HNWI-Report von Capgemini Generationenwechsel stellt Wealth Manager vor große Herausforderung

Carina Leidig, Leiterin Wealth & Asset Management bei Capgemini Invent in Deutschland

Carina Leidig, Leiterin Wealth & Asset Management bei Capgemini Invent in Deutschland: „Der drohende Verlust dieser kritischen Kunden ist ein erhebliches Risiko für die globale Vermögensverwaltungsbranche." Foto: Capgemini

Dem aktuellen World Wealth Report 2025 von Capgemini zufolge wuchs das globale Vermögen von vermögenden Privatpersonen (High-Net-Worth Individuals, HNWIs) im Jahr 2024. Doch der bevorstehende Vermögenstransfer auf eine jüngere Generation bringt ein großes Abwanderungsrisiko für Vermögensverwalter mit sich. Grund sind unter anderem mangelnde digitale Services und fehlende alternative Investmentmöglichkeiten. Die junge Vermögenselite stellt andere Ansprüche als die Generation zuvor.

„Der große Vermögenstransfer wird ein entscheidender Moment: Obwohl das weltweite Vermögen steigt, planen 81 Prozent der Erben innerhalb von ein bis zwei Jahren nach der Erbschaft den Verwalter zu wechseln. Der drohende Verlust dieser kritischen Kunden ist ein erhebliches Risiko für die globale Vermögensverwaltungsbranche", erklärt Carina Leidig, Leiterin Wealth & Asset Management bei Capgemini Invent in Deutschland.

Die nächste Generation habe ganz andere Erwartungen als ihre Eltern, das erfordere neue Strategien: „Unternehmen müssen ihre Berater mit digitalen Fähigkeiten ausstatten, ergänzt durch autonome KI-Agenten (Agentic AI) oder generative KI, sowohl um ihre Kunden zu halten als auch wichtige Mitarbeiter an sich zu binden.“

 

Der World Wealth Report 2025 von Capgemini, der bereits in seiner 29. Ausgabe erscheint, analysiert die tiefgreifenden Veränderungen in der Vermögensverwaltungsbranche, die sowohl durch verschobene wirtschaftliche Bedingungen als auch durch den bereits begonnenen Vermögenstransfer zwischen den Generationen geprägt sind.

Wachstum bei Vermögen und Zahl der HNWI im Jahr 2024

Laut den Studienautoren wuchs das globale Vermögen der HNWIs wie auch ihre Zahl im Jahr 2024. Und zwar stieg das globale HNWI-Vermögen um 4,2 Prozent, während die globale Zahl der HNWI um 2,6 Prozent zunahm. Dieses Plus haben wirtschaftliche Expansion und Zinssenkungen unterstützt. Ein günstiges Zinsumfeld und starke Renditen am US-Aktienmarkt hätten dazu beigetragen, die Vermögensbildung im Jahr 2024 anzukurbeln.

Die Entwicklung war allerdings regional unterschiedlich. Nordamerika führte das Wachstum sowohl beim HNWI-Vermögen (8,9 Prozent) als auch bei der Zahl der HNWI (7,3 Prozent) an. Im asiatisch-pazifischen Raum stieg die Zahl der vermögenden Privatpersonen laut Capgemini um 2,7 Prozent, und das HNWI-Vermögen wuchs um 4,8 Prozent.

Im Gegensatz dazu ging in Europa, Lateinamerika und im Nahen Osten die Zahl der HNWI zurück. Laut dem Bericht sank in Europa die Zahl der HNWI um 2,1 Prozent, während das Vermögen nur moderat um 0,7 Prozent stieg. Dies sei auf die wirtschaftliche Stagnation in den größten Ländern zurückzuführen, wobei Deutschland allein 41.000 Millionäre bis Ende 2024 verlor.

