Seit der Finanzkrise 2008/2009 hat sich die US-Wirtschaft im historischen Vergleich nur schleppend erholt, obwohl die Arbeitslosenquote auf ein historisch niedriges Niveau zurückgekehrt ist. Mit der im Dezember 2017 beschlossenen Steuerreform für Unternehmen wurde die wahrscheinlich größte wirtschaftspolitische Entscheidung der vergangenen Jahrzehnte getroffen.
Nachdem die Schuldenquote der Industrieländer in den vergangenen zehn Jahren von durchschnittlich 50 auf 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gestiegen ist, erschien die Steuerpolitik der einzig verbleibende Weg, das Angebot zu stimulieren. Zentral sind die Senkung der Körperschaftsteuer von 35 auf 21 Prozent sowie die Einführung einer Steuer von 15,5 Prozent auf Gelder, die amerikanische Unternehmen im Ausland halten.
Insgesamt verfolgen die Architekten der neuen Angebotspolitik vier Ziele: Zuvorderst zu nennen ist die Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtschaft. Mit einem Körperschaftsteuersatz von 21 Prozent gehören die USA heute zu den wettbewerbsfähigsten Staaten. Des Weiteren geht es um die Verlängerung des Wirtschaftszyklus: Wenn die Expansion in den vergangenen neun Jahren so stark gewesen wäre wie unter der Reagan-Regierung, wäre das reale BIP der USA um mehr als 3 Billionen Dollar höher als jetzt.
Drittens die Erhöhung der Erwerbsquote: Vor der Krise erreichte sie 67 Prozent, fiel dann nach der Subprime-Krise auf 63 Prozent, ohne sich jemals zu erholen. Und zu guter Letzt die Wiederbelebung des Investitionszyklus. Das könnte zu nachhaltigem Wachstum für mehrere Jahre und einer ausgewogeneren Umverteilung des Wohlstands führen. Die Wachstumsrate der Unternehmensinvestitionen könnte von rund 4 auf 7 Prozent steigen. Sie lag in den vergangenen Boom-Zyklen aber auch schon bei knapp 10 Prozent und darüber.
Die Folgen dieser historischen Steuerreform sind nach wie vor ungewiss und werden zwischen Ökonomen und Investoren auf zwei Ebenen diskutiert. Im wirtschaftlichen Bereich dürfte sich das reale Wachstum durch Anstieg der Unternehmensinvestition auf ein Niveau um 3 Prozent beschleunigen. Gleichzeitig dürfte die Beschäftigungsquote weiter steigen. Die Kerninflation dürfte sich bis 2019 auf über 2 Prozent entwickeln und damit leicht über dem Ziel der US-Notenbank liegen.
Parallel dürften die Auswirkungen auf die Unternehmensgewinne dramatisch sein. Vor der Steuersenkung wurde für 2018 ein Gewinnwachstum in den USA von 12 Prozent erwartet, inzwischen sehen Analysten einen Anstieg von 19 Prozent. Gleichzeitig könnten thesaurierte Gewinne ausländischer Tochtergesellschaften von US-Unternehmen über 1.000 Milliarden Dollar in die USA zurücktransferiert werden, was in Teilen zu weiteren Investitionen führen dürfte. Das könnte sich auch positiv auf den Aktienmarkt auswirken.
Zusammengefasst könnte diese Entscheidung einen Wendepunkt darstellen, wenn die Wirtschaftspolitik noch durch das angekündigte 1,5 Billionen Dollar schwere Infrastrukturpaket für die kommenden zehn Jahre ergänzt wird. Es ist zu erwarten, dass diese historischen Veränderungen der Wirtschaftspolitik die USA in die Lage versetzen werden, ihre weltweite wirtschaftliche und finanzielle Führungsposition zu behaupten.
Über den Autor:
Achim Siller ist Leiter Portfoliomanagement bei Pictet Wealth Management in Deutschland. Für die Schweizer Vermögensverwalter-Bank arbeitet der CFA-Charterholder bereits seit 2011.