Herdenverhalten und Staatseingriffe Die heutige Investment-Welt der Superblasen

Karl-Heinz Thielmann ist Vorstand vom Long-Term Investing Research - Institut für die langfristige Kapitalanlage

Karl-Heinz Thielmann ist Vorstand vom Long-Term Investing Research - Institut für die langfristige Kapitalanlage

In diesem Jahr konnten wir bereits die Herausbildung (und das teilweise Platzen) zweier Finanzmarktblasen feststellen, die man aufgrund ihrer gewaltigen Größen durchaus aus Superblasen bezeichnen kann: bei chinesischen Inlands-Aktien sowie bei kontinentaleuropäischen Staatsanleihen (sowohl in Euro, skandinavischen Währungen und Schweizer Franken).

Bei diesen Anlageklassen stiegen die Kurse im Frühjahr spektakulär an; beziehungsweise die Renditen fielen auf Rekordtiefs. So gab es 2015 beispielsweise für chinesische A-Aktien gemessen am Stoxx China A Total Market bis Mitte Juni in Euro einen Kursgewinn von 90 Prozent.

Damit erreichten auch die Bewertungskennziffern Niveaus, die man vorher als völlig absurd angesehen hätte. Das Durchschnitts-KGV auf Basis von Konsensusgewinnschätzungen für nächstes Jahr stieg bei Shenzen-Aktien auf über 45; bei der chinesischen Start-up-Börse ChiNext sogar auf über 90. Die Umlaufrendite für deutsche Staatspapiere fiel zwischenzeitlich bis auf unter 0,1 Prozent. In der Schweiz hatten selbst 10-jährige Anleihen im April eine negative Nominalrendite.

Der Begriff Superblase wird jedoch nicht nur durch die Ausmaße der Anstiege oder extremen Bewertungen gerechtfertigt, sondern vor allem aufgrund der ungeheuren Volumen, welche dahinter standen.

Alleine die Marktgröße für Euro-Staatsanleihen liegt derzeit bei schätzungsweise 6,5 Billionen Euro. Das ist aber noch wenig im Vergleich zum Fernen Osten. Mainland-China (ohne Hongkong) hatte im Juni eine Marktkapitalisierung von etwa. 9 Billionen Euro erreicht (fünfmal mehr als Deutschland) und wurde damit nach den USA zum zweitgrößten Aktienmarkt der Welt. Das Handelsvolumen war nach Angaben der „Financial Times“ im Mai zehnmal so hoch wie an der New York Stock Exchange.

Es fehlte nicht an warnenden Stimmen. Anleihe-Guru Bill Gross etwa hat Bundesanleihen im April als „short of a lifetime“ bezeichnet, also als eine äußerst seltene Gelegenheit, relativ sicher auf Kursverluste zu setzen. Doug Kass von Seabreeze Partners schrieb im gleichen Monat: „Renditen von europäischen Staatsanleihen, die nahe Null oder sogar negativ sind, stellen die Blase aller Investmentblasen dar, welche selbst die Nasdaq-Blase von vor 16 Jahren bei Weitem übertrifft.“ Sehr niedrige Zinsen lassen sich fundamental rechtfertigen, wenn ein Wirtschaftseinbruch befürchtet wird. Doch den Tiefpunkt hatte die Eurozone 2013, seitdem gibt es eine langsame Erholung. Wie passt das zusammen?
























Insbesondere der Kursaufschwung in China stand im auffälligen Kontrast zur tatsächlichen wirtschaftlichen Entwicklung: Das Wachstum ließ deutlich nach und schlechte Kredite nahmen zu. In vielen Bereichen, wie zum Beispiel der Stahlindustrie wurden große Überkapazitäten sichtbar. Zudem macht sich die rücksichtslose Vernachlässigung der Umwelt in zunehmenden Verschmutzungsproblemen bemerkbar. Seit letztem Jahr ist relativ klar, dass ein schmerzhafter Anpassungsprozess bevorsteht, was normalerweise zu starken Kursverlusten hätte führen müssen. In China passierte genau das Gegenteil.
























Was ist nur los an den globalen Finanzmärkten? Regiert sieben Jahre nach der Finanzkrise wieder der „Wahnsinn der Massen“, schlimmer als je zuvor? Sind Anleger weltweit einem Anfall kollektiver Verblödung erlegen oder gab es andere Ursachen?

Tatsächlich waren gierige Anleger im gedankenlosen Kaufrausch nur in begrenztem Umfang in China auszumachen, aber nicht bei Euro-Renten. Stattdessen lassen sich zwei Hauptursachen für die beschriebenen Superblasen ausmachen:

Rationales Herdenverhalten: Es gibt starke institutionelle Anreize für professionelle Fondsmanager, sich prozyklisch und damit Blasen verstärkend zu verhalten. Diese hängen damit zusammen, dass 1) ihre Leistungen zumeist aufgrund von jüngst vergangener Performance bewertet werden; sowie 2) im Rahmen von regelgebunden Investmentmethodiken Kapitalanlagen zunehmend völlig unabhängig von Bewertungs- oder Timing-Überlegungen vorgenommen werden.

Staatseingriffe: Staatliche Institutionen begünstigen durch Eingriffe in den Kapitalmarkt Finanzmarktblasen. Diese hängen entweder damit zusammen, dass 1) der Staat als Monopolanbieter von Geld fungiert und in diesem Rahmen auch als Käufer von Wertpapieren auftritt; 2) der Staat als Verkäufer von Aktien und Renten die Absatzbedingungen am Kapitalmarkt manipuliert; 3) der Staat Rahmenbedingungen für institutionelle Anleger schafft, die diese dazu zwingen, für private Gelder bestimmte Wertpapiere zu kaufen; oder 4) der Staat durch unterschiedliche Steuern auf verschiedene Kapitalanlagen deren Attraktivität verändert.