Die Chancen liegen bei den Firmenkunden
Dass Regionalinstitute ihre Chancen im Private Banking nutzen sollten, liegt in der Natur ihrer regionalen Kernkompetenz: Ihr Firmenkundengeschäft bietet eine perfekte Schnittstelle zum Private Banking, da 70 Prozent des in diesem Segment verwalteten Vermögens von Unternehmern kommen. Das Potenzial ist groß: So zeigt die aktuelle „IM-Trendstudie Firmenkunden und Zahlungsverkehr 2019“, dass 48 Prozent der Befragten Unternehmer ein Geschäftsgirokonto bei einer Sparkasse führen. Von diesen verstehen beinahe drei Viertel die Sparkasse auch als ihre Hausbank – ein klarer Hinweis auf eine intensive Kundenbeziehung. Die sich mittlerweile weitgehend verschlossenen Türen bei den auf größere liquide Vermögen fokussierten Traditionsanbieter spielen den Regionalen dabei in die Hände und kompensieren ihr klassisches Handicap: die fehlende Kompetenzvermutung.
Doch der eigentlich sichere Elfmeter könnte noch weit häufiger verwandelt werden, weil es hohe Reibungsverluste in der Zusammenarbeit zwischen Firmenkundenberatung und Private Banking gibt. Ein üblicher Fehler liegt darin, sich zu stark auf die Anlageseite zu konzentrieren, obwohl für den Firmenkunden die geschäftliche Seite klar im Vordergrund steht. Zu einer ganzheitlichen Sicht auf die Kundenbeziehung gehört ganz klar auch die Finanzierung. Unlängst stellte das Private Banking Magazin an dieser Stelle das Konzept der Ostsächsische Sparkasse Dresden vor, mit dem das hinderliche Silodenken überwunden werden soll.
Es gilt also, die Schnittstelle zum Unternehmenskunden intelligent und effizient zu nutzen, um im Wettbewerb mit den größten Wettbewerbern im unteren und mittleren Private-Banking-Segment, den freien Vermögensverwaltern, dauerhaft zu bestehen. Dafür müssen die regionalen Banken auch eine tragfähige Lösung für die zentrale Herausforderung in diesem Geschäft finden: Wie der Spagat zwischen Kosteneffizienz und dem Kundenanspruch auf individuelle Betreuung nachhaltig gelingen kann.
Mehr Chancen als Risiken bietet hier die Digitalisierung. Neben der Erwartung einer individuellen Betreuung macht das 365/7/24-Anspruchsdenken der Kunden in einer digitalisierten Welt auch vor dem Private Banking nicht halt. Die Institute sind auch hier gefordert, digitale Lösungen überall dort einzuführen, wo sie das Potenzial haben, ein herausragendes Kundenerlebnis zu erzeugen. Investitionen in Innovation sollten deshalb dort getätigt werden, wo sie die Wahrnehmung der Kunden von Beziehung, Wertschätzung und Individualität verbessern – wesentliche Faktoren einer vom Kunden positiv erlebten Kundenzentrierung.
Banken müssen ins Handeln kommen und eine Denkhaltung entwickeln, die über die gesamte Wertschöpfungskette des Unternehmens hinweg einen nachhaltigen Kundennutzen erzeugt. Echte Kundenzentrierung rückt den Fokus weg vom kurzfristigen Ertrag auf die langfristige Quelle des Ertrags – den Kunden.
Über den Autor:
Oliver Mihm ist Vorstandsvorsitzender der auf Finanzdienstleistung fokussierten Managementberatung Investors Marketing. Er berät zahlreiche Top-Entscheider der Finanzbranche in der kundenzentrierten Ausrichtung ihrer Unternehmen am Markt.