Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hat bei ihrer Kontrolle der Konzernabschlüsse 2020 und 2021 der in Berlin ansässigen Adler Real Estate (Adler) sechs Rechnungslegungsfehler festgestellt. Mit diesen Feststellungen beendet die Finanzaufsicht das mehr als zwei Jahre dauernde Bilanzkontrollverfahren zu den Konzernabschlüssen des Unternehmens.
Dieses begann, weil der britische Leerverkäufer Fraser Perring Adler vor mehr als zwei Jahren vorgeworfen hatte, die Bewertungen zahlreicher Immobilien zum Teil künstlich überhöht zu haben. Adler hatte nur mit Mühe und nach langem Suchen neue Wirtschaftsprüfer für seine Bilanzen gefunden.
Die sechs Fehlerfeststellungen im Überblick:
- Konzernbilanz zum 31. Dezember 2020: Forderung aus Veräußerung von Anteilen an dem Immobilienprojekt Glasmacherviertel in Düsseldorf um mindestens 86 Millionen Euro zu hoch bewertet; Bewertung verbliebener KG-Anteile um mindestens 43 Millionen Euro zu hoch.
- Konzernbilanz zum 31. Dezember 2021: Immobilienprojekt Glasmacherviertel zu hoch bewertet.
- Konzernbilanz zum 31. Dezember 2020: restliche Kaufpreisforderung aus Verkauf von Aktien der Accentro Real Estate wesentlich überbewertet.
- Konzernbilanz zum 31. Dezember 2021: restliche Kaufpreisforderung aus Verkauf von Aktien der Accentro Real Estate wesentlich überbewertet.
- Konzernbilanz zum 31. Dezember 2020: Kaufpreisforderung gegen die AB Immobilien hätte zum circa 18,9 Millionen Euro niedrigeren beizulegenden Zeitwert bewertet werden müssen
- Konzernanhang zum 31. Dezember 2021: fehlende Angabe zur Nicht-Besicherung eines Darlehens an die Muttergesellschaft Adler Group in Höhe von 265 Millionen Euro.
Unstimmigkeiten beim Glasmacherviertel
Die in der Konzernbilanz zum 31. Dezember 2020 in Höhe von 133 Millionen Euro ausgewiesenen restlichen Forderungen aus der Veräußerung von 75 Prozent der Anteile an dem Glasmacherviertel in Düsseldorf waren um mindestens 86 Millionen Euro und die in Höhe von 52 Millionen Euro ausgewiesenen zurückbehaltenen 25 Prozent der Anteile an dem Glasmacherviertel waren laut Bafin um mindestens 43 Millionen Euro zu hoch bewertet.
Die im Rahmen der Entkonsolidierung des Glasmacherviertels zum 31. März 2020 erstmalig anzusetzenden Forderungen und Anteile waren zum beizulegenden Zeitwert zu bewerten. Stattdessen basierte die Bewertung der Forderungen und der Anteile auf einem von den Vertragsparteien festgelegten Wert für das Gerresheim-Areal in Höhe von 375 Millionen Euro. Diese Bewertung reflektierte jedoch nicht die mit dem Projekt verbundenen Unsicherheiten bezüglich des Bebauungsplans und der Erteilung einer Baugenehmigung.
In der Konzernbilanz zum 31. Dezember 2021 war das nach der Rückabwicklung der Verkaufstransaktion mit einem Betrag von 270 Millionen Euro wieder angesetzte Immobilienprojekt Glasmacherviertel zu hoch bewertet. Adler-Verantwortliche hätten es laut Bafin zum beizulegenden Zeitwert ansetzen müssen. Das zur Bewertung genutzte Gutachten war dafür jedoch nicht geeignet, so die Prüfer der Finanzbehörde.
Insbesondere die ihm zugrundeliegenden Annahmen zur Offenlegung eines Bebauungsplans für das Areal und des Baubeginns zum Ende des Jahres 2022 beziehungsweise zum Jahresanfang 2023 waren laut Bafin nicht plausibel. Zudem wurde mit einem durchschnittlichen Fertigstellungstermin zum 31. Dezember 2026 gerechnet. Eine Verzögerung des Baubeginns beziehungsweise des durchschnittlichen Fertigstellungstermins hat für jedes Jahr, um das sich die Fertigstellung verzögert – laut Bafin – eine Überbewertung des Immobilienprojekts von circa 17 Millionen Euro zur Folge.
Adler verkaufte die Baustelle Glasmacherviertel in Düsseldorf-Gerresheim 2019 unter bislang unklaren Umständen an einen Schwager des ehemaligen Adler-Beraters Cevdet Caner, der für seine Beratungsdienste von Adler laut dem Handelsblatt einige Millionen Euro erhalten haben soll. Das Geschäft wurde mittlerweile rückabgewickelt und beschäftigt die Staatsanwaltschaft.
