HQ-Trust-Analyse Wie Anleger das Schuldenprinzip von Anleiheindizes umgehen

Jan Tachtler von HQ Trust.

Jan Tachtler von HQ Trust: „Anders als bei Aktienindizes, die nach Marktkapitalisierung gewichten, orientieren sich Anleiheindizes am absoluten ausstehenden Schuldenvolumen.“ Bildquelle: HQ Trust

Bei Aktienindizes kennen sich viele Investoren aus. Doch wie funktionieren eigentlich Anleiheindizes? Jan Tachtler von HQ Trust erklärt, warum dort ein anderes Prinzip gilt – und was das für Anleger bedeutet.

Der Fondselektor analysiert am Beispiel des Bloomberg Euro Aggregate Treasury Index, wie sich die Gewichtung von Staatsanleihen zusammensetzt. Dabei vergleicht Tachtler die Staatsverschuldung verschiedener europäischer Länder mit deren Gewichtung im Index und verwendet das „Debt-to-GDP-Ratio“ als Kennzahl.

Das Prinzip: Mehr Schulden, mehr Gewicht

Der grundlegende Unterschied zu Aktienindizes wird schnell deutlich: „Anders als bei Aktienindizes, die nach Marktkapitalisierung gewichten, orientieren sich Anleiheindizes am absoluten ausstehenden Schuldenvolumen“, erklärt Tachtler.

Staatsverschuldung europäischer Länder im Vergleich zur Gewichtung im Bloomberg Euro Aggregate Treasury Index.
Staatsverschuldung europäischer Länder im Vergleich zur Gewichtung im Bloomberg Euro Aggregate Treasury Index. | Bildquelle: HQ Trust Research

Die Staatsverschuldung fungiert laut dem Experten als Indextreiber. Länder wie Italien und Frankreich vereinen hohe Verschuldung und hohe Indexgewichte auf sich und machen zusammen derzeit mehr als 40 Prozent des Indexgewichts aus.

Deutschland: Hohes Gewicht, bessere Bonität

Deutschland nimmt laut Tachtler eine Sonderstellung ein: Trotz hoher Verschuldung und hohem Indexgewicht sei die Fähigkeit zur Rückzahlung deutlich besser als bei den anderen Indexschwergewichten. Umgekehrt bleiben solide wirtschaftende Länder unterrepräsentiert: „Staaten mit niedriger Verschuldung und/oder einem kleinen Anleihemarkt – etwa Irland, Luxemburg oder die baltischen Staaten – spielen im Index kaum eine Rolle.“

Tachtler empfiehlt Investoren, sich dieser Mechanik bewusst zu werden: „Investoren sollten sich bewusst machen, dass Anleiheindizes nach dem Prinzip ‚mehr Schulden, mehr Gewicht' funktionieren – und nicht nach Bonität oder wirtschaftlicher Stärke.“ Die praktischen Konsequenzen sind weitreichend: „Wer breit gestreute Anleihe-ETFs oder Indexfonds kauft, investiert demnach automatisch besonders viel in die Länder mit den größten Schuldenbergen.“

Alternativen für bewusste Risikosteuerung

Als Lösungsansätze nennt der Fondselektor mehrere Optionen: „Eine aktive Auswahl kann helfen, mögliche Klumpenrisiken zu vermeiden. Eine Alternative für Investoren können gleichgewichtete Indizes oder aktiv gemanagte Fonds sein, die eine bewusste Länder- und Kreditrisikosteuerung ermöglichen.“

Feste Laufzeiten als Alternative

HQ-Trust-CIO Christian Subbe ergänzt einen weiteren Aspekt für Anleger mit konkreten Zahlungsterminen: „Wer in Anleihen investiert, um zukünftige Zahlungen bedienen zu können, sollte eher auf feste Laufzeiten und eine gute Bonität setzen.“

Der Grund: Bei Index-Investments entstehe Kursrisiko. „Bei Index-Investments müssen die Anteile zu einem bestimmten Zeitpunkt verkauft werden. Dann könnte Verluste anfallen, da die Kurse den Zinsschwankungen folgen.“ Bei Einzelanleihen dagegen erfolge „die Rückzahlung zum Nennwert am Termin. Zumindest, sofern kein Kreditereignis wie etwa eine Firmeninsolvenz vorliegt, was bei einer guten Bonität eher unwahrscheinlich ist.“

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