Im Vereinigten Königreich ging die Zahl der HNWI um 2,4 Prozent zurück, während das Vermögen nur um 0,5 Prozent wuchs. Die Zahl der HNWI im Nahen Osten sank laut Capgemini 2024 ebenfalls (-2,1 Prozent), was auf gesunkene Ölpreise zurückzuführen sei. Lateinamerika verzeichnete demnach Rückgänge bei Vermögen (-2,6 Prozent) und der Zahl der HNWI (-8,5 Prozent).

Vermögenskonzentration und Asset-Allokation

Das Vorjahr war den Studienergebnissen nach von einer Vermögenskonzentration geprägt. Die Ultra-HNWIs (Vermögen jenseits von 30 Millionen US-Dollar) verzeichneten mit einem Wachstum von 6,3 Prozent beim Vermögen und 6,2 Prozent bei der Zahl der HNWI die höchsten Zuwächse. Die Millionäre von nebenan (Millionaires Next Door, mit Vermögen zwischen 1 Million und 5 Millionen US-Dollar) verzeichneten dagegen das geringste Wachstum (2,6 Prozent beim Vermögen, 2,4 Prozent bei der Zahl der HNWI). Die Millionäre dazwischen konnten ihr Vermögen um 4,3 Prozent steigern, ihre Zahl stieg um 4,2 Prozent.

Die globale Asset-Allokation der HNWIs verschiebt sich leicht

Die Aktienallokation erhöhte sich um einen Prozentpunkt auf 22 Prozent, getrieben durch starke Marktrenditen und Enthusiasmus für KI- und Tech-Aktien. Die Allokation in festverzinsliche Wertpapiere sank um zwei Prozentpunkte auf 18 Prozent, was die enttäuschenden Renditen widerspiegele. Alternative Anlagen, zu denen Rohstoffe, Währungen, Private Equity, Hedgefonds, strukturierte Produkte und digitale Vermögenswerte gehören, behielten ihren Anteil bei 15 Prozent, wobei Private Equity und Kryptowährungen signifikante Renditen generierten.

Bargeld und Bargeldäquivalente normalisierten sich laut dem Bericht auf 26 Prozent der Portfolios. Capgemini berichtet, dass HNWI-Anleger 15 Prozent ihrer Portfolios in alternativen Anlagen allokierten, einschließlich Private Equity und Kryptowährungen.

Der Great Wealth Transfer und die Erwartungen der Next-gen HNWIs

Ein prägnanter Trend ist laut Capgemini der beispiellose Transfer von Vermögen auf Gen X, Millennials und Gen Z, die als Next-gen HNWIs bezeichnet werden. Bis 2048 werden schätzungsweise 83,5 Billionen US-Dollar generationenübergreifend übertragen. Laut dem Bericht werden 95 Prozent dieses Vermögens an Gen X (37 Prozent), Millennials (44 Prozent) und Gen Z (14 Prozent) gehen. Frauen werden bis 2035 einen signifikanten Anteil erhalten und bis 2048 voraussichtlich über 56 Prozent des übertragenen Vermögens verfügen, insgesamt 47 Billionen US-Dollar.

Dieser Transfer stellt laut Capgemini sowohl Chancen als auch Herausforderungen für Vermögensverwalter dar: Dazu gehört, dass 81 Prozent der Next-gen HNWIs planen, innerhalb von zwei Jahren nach einer Erbschaft den Wealth Manager zu wechseln.

Hauptgründe sind laut Umfrage:

  • Mangelnde digitale Services auf ihren bevorzugten Kanälen (46 Prozent)
  • Fehlende alternative Investmentmöglichkeiten (33 Prozent)
  • Unzureichende Dienstleistungen (25 Prozent)

Diese jüngere HNWI-Gruppe unterscheidet sich laut Capgemini deutlich von Baby Boomern, die hauptsächlich Vermögenserhalt anstreben. Next-gen HNWIs sind risikobereiter und bevorzugen Asset-Klassen wie Private Equity und Kryptowährungen.

Die zentralen Erwartungen dieser Kundengruppe:

• Attraktive Produktportfolios mit Nischenangeboten und Alternativen.

