Heikle Bewertungen Warum Risikokennzahlen mit Vorsicht zu genießen sind

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Ein anderes Problem führt Natalia Wolfstetter an: „Abweichungen nach oben und unten, das heißt Gewinn- und Verlustrisiken, werden gleichbehandelt.“ Das berücksichtige aber nicht, dass Anleger Verluste stärker empfinden als Gewinne. Stichwort: Risikoaversion.

Direkt dazu passt ein weiterer Umstand: „Ein Kritikpunkt ist die Annahme normal verteilter Renditen. Vor allem in äußerst turbulenten Marktphasen kann sie infrage gestellt werden“, sagt Martin Fechtner, der beim Berliner Branchendienstleister Scope die Fondsanalyse leitet. Damit meint er die unter Analysten noch immer verbreitete, aber völlig unrealistische Gaußsche Normalverteilung. Die geht davon aus, dass sich Gewinne und Verluste – egal, ob auf Tages-, Wochen- oder Monatsbasis – gleichmäßig verteilen.

Das ist aber nicht der Fall. Denn die Risikoaversion sorgt dafür, dass Anleger in Abwärtsbewegungen Angst bekommen. Die ist stärker als Mut oder Gier in Aufwärtsphasen – weshalb Crashs schneller und heftiger laufen als Aufwärtstrends. Wir haben das anhand von 25 Jahren Dax errechnet (Infokasten unten). Selbstverständlich liegt das Übergewicht auf Gewinnen, schließlich brachte der Index ja eine Rendite. Allerdings gibt es deutlich mehr Tage mit Verlusten von mehr als 4 Prozent als Tage mit Gewinnen über 4 Prozent. Auch mit bloßem Auge ist zu erkennen, dass die Renditen eben nicht gleichmäßig verteilt sind. Diese Asymmetrie nennt man auch Schiefe. Und das dicke Ende auf der Seite mit den Verlusten sorgt für das gefürchtete Fat-Tail-Risk.

Andere Kennzahlen sollen diesen Mangel der Volatilität ausbügeln. Eine von ihnen ist der weit verbreitete Maximalverlust (Englisch: Maximum Drawdown). Er zeigt in Prozent, wie viel ein Fonds oder Markt in einem bestimmten Zeitraum vom Höchst- bis zum Tiefststand verloren hat. „Ein Vorteil ist neben der einfachen Berechnung aus historischen Daten auch, dass keine Aussagen über die Verteilung der Renditen zu treffen sind“, erklärt Scope-Mann Fechtner. Nachteil sei aber der erwähnte eingeschränkte Zeitraum.

Allerdings muss man – wie schon bei der Vola – berücksichtigen, welche Daten zugrunde liegen. So ist es durchaus üblich, lediglich die Endstände aus den Kalendermonaten zu nutzen. Reißt ein Fonds also mitten im Monat nach oben oder unten kräftig aus, bleibt das außen vor. Eine auf diese Weise errechnete Kennzahl ist zwangsläufig etwas geglättet. Der Dax hatte seinen Höchststand vor der Finanzkrise am 16. Juli 2007 bei 8.105,7 Punkten, am Monatsende waren es nur noch 7.584 Punkte. Im Gegenzug hatte er sein Tief am 6. März 2009 bei dem schönen Stand von 3.666 erreicht. Was in keiner monatsbasierten Vola eine Rolle spielt.

Die Kennzahl für normale Zeiten

Als Gegenteil zum Maximalverlust könnte man den Value at Risk (VaR) bezeichnen. Denn er soll zeigen, wie viel eine Anlage unter normalen Bedingungen maximal verloren hat oder verlieren kann. Dabei spricht man vom sogenannten Konfidenzniveau, das üblicherweise bei 95 oder 99 Prozent liegt. Die Erkenntnis liest sich dann so: Eine Anlage verliert mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent an einem Tag maximal so und so viel Prozent. Für den Dax haben wir das im Infokasten einmal aus historischen Daten ermittelt.