Wer suchet, der findet. Aber ein wenig Aufwand für diese Suche braucht es schon. Denn wer das Register für die in Deutschland tätigen Honorar-Anlageberater finden möchte, muss auf der Internetseite der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht wühlen. Und wer sich bisher weniger mit Honorar-Anlageberatung beschäftigt hat, wird ob der mageren Ausbeute im Bafin-Register vielleicht auch ein wenig enttäuscht sein. Gerade einmal 19 Einträge finden sich in der Liste von Finanzdienstleistern, die die Bafin als Anbieter von Honorar-Anlageberatung beaufsichtigt. Das ist im Vergleich zu den sonst in den Bafin-Registern auffindbaren, hunderten Unternehmen, die auch Finanzdienstleistungen anbieten, eine verschwindend geringe Zahl.
Warum die Gattung der Honorar-Anlageberater so selten ist, verrät auch ein Blick auf die Vorgaben. Das Ziel des Honoranlageberatungsgesetz aus dem Jahr 2014 ist eigentlich ehrenwert: Mit dem Gesetz soll transparenter werden, wie Anlageberatung vergütet wird. Denn Umfragen zeigen: Nicht alle Endkunden sind sich gewahr, dass bei normaler Anlageberatung auch die Produktanbieter die Berater bezahlen. Und das kann theoretisch dazu führen, dass Berater ihren Kunden die Produkte verkaufen, die ihnen die höchsten Provisionszahlungen seitens der Produktgeber einbringen. Auch die gesetzlichen Pflichten, nach denen Berater die Zuwendungen offenlegen müssen, haben bei vielen Endanlegern diesbezüglich nicht für Klarheit gesorgt.
Abhilfe soll also die Honorar-Anlageberatung schaffen: „Der Honorar-Anlageberater darf sich ausschließlich vom Kunden bezahlen lassen, denn Honorar-Anlageberatung soll allein im Interesse des Kunden erbracht werden“, erklärt etwa die Bafin. Provisionen dürfen fließen, wenn weder das empfohlene Produkt noch ein vergleichbares ohne Provision erhältlich ist. Und selbst in diesem Fall müssen die Berater die Provision sofort an die Kunden weiterleiten.
Damit nicht trotzdem Interessenskonflikte auftreten, sind die Honor-Anlageberater dazu verpflichtet, sich einen ausreichenden Marktüberblick zu verschaffen – damit eben nicht immer wieder die Produkte des gleichen Fondsanbieters, eigene Fonds oder Fonds von Schwesterunternehmen im Depot des Kunden landen. Geschieht das doch, müssen die Berater darauf hinweisen.
Die einen dürfen Honorarberatung, die anderen müssen Honorarberatung
„Die Honorar-Anlageberatung ist authentisch – weil unabhängig und transparent – und ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber dem Wettbewerb“, meint Richard Luu, der 2020 die Profide Vermögensverwaltung gegründet hat – das Unternehmen ist eines der 19 Einträge im Bafin-Register für Honorar-Anlageberatung. Luu hat sich eine weitere Auflage gegeben und eine erfolgsabhängige Vergütung verordnet: Er verdient sein Honorar erst dann vollständig, wenn er die Investmentziele erreicht. Dass er im Register mit nur 18 anderen Unternehmen konkurriert, macht er an der Struktur der Branche fest: „Auf der einen Seite sind die Kunden offen für Transparenz und wollen nicht ‚abgezockt‘ werden. Auf der anderen Seite wollen immer noch viele Anlageberater, Vermögensverwalter und Banken nicht auf die zusätzlichen Kickback-Provisionen verzichten.“
Das Schattendasein der Honorar-Anlageberater verstärkt nämlich folgender Umstand: Zwar müssen Honorar-Anlageberater auf die Provisionen verzichten, normale Anlageberater aber nicht auf Honorarvergütungen. Das heißt: Andere Vermögensverwalter treffen mitunter mit einigen Kunden Honorarvereinbarungen, können andere aber auch weiterhin auf Provisionsbasis beraten. „Oft müssen Kunden dann aber explizit nach solchen Klauseln fragen. Und: Wer überprüft, dass diese Klauseln auch eingehalten werden?“, fragt Luu.