88 Prozent der Befragten gaben laut Capgemini an, dass Next-gen HNWIs mehr Interesse an Alternatives haben als Baby Boomer.

• Verbesserte Offshore-Investitionen in traditionellen und aufstrebenden Vermögenszentren wie Singapur, Hongkong, VAE und Saudi-Arabien.

56 Prozent sagten laut Capgemini, dass Next-gen HNWIs mehr Interesse an Offshore-Investitionen zeigen als die Generation, die ihr Vermögen weitergibt.

• Maßgeschneiderte Dienste, einschließlich Nachlassplanung und Concierge-Services.

Insbesondere digitale Nachlassplanung und die Verwaltung digitaler Assets werden laut dem Bericht wichtiger. Concierge-Services, auch für medizinische Versorgung und Ausbildung, sind die am höchsten bewerteten nicht-finanziellen Mehrwertdienste.

• Fortschrittliche digitale Funktionen und nahtlose Omnichannel-Erlebnisse.

Ihre bevorzugten Kanäle sind laut Capgemini Website-Interaktionen und Videoanrufe. 71 % der befragten WM-Führungskräfte geben laut der Studie an, dass Next-gen HNWIs digitale Services bevorzugen

Rolle und Herausforderungen von Relationship Managern (RMs)

RMs sind laut Capgemini entscheidend für die Kundenbindung, insbesondere bei Next-gen HNWIs, die proaktive Einblicke und maßgeschneiderte Empfehlungen schätzen. Jedoch fehlt vielen Firmen laut den Studienergebnissen die notwendige Technologie und Unterstützung, um RMs adäquat auszustatten. Dies führt dazu, dass 47 Prozent der RMs unzufrieden mit den digitalen Tools ihrer Firma sind.

Einer von vier RMs ist laut Capgemini unzufrieden mit den Tools und Services, die ihre Firma zur Unterstützung von Next-gen HNWIs bietet. Die Unzufriedenheit und eine erwartete hohe Anzahl an Renteneintritten (48 Prozent der RMs bis 2040) stellen laut dem Bericht ein Talentrisiko für Firmen dar. Die Studienautoren betonen die persönliche Loyalität der Next-gen HNWIs zu ihrem Berater: 62 Prozent der Next-gen HNWIs würden ihrem RM folgen, wenn dieser zu einer anderen Firma wechselt.

Capgeminis Strategie für Wealth Manager

Angesichts dieser Herausforderungen und Chancen schlagen die Autoren des World Wealth Reports 2025 von Capgemini eine dreiteilige Strategie vor, damit Vermögensverwaltungsfirmen in diesem neuen Umfeld erfolgreich sein können:

1. Steigerung des Engagements: Wachstum fördern durch maßgeschneiderte Anlagestrategien und Nutzung der Marktdynamik.

2. Begeisterung der Next-gen HNWIs: Angebot anpassen, etwa globale Diversifikation, erweiterte Nachlassplanung und Concierge-Services. Laut einer Umfrage von Capgemini gaben nur 29 Prozent der befragten Führungskräfte an, segment-spezifische, maßgeschneiderte Angebote für Next-gen HNWIs zu haben.

3. Stärkung der RMs: Bereitstellung notwendiger Technologie, Training und Support, insbesondere AI- und Agentic AI-Funktionen, um effizientere und personalisierte Interaktionen zu ermöglichen. 48 Prozent der RMs gaben laut Capgemini an, dass Finanzbildung ihnen hilft, langfristige Kundenbeziehungen zu sichern.

Abschließend kommt der Report von Capgemini zu dem Schluss, dass die Vermögensverwaltungsbranche wegen des bevorstehenden Generationenwechsels vor einer tiefgreifenden Transformation steht. Um in diesem neuen Umfeld erfolgreich zu sein, müssen Firmen die spezifischen Bedürfnisse der Next-gen HNWIs verstehen und adressieren, ihre Angebote anpassen und nicht zuletzt ihre Relationship Manager mit den richtigen Werkzeugen und Fähigkeiten ausstatten.

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