Im Juni beschlagnahmte diese in sieben Ländern Dokumente. Sie ermitteln gegen mehrere Beschuldigte wegen des Verdachts der Untreue, Bilanzfälschung und Marktmanipulation. Ein Sprecher des Konzerns sagte im Juni, Adler unterstütze „vollumfänglich eine möglichst schnelle Aufklärung des Sachverhalts“. Die Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe.
Die Adler Group teilte dazu mit, die Bafin habe weder eine Neuaufstellung der Bilanzen verlangt noch ein Bußgeld verhängt. Die Fehlerfeststellung zum „Glasmacherviertel" teile das Adler-Management zudem nicht, die Bewertung – sie lag Ende 2021 bei 270 Millionen Euro – sei laut Adler-Managment „angemessen und korrekt“. Man prüfe daher, ob man gegen die Fehlerfeststellung vorgehen werde.
Unstimmigkeiten beim Accentro-Verkauf
In den Konzernbilanzen zum 31. Dezember 2020 und zum 31. Dezember 2021 war die in Höhe von 59 Millionen Euro ausgewiesene restliche Kaufpreisforderung, die auf den Verkauf von Aktien der Accentro im vierten Quartal 2017 zurückging, laut Bafin wesentlich überbewertet. Adler-Verantwortliche hätten demnach die ihr bekannten Kredit- und Verwertungsrisiken – entgegen den maßgeblichen Rechnungslegungsvorschriften – nicht berücksichtigt.
Bei der Beurteilung der Werthaltigkeit der Forderung zum 31. Dezember 2020 beziehungsweise zum 31. Dezember 2021 stellte das Adler-Management ausschließlich auf den Kurswert der verkauften Aktien zum Ende des Jahres 2020 beziehungsweise zum 8. Dezember 2021 ab, obwohl der Schuldner der restlichen Kaufpreisforderung bereits vorab mehrere Zahlungsfristen fruchtlos verstreichen ließ. Da die Zahlungsfristen mehrmals ergebnislos verstrichen sind, stieg laut Bafin das Ausfallrisiko der Kaufpreisforderung. Das Unternehmen hätte die erwarteten Kreditverluste bemessen und dabei auch ein Verlustszenario berücksichtigen müssen.
Accentro gehört heute zu 83 Prozent dem Finanzinvestor Brookline, der 2017 eingestiegen war. Hinter diesem steht der aserbaidschanischen Geschäftsmann Natig Ganiyev, der hatte die Gesellschaft zu einem Kaufpreis in Höhe von 180 Millionen Euro übernommen, soll laut Adlers Geschäftsberichten aber nicht vollständig bezahlt haben.
Unstimmigkeiten bei Kaufpreisforderung gegen AB Immobilien und Darlehen an Muttergesellschaft
Der Immobilienkonzern hatte die in der Konzernbilanz zum 31. Dezember 2020 in Höhe von 32,5 Millionen Euro ausgewiesene Kaufpreisforderung gegen die AB Immobilien aus der Veräußerung eines Immobilienportfolios zum Nennwert angesetzt. Diese Forderung wäre laut Bafin allerdings zum circa 18,9 Millionen Euro niedrigeren beizulegenden Zeitwert zu bewerten gewesen.
Überdies hatte das Unternehmen im Konzernanhang für das Geschäftsjahr 2021 nicht angegeben, dass das am 29. Dezember 2021 an die Muttergesellschaft Adler Group ausgereichte Darlehen in Höhe von 265 Millionen Euro nicht besichert war.
Adler-Group-Aktie stieg zeitweise um über 20 Prozent
Mit diesen Fehlerfeststellungen schließt die Bafin die Kontrolle der Konzernabschlüsse und der zusammengefassten Lageberichte 2019, 2020 und 2021 von Adler ab. „Auch wenn wir mit den Fehlerfeststellungen der Bafin nicht einverstanden sind, freuen wir uns darüber, dass wir das Verfahren mit der Bafin in einem stets konstruktiven und professionellen Dialog abschließen konnten“, sagt Thomas Echelmeyer, Finanzvorstand der Adler Group.
Zudem teilten die Verantwortlichen der Adler-Gruppe mit, dass der Konzern weiterhin an der „vollständigen Richtigkeit" der Konzernabschlüsse für die Geschäftsjahre 2019, 2020 und 2021 festhalte.
Im Endergebnis wurden die Jahresabschlüsse somit für gültig erklärt, da es sich um Folgefehler handelt. Die Rechnungslegungsfehler im Konzernabschluss 2019 hatte die Bafin bereits am 1. August 2022 und am 17. November 2022 bekannt gemacht. Bei der Aktie der Adler Group (WKN: A14U78) kam es deshalb zwischenzeitlich zu einem Kursanstieg von 21 Prozent auf gut 0,5 Euro.