Fakt ist: Mischmodelle sind in der Praxis weit verbreitet. Gerade bei größeren Vermögen und aufgeklärteren Kunden sind Honorarmodelle auch bei Vermögensverwaltern oder Family Offices Gang und gäbe, die nicht als Honorar-Anlageberater firmieren. Das zeigen etwa Umfragen unter unabhängigen Vermögensverwaltern. Die Kritik, dass ohnehin nur Kunden mit einem höheren Vermögen Honorar-Anlageberatung bezahlen könnten, sieht Luu relativ. So plant er in Zukunft einen Fonds aufzulegen, der ab 100 Euro investierbar ist – und bei dem ihn Kunden nur im langfristigen Erfolgsfall vergüten müssen.
Auch Frank Hofmann berät nach den Regeln eines Honorar-Anlageberaters, auch Hofmann will sich im Wettbewerb abgrenzen, betrachtet die Honorar-Anlageberatung als „persönliche Unabhängigkeitserklärung“. Und auch er glaubt, dass Beratung gegen Honorar nicht nur für größere Vermögen passen: „Sowohl für die Honorarberatung als auch die Provisionsberatung fallen unter dem Strich Kosten an. Stehen diese Kosten in einem ungünstigen Verhältnis zur Anlagesumme lohnt sich für den Kunden weder das eine noch das andere.“ Eine exakte Grenzziehung sei jedoch schwierig. Er verbindet wie Luu mit Provisionen Interessenskonflikte. Angreifbar könnten auch Honorarvereinbarungen sein, die „normale“ Vermögensverwalter ohne Lizenz als Honorar-Anlageberater mit ihren Kunden treffen: „Oft wird neben der Bestandsprovision zusätzlich eine Service-Fee beim Kunden abgerechnet. Die Hintertür zur Provision bleibt ohne verbindliches Bekenntnis zur Honorar-Anlageberatung immer offen und der Berater kann in Konflikt mit den Kundeninteressen geraten.“ Er selbst müsse diesen inneren Konflikt nicht austragen – das wirke sich positiv auf die Kundenbeziehung aus.
Zwei Modelle für die gleiche Beratung
Trotzdem unterscheiden sich Hofmann und Luu. Denn während Luu mit einer eigenen Lizenz für seine Profide Vermögensverwaltung berät, ist Hofmann mit seiner Firma Vermögensplanung Hofmann gebundener Vermittler der NFS Netfonds Financial Services. Das Haftungsdach wiederum taucht im Register der Bafin unter den Honorar-Anlageberatern auf. Zwar arbeitet das Unternehmen auch mit gebundenen Vermittlern zusammen, die nicht nur Honorar-Anlageberatung anbieten, dafür muss das Haftungsdach aber Vorgaben der Bafin befolgen. Denn die Aufsichtsbehörde legt fest: Falls ein Unternehmen nicht ausschließlich Honor-Anlageberatung erbringt, muss es sie organisatorisch, funktional und auch personell von der herkömmlichen Anlageberatung trennen. „Diese Trennung gewährleistet, dass die Honorar-Anlageberatung unabhängig erbracht und nicht von der provisionsgestützten Anlageberatung beeinflusst wird“, führt die Bafin aus.
Dass Hofmann den Schritt unter ein Haftungsdach gegangen ist, anstatt wie Luu eine eigene Erlaubnis zu beantragen, war für ihn eine betriebswirtschaftliche „Make or buy“-Überlegung: „Meine Kernkompetenzen liegen in der Finanzplanung sowie der anschließenden Vermögensausrichtung und Betreuung. Alles, was nicht zu meinen Kernkompetenzen zählt, versuche ich auszulagern.“ Die regulatorischen oder technische Voraussetzungen stellt für ihn NFS Netfonds Financial Services sicher. So könne er sich vollkommen auf seine Kunden konzentrieren. „Hierfür muss ich kein klassischer Finanzdienstleister mit eigener Erlaubnis sein, solange ich Regulatorik und IT wirtschaftlich sinnvoll auf ein Haftungsdach auslagern kann und meine Unabhängigkeit gewahrt bleibt“, erklärt Hofmann. Würden Honorar-Anlageberater wie sein Haftungsdach gegen die „besonderen Wohlverhaltens- und Organisationspflichten für die Honorar-Anlageberatung“ verstoßen, kann die Bafin die jeweiligen Unternehmen aus dem Register löschen – die die gesetzlich geschützte Bezeichnung dann nicht mehr verwenden dürfen.
