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private banking magazin: Herr Amend, sind Privatbanken im Digitalmarketing so schlecht aufgestellt, wie es oftmals heißt?
Dominik Amend: Das kommt auf die Benchmark an. Wenn wir die E-Commerce- oder Software-Branche betrachten, dann ist im direkten Vergleich sicher noch Luft nach oben. Dort treffen wir auf ein Digitalmarketing-Set-Up, das seinesgleichen sucht. Verglichen mit der Bankenbranche sind die Unterschiede geringer. Zwar sind Retailbanken im Digitalmarketing oftmals noch besser, dafür gibt es aber auch gute Gründe.
Die wären?
Amend: Eine Retailbank hat es einfacher, weil sie mehr Daten hat. Ein Kollege aus dem Retail kann millionenfach mit dem Werbebudget in verschiedenen Zielgruppen aktiv werden und bekommt Ergebnisse zurück, mit denen er das Marketing verbessern kann. Das können wir im Private Banking und Wealth Management bei einer Zielgruppe von knapp einer Million Personen in Deutschland nicht. Wir können und wollen unsere Zielgruppen nicht mit ständig wechselnden Botschaften bespielen und auch an keinem Preiswettbewerb teilnehmen.
Was können Sie dennoch von einer Retail- oder Onlinebank lernen?
Amend: Unsere Arbeit bei Hauck Aufhäuser Lampe findet nicht auf der grünen Wiese statt. Wir haben einen gesetzten IT-Rahmen mit einem Kernbankensystem und müssen Prozesse schrittweise transformieren. Das hat große Auswirkungen auf das Marketing. Reine Digitalbanken etwa haben diese Historie nicht und können anders vorgehen. So verfügen sie über ein komplett durchlässiges Tracking: Sie geben beispielsweise einen Euro auf Linkedin aus und sehen direkt, was an „Return on Ad Spend“ – kurz: ROAS – zurückkommt.
Diese Kennzahl müssen Sie erklären.
Amend: Dieser Wert beziffert den tatsächlich erzielten Umsatz pro Werbeausgabe. Die Kennzahl ist wichtig, um die Marketingaktivitäten zu messen. Am Ende des Tages stecken die Online-Anbieter deutliche höhere Budgets in ihr Marketing, um Kundenakquise zu betreiben. Als Privatbank haben wir das Glück, dass wir einen Kundenstamm haben und diesen über Digitalmarketing ausweiten. Wir sind aber – anders als beispielsweise Fintechs – nicht darauf angewiesen.
Die Zielgruppe im Private Banking ist kleiner und erwartet tendenziell, exklusiver angesprochen zu werden. Wie gelingt dieser Spagat zwischen hoher Reichweite und passgenauer Ansprache?
Amend: Streuung zu hundert Prozent zu vermeiden, geht nur in der Theorie. In der Praxis geben das die Medien, die Cookies und auch das damit einhergehende Tracking nicht her. Will ich Streuung vermeiden, muss ich in der Private-Wealth-Branche Quellen und Medien hinzuzuziehen, die unsere Kunden gezielt ansprechen und damit die Streuung per se geringer halten. Bei der Kundenansprache sind deshalb beispielsweise Gründermagazine, aber auch Lifestyle-Medien wie Tennis-, Oldtimer-, Yacht- oder Golf-Publikationen interessant. Bei einer Anzeige oder einem Advertorial in einem Medium wie dem „Handelsblatt“ oder der „FAZ“ ist Streuung zwar nicht zu umgehen, es ist aber für die Bekanntheit und Markenbildung wichtig.
Welche Tools setzen Sie im Digitalmarketing ein?
Amend: Als Privatbank benutzen wir zur Kundenansprache und zur Messung im Wesentlichen dieselben Tools, wie es auch ein Retail-Kollege oder E-Commerce-Unternehmen tut. Zudem sind wir auf allen Plattformen präsent, auf denen sich unsere Zielgruppen bewegen. Das kann Google sein, das kann Meta mit Facebook und Instagram sein oder gar Linkedin. Besteht das Ziel darin, einen Kunden für unsere Vermögensverwaltung zu gewinnen, eines unserer höchsten Ziele, sprechen wir ihn mit einem sogenannten Lead-Magneten an. Wir stellen beispielsweise über Linkedin einen Ratgeber bereit: „Zehn typische Fehler bei der Geldanlage ab einer Million Euro“. Der Nutzer lädt diesen Ratgeber im Austausch gegen seine Kontaktdaten herunter. Bestätigt er noch optional, dass wir ihn kontaktieren dürfen, erfolgt je nach Kampagne eine Weiterleitung zum Kundenbetreuer, der den Kunden kontaktiert und fragt, ob es weiteren Beratungsbedarf gibt.
Also Digitalmarketing als Vertriebsunterstützung.
Amend: Exakt. Im Gegenteil zu anderen Branchen gehen wir dabei aber nicht aggressiv vor. Signalisiert uns ein Kunde, dass kein weiterführendes Interesse besteht, wird dieser Kontakt nicht weiterverfolgt. Priorität Nummer eins hat immer unsere Marke.
Welche Daten und Informationen bekommt der Kundenberater an die Hand?
Amend: Wir greifen als eine der ersten Privatbanken auf die Lösung von Salesforce zurück. Wenn ein Kontaktdatensatz generiert wird, erfolgt eine automatisierte Echtzeit-Anlage in unserem CRM. Der Kundenberater erhält eine Benachrichtigung – in unserem Beispiel, dass ein möglicher Neukunde einen Ratgeber über Linkedin heruntergeladen hat und welche Einwilligungen er gegeben hat. So stellen wir sicher, dass ihn der Berater anlassbezogen kontaktieren kann.
