Stiftungsexperte Jörg Seifart „Ich verstehe die Haftungsängste der Stiftungsvorstände“

Jörg Seifart von der Gesellschaft für das Stiftungswesen

Jörg Seifart von der Gesellschaft für das Stiftungswesen: Der Experte ordnet die jüngste Stiftungsreform und neue Diskussionen dazu ein Foto: Gesellschaft für das Stiftungswesen

private banking: Sieben Jahre hat der Gesetzgeber zur Reform des Stiftungsrechts beraten, und dann ging es plötzlich vor der Sommerpause ganz schnell. Wie gut ist die Reform geworden?

Jörg Seifart: Ich finde es richtig und wichtig, dass die Reform trotz mancher inhaltlichen Kritik doch noch gekommen ist. Wenn schon der Gesetzgeber eingesteht, dass es wegen der verschiedenen Landesgesetze kaum Rechtsprechung gibt, die sich verallgemeinern lasse, ist genug zur Dringlichkeit gesagt. Genau wie die Tatsache, dass zum Teil bestimmte Bundesländer oder Stiftungsaufsichten als Stiftungsstandorte empfohlen werden, spricht nicht für professionelle staatliche Rahmenbedingungen, die Stiftungen dringend benötigen.

Gibt es neben der Vereinheitlichung weitere wichtige Neuerungen?

Seifart: Auch wenn es inhaltlich nichts Neues ist, ist die Business Judgement Rule zu begrüßen, die nun auch im Gesetz geregelt ist. Damit gibt der Gesetzgeber Sorgfaltspflichten für Stiftungsgremien vor, um – wenn man sie einhält – rechtssicher anlegen zu können. Einige professionell aufgestellte Stiftungen praktizieren diese Vorgaben schon längst und können deshalb ohne Haftungssorge in Anlagethemen agieren.

Und Kritik?

Seifart: Die von einigen Branchenvertretern geäußert Kritik ist schon etwas kurios. Ausdrücklich stellt es der Gesetzgeber den Stiftungen und ihren Beratern frei, Anlageentscheidungen so zu treffen, wie sie professionell zum Erreichen der gesetzlich vorgegebenen Anlageziele, wie Kapitalerhalt, Ertragserwirtschaftung und Risiko, zu treffen wären. Und jetzt hört man immer wieder, dass es doch schön gewesen wäre, wenn das Gesetz zum Beispiel eine Verbotsliste bestimmter Titel oder Anlageklassen erlassen hätte. Wie gesagt, erst beschwert man sich über eine Überregulierung, und wenn es dann Freiheiten gibt, ist es auch nicht recht. Nun ist es aber so, dass es ist jeder Stiftung grundsätzlich freigestellt ist, alles zu allokieren, wenn es in das Gesamtbild der Strategie und zum Erreichen der Anlageziele passt. Wobei damit natürlich keine freihändigen Entscheidungen erlaubt sind, sondern Auswahlprozess, Dokumentation, Compliance et cetera sorgfältig beachtet werden müssen. Dabei kommt es eben nicht auf die jeweiligen Einzeltitel an und deshalb sind beispielsweise Geeignetheitsprüfungen redundant.   

Wie ist denn das Gesamt-Echo des Stiftungwesens?

Seifart: Ich habe den Eindruck, dass die Erleichterung in der Stiftungsszene groß ist, dass die Reform gekommen ist. Leider kommt die Reform erst Mitte 2023. Gerade bei den Summen, um die es zum Teil geht, kann ich die persönlichen Haftungsängste von den Verantwortlichen gut verstehen. Wer jetzt aber wartet bis das Gesetz und die Business Judgement Rule formal inkrafttreten, setzt sich vollkommen ohne Not einem Risiko aus.

Das heißt jetzt schon die Regeln umsetzen?

Seifart: Auf jeden Fall. Dazu ein Beispiel: Es gab mal einen Stiftungsvorstand, der wegen Versäumnissen in der Vermögensverwaltung in Regress genommen wurde. Konkret ging es darum, dass die Stiftung in zwei aufeinander folgenden Krisen nicht richtig reagiert und fortlaufenden Verlusten zugesehen hatte. Sollte eine Stiftung also noch an Spätfolgen aus dem Corona-Crash leiden, würde sie darauf setzen, dass es in den nächsten 21 Monaten zu keinem weiteren Kurseinbruch kommt. Ich persönlich würde doch zusehen, dass möglichst viel schon jetzt zu meiner eigenen Sicherheit adaptiert wird.

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Konkret geht es um die Business Judgement Rule.

Seifart: Genau. In der anwaltlichen Beratung machen wir das über die Analyse des Finanzstatus. Das ist ein Instrument, mit dem man die Anlageprozesse und das Erreichen der Anlageziele rechtssicher überprüfen kann. Häufig genug muss man dabei feststellen, dass der Legitimationsgrad der Vermögensanlage suboptimal ist. Da passt zum Beispiel die Anlagepraxis nicht zu den entsprechenden Beschlüssen oder der Anlagerichtlinien – wenn es sie gibt. Aber in sehr vielen Fällen wird der rechtliche Spielraum, den die Stiftung theoretisch hätte, nicht konsequent für das Vermögensmanagement genutzt.

Stiftungen dürfen künftig realisierte Gewinne auskehren. Finden Sie das gut oder sind Sie skeptisch?

Seifart: Grundsätzlich bin ich immer für einfache Lösungen zu haben. Zum einen muss dafür die Satzung das Auskehren von Gewinnen nicht ausschließen. Wobei ich eher Bedenken habe, ist, dass das eben nur unter der Beachtung des Kapitalerhalts erlaubt sein wird. Das heißt, dass genau das vor dem Ausgeben wasserdicht geprüft werden muss. Ob das in der Praxis dann immer so konsequent umgesetzt werden wird, wage ich zu bezweifeln. Aber Sie können mich ruhig als Misanthropen schimpfen. Ich würde mich hier gerne irren.


Über den Interviewten:
Jörg Seifart ist Inhaber der Gesellschaft für das Stiftungswesen, einem Multi Foundation Office mit Sitz in Düsseldorf, und Namensgeber der Kanzlei GfdS legal. Der Rechtsanwalt gilt als Experte für komplexe Fragestellungen, auch den nicht-juristischen, rund um das Stiftungswesen.

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