklungen sowie Medienplattformen haben sich zusammengetan und laden zum P5 The Property Kongress: Der Großkongress vereint am 6. und 7. Juli 2023 im Kongresshaus Kap Europa in Frankfurt/Main zum ersten Mal die bekannten Gesichter und Bosse der Branche.
Die Themenschwerpunkte des Kongresses:
Proptech
Finanzierung und Transaktionen
Bestandsimmobilien und Bau
ESG und Nachhaltigkeit
Workshops, Panels, Vorträge und mehr als 50 Aussteller decken alle wissenswerten Themen ab und bieten unzählige Möglichkeiten zum Austausch und zum Networken. Mehr zum P5 The Property Kongress hier.
Als Ihre und meine Eltern vor Jahrzehnten erstmals Immobilien gekauft haben, waren hohe Zinsen normal. Haben wir da was verlernt?
Benner: Im Nachhinein ist man immer klüger. Ich würde nicht sagen, dass wir Deutschen etwas verlernt haben, sondern wir agieren weiterhin sehr vorsichtig: Wir setzen meistens auf lange Zinsbindungen, und das ist eine gute Absicherung. Man sollte niemandem einen Vorwurf machen.
Mal auf die semi-institutionellen und institutionellen Investoren geschaut: Mit welchen Immobilien- beziehungsweise Nutzungsarten sollten sich denn jetzt Ihrer Meinung nach die Investoren beschäftigen?
Benner: Die Frage wird zunächst sein, wie hoch die Investitionsquote für Immobilien überhaupt ausfällt. In der Vergangenheit waren wir es gewohnt, dass Pensionskassen und Versicherungen 20 bis 40 Prozent ihrer Gelder in Immobilien gesteckt haben. Diese Zeiten sind vorbei. Die Pensionskassen und Versicherungen werden deutlich weniger in die Asset-Klasse Immobilien investieren, weil sie nicht mehr interessant ist. Wenn ich durch eine Anleihe von Bosch oder Mercedes sorgenfrei 3 bis 5 Prozent bekomme, dann brauche ich keine Immobilie, die 6 Prozent abwirft, das ergibt überhaupt keinen Sinn. Es wird auf jeden Fall eine Veränderung in der Gewichtung geben, Immobilien werden an Bedeutung verlieren. Durch die steigenden Zinsen gibt es mittlerweile genügend Alternativen.
Wie sieht es bei Spezialimmobilien aus? Auch dieses Segment dürfte auf dem P5 The Property Kongress am 6. und 7. Juli in Frankfurt – das private banking magazin ist ja auch dabei – heiß diskutiert werden. Könnten Spezialimmobilien trotz Veränderungen bei den Allokationen profitieren? Wie geht es also weiter bei Seniorenheimen, dem Mix von Wohnen und Gewerbe, Praxen, Flächen für New Work…
Benner: …in der Tat ist das Thema Coworking ganz, ganz stark. Auch Mehrgenerationenhäuser werden ein Thema sein, das viele beschäftigt. Auf der gewerblichen Seite hat sich die Logistik sehr, sehr gut gehalten. Mit in die Höhe wachsenden Hochregallagern entwickeln sich sehr stabile Märkte, die sind von der Krise bisher gar nicht betroffen. Zugleich sind sie in der Regel indexiert, das heißt, aufgrund der Indexmieten steigen die Erträge weiter an. Auch der Hotelbereich hält sich gut. Durch Corona hat er logischerweise Dämpfer erlebt, aber das Segment ist extrem stabil aufgestellt. Als robust haben sich auch Fachmärkte erwiesen: Da haben viele gesagt, das wird schwierig, aber sie sind durch Corona gut durchgekommen und sind auch jetzt relativ stabil.
Große Gefahren sehe ich bei Einkaufscentern und älteren Bürogebäuden. Hier stehen große Milliardenabschreibungen bevor – und nicht nur horrende Abschreibungen, sondern letztlich droht der Leerstand. Wenn man Leerstand hat, redet man nicht mehr über Abschreibungen. Dann ist kein Geld mehr da, und wenn kein Geld da ist, kann der Kredit nicht bedient werden. Wenn der Kredit nicht mehr bedient werden kann, kündigt die Bank – und damit entstehen neue, größere Probleme.
Über den Interviewten:
Dominik Benner ist seit 2014 geschäftsführender Gesellschafter der Benner Holding und deren Beteiligungen in den Bereichen Grundbesitz, Handel, Agrar & Energie und Gastronomie. Nach dem Studium der Betriebswirtschaft an den Universitäten St. Gallen (Bachelor, Master), Schweiz, und San Diego sowie an der französischen Wirtschaftshochschule Insead Fontaineblau erhielt Benner die Promotion als Dr. oec. HSG. Nach verschiedenen Führungspositionen und Prokura bei Bilfinger Berger wurde Benner 2011 zum Geschäftsführer innerhalb der juwi-Gruppe berufen und bekleidete dort mehrere Führungs- und Projektpositionen.