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HSBC zur aktuellen Marktlage Aktien vorerst neutral gewichten

Babak Kiani, Leiter Portfoliomanagement Aktien und Multi Asset bei HSBC Global AM Deutschland

Im Fondsmanagement bei HSBC wägen wir Chancen und Risiken ab und entscheiden, ob es sich lohnt, entweder mehr oder weniger Aktienrisiko einzugehen. Das hört sich simpel an, kann aber bisweilen ausgesprochen anstrengend sein. Wir laufen stets Gefahr, im Nachhinein zu offensiv oder zu defensiv gewesen zu sein. Doch das ist die Natur unseres Handwerks als Asset Manager und es gibt keinen Weg um dieses Dilemma herum. Nicht „hätten wir doch“ ist die Devise, sondern die immer aktuelle Frage nach der Balance zwischen Chance und Risiko.

Deshalb beobachten wir kontinuierlich potenzielle Risikoquellen und verharren nicht in immerwährendem Optimismus. Dies haben wir in den vergangenen Monaten wieder und wieder getan, mit dem Ergebnis, Geduld zu predigen und von voreiliger Aufstockung von Aktienpositionen im schwächlichen Marktumfeld abzuraten.

Derzeit sehen wir uns zwar in unserer bisherigen Vorsicht bestätigt. Die Frage bleibt jedoch wie stets: Was tun? Im Verlauf der jüngsten Aktienmarktschwäche wurden wesentliche Unterstützungslinien in einigen großen Aktienindizes verletzt.

Das ist kein gutes Zeichen, Gesundbeten gilt nicht. Selbst der US-Aktienmarkt, der sich gänzlich von den Schwächezeichen vieler anderer Märkte gelöst zu haben schien, hat spürbare Abschläge hinnehmen müssen. Sollte es hier zu weiteren Schwächeanfällen kommen, ist an anderen Märkten kaum mit einer Abkopplung zu rechnen – auch nicht, nachdem diese bereits weit mehr als die US-Märkte gelitten haben. Die Frage ist somit: Was spricht dafür, dass die Schwäche zumindest vorübergehend ausläuft? Was bringt Ruhe in den Markt? Was könnte wieder nennenswert höhere Notierungen auslösen?

Die fundamentale Lage bleibt akzeptabel

Die fundamentale Lage stellt unseres Erachtens vorerst keine Gefahr dar. Das gilt auch nach den sich jüngst häufenden Abwärtsrevisionen globaler Wachstumsschätzungen, etwa seitens des Internationalen Währungsfonds. Wir sehen keine Veranlassung, von einer anhaltenden globalen Schwäche auszugehen. Vielmehr hat sich offensichtlich die generelle Risikobereitschaft der Anleger verändert. Dies hat, und das macht das Umfeld so kompliziert, am ehesten mit den (geld)politischen Belastungen zu tun, mit tatsächlichen und befürchteten Zinserhöhungen über Reibereien im globalen Handel und das näher rückende Ölembargo gegenüber Iran bis hin zum weiter ungelösten Thema „Brexit“ und zu neuerlichen Sorgen um Italien – um nur einige Barrieren für steigende Kurse zu nennen. Die Kapitalmärkte dürften damit weiterhin im Spannungsfeld zwischen akzeptabler Konjunktur und diffiziler Politik gefangen sein. Dieser Knoten muss zerschlagen werden, ehe es zu einer neuerlichen, nachhaltigen Aufwärtsbewegung kommen kann. So zumindest unsere Grundhaltung. Das wiederum erscheint am wahrscheinlichsten, wenn wir Lösungen im politischen Bereich sehen – ehe die Konjunktur womöglich doch noch stärker als bisher leidet.

Nichtsdestotrotz gibt es aber auch zumindest temporär Gutes zu vermelden: Die Kursverluste bis zum Verfallstermin an den Terminbörsen im Oktober führten zwar vielerorts zur Unterschreitung mehr oder weniger wichtiger Unterstützungen. Allerdings führten diese Abschläge auch dazu, dass viele (Sub)Indizes sich inzwischen in klar überverkauftem Terrain befinden. Hinzu kommt, dass die Markttechnik in einzelnen Indizes zwar auf Tagesbasis „angeschlagen“ sein mag. Verlagern wir uns aber auf die Wochensicht, so können wir auf den gegenwärtigen Niveaus an einigen Stellen erneute Unterstützungen konstatieren – zum Beispiel deutsche Aktien, die am Verfallstag auf dem immer noch marginal ansteigenden Durchschnitt der letzten 200 Wochen aufsetzten.

Derartiges stellt zwar nie eine Garantie, doch sehr wohl und häufig eine starke Indikation für ein Auslaufen der vorangegangenen Bewegung, in diesem Falle abwärts, dar – zumal in kurzfristig überverkauften Märkten. Wir haben uns getreu unserer langjährigen Methodik bei Erreichen unserer unteren Review-Levels die Frage nach der Konsequenz gestellt. Verkaufen? Kaufen? Abwarten? Die Entscheidung fiel aus den oben genannten Gründen auf „abwarten“.

Aktien von der Politik belastet

Zwar gehen wir nicht von einer unmittelbar bevorstehenden neuen Hausse aus. Wir glauben allerdings durchaus, dass den jüngsten Kursverlusten eine Erholung folgen dürfte. Insoweit gilt für uns weiterhin die Devise: „Abwarten“ beziehungsweise „Aktien neutral“. Eine einsetzende Erholung wollen wir dazu nutzen, die Lage neu zu beurteilen. Hier wird vieles vom Fortgang der politischen Themen abhängen, die in diesem Jahr die Saisonalitäten überlagern könnten, die im historischen Rückblick oft positiv gewesen sind. Mangels handfester negativer Fundamentaldaten sollte zudem auch die alte Börsenweisheit nicht übersehen werden: „Politische Börsen haben kurze Beine“, auch wenn die Politik diesmal schon überdurchschnittlich lange belastet. Wer jedenfalls bei seinen Entscheidungen auf Bewertungen achtet, kommt gegenwärtig nicht umhin anzuerkennen: Angesichts der zumindest befriedigenden Konjunkturlage weisen Aktien trotz ihrer kräftig tieferen Bewertungen gegenüber den Höchstständen des Jahres 2018 deutlich chancenreichere Bewertungen auf als die meisten ihrer Konkurrenten – allen voran festverzinsliche Anlagen.

Statt hektische Zu- oder Verkäufe im beschriebenen Umfeld zu tätigen, entscheiden wir uns deshalb für eine Grundtugend in der Kapitalanlage: Geduld und Disziplin.

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