Harald Preißler über die Börsenstimmung „Kein Grund für Depressionen“

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Schwierige Situation bei Anleihen

Bei den Anleihen ist die Situation weitaus schwieriger. Wegen der ultra-expansiven Politik der Europäischen Zentralbank sind die Renditen für deutsche Bundesanleihen extrem nach unten verzerrt und damit weit von ihren Zielrenditen entfernt. Angemessen wären derzeit 2,5 bis 3,0 Prozent für 10-jährige Bundesanleihen. Bis zum Jahresende dürften deren Renditen bis auf 0 Prozent, vielleicht sogar ins negative Terrain fallen.

Schweizer Anleihen der gleichen Laufzeit dürften Ende 2016 bei minus 0,30 Prozent liegen. Steigen sollten hingegen die Renditen von US-Staatsanleihen: Bis zum Sommer ist wegen der zyklischen Belebung der US-Wirtschaft und moderat anziehender Inflation ein Anstieg Richtung 2,50 Prozent wahrscheinlich.

Eine attraktive Alternative zu klassischen Euro-Nominalanleihen bleiben inflationsindexierte Anleihen. Zum einen resultiert aus dem Ölpreisverfall der vergangenen zwölf Monate ein negativer statistischer Basiseffekt, der die Inflationsraten nach oben treiben sollte.

Zum anderen haben sich die eingepreisten Inflationserwartungen zu einer Art Fetisch der Geldpolitik entwickelt, was großes Kurspotential bei inflationsindexierten Anleihen bedeutet. Auch gedeckte Schuldverschreibungen sind zurzeit attraktiv bewertet. Bei mittleren Laufzeiten beträgt der Aufschlag gegenüber Bundesanleihen rund 30 Basispunkte, bei langen Laufzeiten rund 35 Basispunkte. In den kommenden Monaten sollten die Risikoprämien stabil bleiben oder etwas sinken.

Das hässliche Entlein am Euro-Anleihenmarkt sind seit geraumer Zeit Unternehmensanleihen, weil sie nicht auf der Einkaufsliste der Europäischen Zentralbank stehen und die globale Konjunktur trübe erscheint.

Hinzu kommt die Furcht vor einem kräftigen Anstieg der Zahlungsausfälle bei US-Unternehmensanleihen aus dem Rohstoffsektor, die auf Euro-Unternehmensanleihen abstrahlte. Dennoch sind Unternehmensanleihen nach wie vor attraktiv bewertet.

Zudem könnte die Europäische Zentralbank ihre Anleihenkäufe über kurz oder lang auch auf Euro-Unternehmensanleihen ausdehnen, was den Sektor zusätzlich stützen würde. Im zweiten Halbjahr jedoch steht Unternehmensanleihen die nächste Spread-Ausweitungswelle bevor, die bis an die Höchststände vom Anfang dieses Jahres heranreichen dürfte.

Ebenfalls unter Druck standen zuletzt die Rohstoffmärkte, die 2015 ihr fünftes negatives Jahr in Folge abgeschlossen haben, was aber hauptsächlich dem freien Fall der Rohölpreise geschuldet ist. Beim Ölpreis ist abzusehen, dass die übergeordnete Abwärtsbewegung noch nicht vorüber ist.

Die Preise dürften wohl erst dann nachhaltig steigen, wenn sich das Feld der neuen Anbieter lichtet und sich die Fördermengen in Richtung des Verbrauchsniveaus zurückbilden. Einzelne Hinweise dafür gibt es bereits.