Die Europäische Union will mit ihrer Agenda 2030 erreichen, dass möglichst viel Kapital in nachhaltige Investitionen umgelenkt wird. Verklausuliert und im feinsten Beamten-deutsch heißt es etwa: „In Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe c des Übereinkommens von Paris wird das Ziel festgelegt, entschlossener gegen Klimaänderungen vorzugehen, indem unter anderem die Finanzmittelflüsse mit einem Weg hin zu einer hinsichtlich der Treibhausgase emissions-armen und klimaresilienten Entwicklung in Einklang gebracht werden.“
Damit das durchaus umständlich formulierte Ziel der EU erreicht werden kann, muss also mehr Kapital in nachhaltige Investments fließen, auch aus privaten Vermögen. Den größten Hebel haben dabei Ultra High Net Worth Individuals, kurz: UHNWIs. Doch ob die Hochvermögenden diesen Hebel wirklich nutzen, ist bisher eher unklar. Skepsis, so hört man es aus Family-Office-Kreisen, ist bisweilen noch vorhanden.
Outside-in vor Inside-out
Das Forschungsinstitut Resfutura beispielsweise hat in einer Studie mit 100 UHNWIs und 111 Dienstleistern wie Family Offices erstmals untersucht, wie Hochvermögende im deutschsprachigen Raum sich zu Nachhaltigkeit positionieren. Für sie zählt bisher mehrheitlich vor allem die sogenannte Outside-in-Perspektive, erklärt Studienautorin Yvonne Brückner: „Während die Inside-out-Perspektive die Wirkung einer Einheit auf Umwelt und Gesellschaft in den Blick nimmt, werden bei der Outside-in-Perspektive Wirkungen von Umwelt und Gesellschaft auf die Einheit betrachtet.“ Die genannte Einheit ist in diesem Falle der Hochvermögende selbst.
Für jeweils etwa drei Viertel der Befragten ist im Kontext nachhaltigen Handelns ebenfalls deshalb der eigene unternehmerische Erfolg beziehungsweise die Sicherung des eigenen Privatvermögens zentral (siehe Grafik). Weitere Ziele wie die Einhaltung planetarer Grenzen, dauerhafte gesellschaftliche Prosperität sowie verantwortungsvolle Führungspraktiken sind bei jüngeren Vermögensinhabern und Milliardären deutlich gefragter als bei älteren und solchen mit kleineren Vermögen.
Wenn es um diese Vermögen geht, sind Family Officer oft ein entscheidender Faktor, um eine Familie an das Thema Nachhaltigkeit heranzuführen. Christoph Weber ist geschäftsführender Gesellschafter des WSH Family Office und zudem Vorsitzender des Verbands unabhängiger Family Offices, kurz Vufo. Er hat jüngst das Thema Nachhaltigkeit mit den Familien, die er betreut, besprochen: „Wir haben zunächst zu einer offenen Diskussion eingeladen, die wirklich jede Familie angenommen hat. Das hat mich schon überrascht.“
Auffällig sei gewesen, dass sich viele mit Nachhaltigkeit auseinandergesetzt haben – aber eben auch durchaus kritisch. Wichtig sei, dass man die hochvermögenden Familien nicht über einen Kamm scheren könne. „Die Schwerpunktsetzung ist sehr unterschiedlich, wobei eine zunehmende Sensibilität und Einsicht bemerkbar war.“
Gerade ökologische Aspekte seien hinterfragt worden – vor allem, wenn es um behördliche, staatliche und europäische Regulierung ging. Die Frage, ob man sich bei der Wahl von Anlagen auf die europäische Taxonomie verlassen könne oder gegebenenfalls eigene Maßstäbe definieren sollte, stand im Raum. „Passt das zu uns, oder läuft man einem kurzfristigen Trend hinterher?“ sei eine weitere Frage gewesen, die sich Familien selbst und ihren Family Officern gestellt hätten.
Generationenübergreifendes Denken
Was also treibt die Familien an, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen? Ein Faktor sei beispielsweise, den Verbrauch knapper Ressourcen zu verringern. Kann bei Bauprojekten auf Baumaterialien möglichst verzichtet werden, deren Produktion mit hohen Energie- und Ressourcenverbrauch verbunden ist, beispielsweise Zement? Können Materialien recycelt, kann die Energetik optimiert werden? Aspekte, die laut Weber in Gesprächen durchaus deutlich zur Sprache kamen.
Und das grundsätzliche Interesse für entsprechende Überlegungen wird auch durch einen Bericht von Taylor Wessing untermauert. Die Studienautoren verweisen darauf, dass 78 Prozent der Hochvermögenden in Deutschland glauben, dass sie eine Verantwortung haben, mit ihrem Wohlstand die globalen Probleme wie ökologische Anliegen zu lösen. Damit liegt Deutschland nur knapp unter dem weltweiten Durchschnitt von 81 Prozent.