Viel weiß der Kundenbetreuer über einen möglichen Beratungsbedarf dennoch nicht…
Amend: Wichtig ist: Der Kontakt ist mit uns vernetzt. Selbst wenn zunächst kein konkreter Beratungsbedarf bestehen sollte, erfährt er von unseren Leistungen oder nimmt an Veranstaltungen teil, über die er durch unser Mailing erfährt. Wenn dann ein konkreter Beratungsanlass entsteht – die Veräußerung von Firmenanteilen, eine Nachfolge oder ein Erbfall – hat er uns längst als kompetenten Ansprechpartner identifiziert. Im Digitalmarketing gibt es den Begriff Attribution. Attribution zeigt, welche Berührungspunkte in welcher Reihenfolge einen Kontakt beeinflussen, bis er Kunde wird. Wurde er über eine LinkedIn-Kampagne angesprochen? Hat er vorher schon unsere Website besucht? Dieser Prozess dauert im Private Banking naturgemäß viel länger als bei einem Online-Händler, denn unser Geschäft basiert auf einem tiefgreifenden Vertrauen. Die Messung des „Return on Ad Spend“ wird dadurch natürlich komplizierter, aber dessen sind wir uns bewusst.
Was macht generell eine gute Website einer Privatbank aus? Für viele Kunden dürfte es das Einfallstor sein.
Amend: Die Website ist die digitale Visitenkarte einer Bank. Leider hat sich in der Private-Banking-Branche durchgesetzt, möglichst alles auf der Website zu zeigen, was man an Dienstleistung anbietet. Häufig gilt aber: Weniger ist mehr. Ein potenzieller Kunde muss mit wenigen Klicks zu seinem Ziel kommen, und man darf ihn auf diesem Weg nicht mit Inhalten überladen. Daran arbeiten wir permanent.
Marketing findet bei Privatbanken auch offline statt. Wie lässt sie der Erfolg von Charity-Events und Golfturnieren messen?
Amend: Events sind einer der wichtigsten Kontaktpunkte zu unseren Kunden und zählen fest zu unserem Selbstverständnis als Teil der Gesellschaft. Wesentlich sind für uns als Privatbank also der Netzwerk-Gedanke und die Stärke unserer Marke. Weiterführend lässt sich der Erfolg aber messen, indem überprüft wird, ob ein Kundenbetreuer einen neuen Kontakt geknüpft hat. Sind neue Gespräche entstanden? Wurde sogar ein neuer Kunde gewonnen?
Datensicherheit und Datenschutz spielen eine immer größere Rolle? Schränkt das ihre Arbeit ein?
Amend: Wir als Bank verstehen uns als Hüter sehr sensibler Daten. Gleichzeitig sind Daten für das Digitalmarketing unerlässlich, Beispiel Cookies. Doch spätestens seit dem IOS-Update von Apple ist klar, dass Cookies immer mehr an Raum verlieren. Je weniger Cookies es gibt, desto schwieriger wird die Arbeit mit Daten. Zielgruppensegmente bilden, Tracken, einen Kundendatensatz einer Marketingaktion zuordnen – all das wird schwerer, ohne Frage. Trotzdem müssen wir als Privatbank ein Vorreiter beim Thema Datenschutz sein und als Erste wissen, wie wir ohne Cookies klarkommen. Ein Graubereich schließt sich dabei von selbst aus. Denn das Wichtigste ist für uns das Vertrauen der Kunden.
Die Wechselbereitschaft unter Wealth-Management-Kunden befindet sich laut einer aktuellen EY-Studie auf einem Rekordhoch. Inwiefern kümmern Sie sich im Marketing auch um Bestandskunden?
Amend: Kunden zu halten, ist immer unser oberstes Ziel. Das machen wir mit einem regionalen und überregionalen Netzwerk, mit Austauschformaten mit den Niederlassungen und verschiedenen Veranstaltungen. Wir wollen im Gespräch bleiben und einen Mehrwert für die Kunden schaffen, damit sie sich untereinander vernetzen. Die langfristige Betreuung zählt zu den Kernwerten im Wealth Management und besitzt natürlich auch eine ökonomische Dimension.
Wächst die Bedeutung von Digitalmarketing bei Privatbanken?
Amend: Digitalmarketing wird eine immer wichtigere Rolle bei Privatbanken einnehmen, als es in der Vergangenheit der Fall war. Wesentlicher Grund dafür ist die bessere Messbarkeit – die Grundlage dafür, Maßnahmen weiter zu verfeinern und auf einzelne Kundengruppen hin zuzuschneiden. Ich glaube, viele Wettbewerber unterschätzen noch das Potenzial. Und ich glaube auch, dass Privatbanken nur erfolgreich sein können, wenn sie sich auf zwei Kanäle beschränken. Ein wichtiger Aspekt ist in diesem Zusammenhang auch Suchmaschinenoptimierung. Das ist ein umkämpftes Feld, in dem sich auch andere Wettbewerber bewegen, die nicht aus dem Privatbankensektor stammen. Aber wir sehen dort noch enorme Chancen.
Über den Interviewten:
Dominik Amend ist seit 2023 Leiter Marketing und Kommunikation der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Er war zuvor in verschiedenen Führungspositionen im Marketing der MLP Gruppe tätig. Als Gründer einer inzwischen veräußerten Digitalmarketing-Agentur für Banken, Versicherer und Finanzdienstleister engagierte sich Dominik Amend auch unternehmerisch.