Grundsätzlich geringes Margenpotenzial Die Decodierung von Delivery Hero

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Wenn die Investmentthese von Delivery Hero in einigen Jahren doch aufgehen und das Verhältnis von Grenzkosten und Dichtevorteilen konzernweit vorteilhafter werden sollte, droht zudem bei der dann größeren Marktmacht erfahrungsgemäß staatliche Preis- und Verhaltensregulierung. Beispiele für schmerzhafte regulatorische Eingriffe in das Lieferdienstgeschäft finden sich bereits insbesondere in Kalifornien und Deutschland. Die politische Debatte um Akkordlöhne und dem daraus resultierend geringen Verdienst der Kuriere bei deren suboptimaler Auslastung wird schon seit Jahren intensiv geführt.

Letztlich verdient in der Branche anscheinend niemand, nicht die Restaurants, nicht die Kuriere, nicht die Plattformen. So sind Frust und weitreichende, langfristige Probleme programmiert. Nicht zuletzt verspricht Delivery Hero bereits seit dem Börsengang 2017 Gewinne für das nächste Jahr. Aktuell sind die firmeneigenen zeitlichen Prognosen gänzlich eingestellt. Dabei sind gut planbare Free-Cash-Flows ganz wesentlich für den langfristigen Unternehmenserfolg.

Beständiges Geldverbrennen

Gekünstelte Kennzahlen wie das adjustierte Ebitda oder auch das rein buchhalterische Nachsteuerergebnis, auf welche der Einfachheit halber und oftmals zur Beschönigung bevorzugt zurückgegriffen wird, bringen dem unternehmerisch denkenden Investor keinerlei Erkenntnisse. Sie vermitteln keine Informationen über den tatsächlichen unternehmerischen Gewinn, den freien Barmittelzufluss (Free-Cash-Flow, vergleichbar zu Buffetts „Owner Earnings“).

Im Jahr 2019 hat Delivery Hero gut doppelt so viel Cash verbrannt wie im Jahr zuvor. Der freie Barmittelzufluss (Free-Cash-Flow) betrug negative 489 Millionen Euro, also minus 37 Prozent des Umsatzes. Im ersten Halbjahr 2020 lag das Minus bei 310 Millionen Euro, zuzüglich Cash-Outflow durch Leasing-Rückzahlungen in nicht kommunizierter Höhe (Geschäftsjahr 2019: 32 Millionen Euro).

Auch der niederländische Konkurrent Just Eat Takeaway hat 2019, anders als medial oft berichtet, einen negativen Free-Cash-Flow in Höhe von minus 80,4 Millionen Euro oder minus 19 Prozent vom Umsatz erwirtschaftet. Im ersten Halbjahr 2020 erreichte man einen leicht positiven Free-Cash-Flow dank Optimierung des Working Capital durch Aufbau höherer kurzfristiger Verbindlichkeiten.

Bei der Net-Cash-Position von Delivery Hero Ende 2019 in Höhe von lediglich 200 Millionen Euro wäre die nächste Kapitalerhöhung auch ohne die geplante Akquisition des koreanischen Wettbewerbers Woowa spätestens 2021 nötig geworden. Allein dieses Jahr musste in zwei Runden bereits 2,3 Milliarden Euro im Januar und nochmals 1,5 Milliarden Euro im Juli an Cash über eine Kapitalerhöhung und Wandelanleihen in die Bilanz injiziert werden.

Blick nach vorn ohne Verbesserung

Die Geschäftspläne sehen auch für die kommenden Jahre weiterhin massiv defizitäres operatives Geschäft vor. Hinzu kommt nun der Ausbau der D-Mart-Warenhäuser, mit dem Delivery Hero in eines der Geschäftsmodelle mit der geringsten Kapitalverzinsung überhaupt expandiert, welches noch mehr Kapital binden und auf absehbare Zeit hohe Investitionen fordern wird. Und das in einer Zeit, in der der Kapitalbedarf der Firma für Investitionen ins defizitäre Kerngeschäft sowie eine weiterhin hohe Übernahmefrequenz ohnehin bereits erdrückend ist. Das Kerngeschäft kann sich aktuell bei Weitem nicht selbst finanzieren, geschweige denn den Ausbau der D-Marts querfinanzieren. Delivery Hero plant auch weiterhin nicht erwirtschaftetes Geld spekulativ zu investieren.

Nach eigener Aussage ist das höchste Wachstum innerhalb der Branche aber entscheidend für den langfristigen Erfolg, sodass langsameres Wachstum zu Gunsten leichter Profitabilität zur (zumindest teilweisen) Selbstfinanzierung nicht in Kauf genommen werden kann. Beweis hierfür liefert die jüngste Akquisition des (defizitären) arabischen Online-Lebensmittelhändlers „InstaShop“ – für sehr hohe 300 Millionen Euro bei 250 Millionen Euro Umsatz.