Ganz glücklich sind aber weder Luu noch Hofmann mit der Gesetzgebung. Luu berichtet: „Die Gesetzeslage ist hier in manchen Punkten nicht so konkret. Mein Wirtschaftsprüfer war anfangs etwas ratlos, wie er unsere Gesellschaft hier prüft.“ So wünscht er sich etwa eine Checkliste der Bafin, die ihm die Arbeit erleichtern könnte. Hofmann verweist auch auf die Endanleger, die die Unterschiede zwischen den zulässigen Beratungsmodellen nur schwer erkenn können: „Provisionsberater haben verständlicherweise wenig Interesse an einer offensiven Aufklärung zum Thema Honorarberatung, daher bleibt die Aufklärungsarbeit zwangsläufig an den Honorarberatern hängen.“ Angesichts der geringen Anzahl an Honorar-Anlageberatern könne man das Thema aber nur schwer in der Breite erklären.
Und um die Verwirrung perfekt zu machen, gibt es ja auch noch den Honorar-Finanzanlagenberater, quasi den kleinen Bruder des Honorar-Anlageberaters. Die Vorgaben für den Honorar-Finanzanlagenberater regelt Paragraf 34h der Gewerbeordnung. Dieser richtet sich an diejenigen Berater, die zwar im Sinne von Paragraf 34f der Gewerbeordnung und damit der Finanzanlagenvermittlung beraten wollen – das jedoch „ohne von einem Produktgeber eine Zuwendung zu erhalten oder von ihm in anderer Weise abhängig zu sein“, wie es in der Gewerbeordnung heißt. Das heißt auch, dass die Honorar-Finanzanlagenberater nicht gleichzeitig Finanzanlagenvermittler nach Paragraf 34f sein dürfen.
Auch Honorar-Finanzanlagenberater fristen Nischendasein
Inhaltlich gelten für die 34h-Berater die gleichen Vorgaben wie für die Honorar-Anlageberater. „Sie müssen ihrer Empfehlung eine hinreichende Anzahl von auf dem Markt angebotenen Finanzanlagen zu Grunde legen, die von ihrer Erlaubnis umfasst sind und die nach Art und Anbieter oder Emittenten hinreichend gestreut und nicht beschränkt sind auf Anbieter oder Emittenten, die in einer engen Verbindung zu ihnen stehen oder zu denen in sonstiger Weise wirtschaftliche Verflechtungen bestehen“, heißt es etwas umständlich in der Gewerbeordnung. Der Unterschied zur Honorar-Anlageberatung sind die Produkte, die die Berater ihren Kunden empfehlen dürfen. Während die Honorar-Anlageberater auch zu Einzelaktien oder Einzelanleihen beraten dürfen, sind die Honorar-Finanzanlagenberater auf offene und geschlossene Investmentvermögen sowie Vermögensanlagen limitiert – eben wie die Finanzanlagenvermittler nach Paragraf 34f.
Und genauso beaufsichtigt auch das örtliche Gewerbeamt die Honorar-Finanzanlagenberater. Die Behörde lässt die Berater auch zu – und die landen im Vermittlerregister der Deutschne Industrie- und Handelskammer. Das verrät: Nur 303 Honorar-Finanzanlagenberater mit einer Erlaubnis nach Paragraf 34h gab es Ende Juni 2024 insgesamt. Dagegen fanden sich zum gleichen Zeitpunkt 40.857 Finanzanlagenvermittler mit Erlaubnis 34f im Vermittlerregister – und damit über 40.000 Berater, die sich die Option auf Provisionen offenhalten.
Die Honorar-Finanzanlagenberater fristen also wie die Honorar-Anlageberater ein Nischendasein. Die Gründe dürften ähnlich sein, genauso die Aussichten. Zwar schreckte die Europäische Union die Branche mit Diskussionen über ein mögliches Provisionsverbot auf – so gibt es beispielsweise in Großbritannien oder den Niederlanden entsprechende Modelle – das Thema scheint aber vom Tisch zu sein. Zumindest vorerst. „Die Angriffe der letzten Jahre auf die Provisionsberatung haben Wirkung gezeigt und werden sicherlich weitergehen“, glaubt Hofmann. Über kurz oder lang könne ein Provisionsverbot Realität werden. „In der Folge werden sich Geschäftsmodelle etablieren, für deren Dienstleistungen Mandanten bereit sind, Honorare zu bezahlen“, ergänzt Hofmann.
Wo Luu seine Position als Honorar-Anlageberater heute vor allem als Alleinstellungsmerkmal sieht, glaubt er vor dem Hintergrund eines möglichen Provisionsverbot und aufgeklärterer Kunden auch eine andere Perspektive: „Langfristig können Sie nur bestehen, wenn Sie einen wirklichen Mehrwert für den Kunden generieren. Das erreichen wir durch Unabhängigkeit und Transparenz als Honorar-Anlageberater.“