Gründe gegen die Erbschaftssteuer „Die Erbschaftssteuer ist eine schlampig erhobene Steuer“

Richard Lechner ist Steuerberater, Aufsichtsratsvorsitzender einer AG, Autor und Redner

Richard Lechner ist Steuerberater, Aufsichtsratsvorsitzender einer AG, Autor und Redner

Die Erbschaftssteuer steht immer wieder im Mittelpunkt politischer Diskussionen. Sie sei wirtschaftsfeindlich: Stirbt ein Firmeninhaber und geht das Unternehmen auf den Erben über, würde die ökonomische Substanz geschwächt. Von den Gegnern der Erbschaftssteuer wird auch ins Feld geführt, dass diese eine Bagatellsteuer wäre – der hierfür erforderliche Verwaltungsaufwand stünde in keinem Verhältnis zum Ertrag.

Natürlich haben auch die Befürworter ihre Argumente: Eine Erbschaft sei Einkommen und gehöre gerade deswegen versteuert. Aus der sozialen Fundierung unserer Marktwirtschaft ließe sich auch eine Begründung ableiten: In Deutschland werden Vermögende stärker zur Kasse gebeten, als weniger Wohlhabende. Ein Prinzip, das sich gerade bei großen Vermögensbewegungen wie der Erbschaftssteuer, lohnen würde, es fortzusetzen.

Ein Grundstück im Wald ist nicht leicht zu finden

Die Problematik der Erbschaftssteuer liegt aber komplett anders begründet und die Diskussion um diese müsste bereits bei der Erhebung ansetzen. In meiner Praxis als Steuerberater erlebe ich es immer wieder, dass die Erbschaftssteuer die – man muss es so formulieren – am schlampigsten erhobene Steuer ist und auch die Steuer, bei der es gute Möglichkeiten gibt, sie zu optimieren. Und wenn ich sage: optimieren, meine ich eigentlich: hinterziehen.

Ich war während meiner Zeit bei einer großen Steuerberatungsgesellschaft in Deutschland mit der Erbschaftsverwaltung eines Mandanten betraut. Der Brauereieigner besaß neben der Brauerei, einigen Immobilien und Fahrzeugen auch etliche Waldgrundstücke in der Gegend um München und Nürnberg. Um die Erbschaftssteuererklärung korrekt abgeben zu können, besorgte ich mir die Grundbuchauszüge und machte mich daran, die Waldgrundstücke aufzusuchen, um diese in Augenschein zu nehmen.

Ein Grundstück im Wald ist nicht leicht zu finden. Anhand des Geländes und anderer Markierungen kann man zwar erkennen, wo in etwa das Grundstück ist, aber präzise lässt sich das nicht feststellen. Ich irrte also eine Stunde durch den Wald, um das Grundstück zu finden. Inmitten von Vogelgezwitscher und Harzgeruch wurde mir die Naivität meines Planes bewusst. Um alle Grundstücke aufzusuchen würde ich einige Monate nur mit Suchen beschäftigt sein.

Doch das Auffinden der Grundstücke ist nicht das alleinige Problem: Die Bewertung von Waldgrundstücken ist alles andere als einfach. Die anzusetzenden Werte für den Quadratmeter reichen von 0,50 bis 50,- Euro – je nach Lage, Bepflanzung oder etwa Zugänglichkeit.

Nach einiger Recherche setzte ich einen Wert von 2,50 Euro an. Dieser war nach der Faktenlage der plausibelste. Um sicherzugehen, setzte ich auch meine Vorgesetzten davon in Kenntnis, auch ein Kollege, der öfters mit solchen Fällen zu tun hatte, gab sein Okay. Also gab ich die Erbschaftssteuererklärung beim Finanzamt ab. Der Witwe teilte ich mit, dass eine höhere Bewertung durch das Finanzamt möglich wäre und eine entsprechende Nachzahlung auf sie zukommen könnte. Einige Monate später bekam ich Brief vom zuständigen Finanzamt. Die von mir abgegebene Erklärung war akzeptiert worden.

Das öffnet Tür und Tor für findige Steueroptimierer

Etliche Jahre später traf ich wieder auf die Erbin und erkundigte mich neugierdehalber nach den Waldgrundstücken. Sie hatte ein forstwirtschaftliches Gutachten erstellen lassen und mit der Nutzung begonnen. Das, was sie an Wert bisher aus den Waldgrundstücken ziehen konnte, überstieg bei weitem den Wert, den ich in der Steuererklärung angegeben hatte. Das Finanzamt hatte es sich leicht machen wollen und dadurch auf viel Geld – zum Vorteil meiner Mandantin – verzichtet.

Ein weiteres Problem bei der Erbschaftssteuer ist aber auch die durch den Gesetzgeber gewährte Pauschalierung: Hausrat kann mit pauschal 12.000,- Euro in der Erbschaftssteuererklärung angegeben werden. Das öffnet Tür und Tor für findige Steueroptimierer. Eine beliebte Methode ist es deshalb, den Wert des Hausrats nach oben zu treiben. Kunstgegenstände aus dem Bereich der Kunst- und Wunderkammern des Barock oder der Spätrenaissance sind ideale Anlageobjekte: Wieviel ein höfisches Vanitas-Renaissance-Kabinett wirklich wert ist, wissen nur Insider, aber mit einem fünfstelligen Betrag ist zu rechnen. Im Keller versteckt mit einer Wolldecke drüber geht es als alter Bauernschrank von der Großmutter durch. Tritt der Erbfall ein, wird das Kabinett einige Jahre später „entdeckt“ und „unerklärlicherweise“ mit einem deutlichen Gewinn verkauft. Der Wertgegenstand fällt in keinster Weise auf, da er durch die pauschalierte Angabe des Hausrats in der Erbschaftssteuererklärung vor den Augen des Finanzamtes verschwindet.

Durch eine Kontrolle der Erbmasse ließe sich dies natürlich beheben. Finanzbeamten müssten ausschwärmen, Trauernde aufsuchen und Tische, Stühle, Bilder zählen. Eine Utopie, da die Personalstände der Finanzämter ein derartiges Vorgehen nicht zulassen. Eine Abschaffung der Erbschaftssteuer wäre aus zwei Gründen in meinen Augen sinnvoll: Auf der einen Seite entgeht dem Staat viel Geld, wenn er nicht für die korrekte Durchsetzung seines durch Gesetz legitimierten Anspruches sorgt. Bei einer Bagatellsteuer wie der Erbschaftssteuer ist aber fraglich, wie effizient dies ist. Auch ist eine Feststellung der Besteuerungsgrundlage alles andere als einfach, wie sich aus den oben angeführten Fällen erkennen lässt.

Auf der anderen Seite würden durch eine Abschaffung der Erbschaftssteuer auch Kapazitäten in den Finanzämtern frei, die anderweitig eingesetzt werden können. Finanzbeamten holen für den Staat durch die von ihnen durchgeführten Betriebsprüfungen ein Vielfaches dessen herein, was sie kosten. Die Ausfälle durch die Erbschaftssteuer ließen sich auf diese Weise wahrscheinlich leicht auffangen.     

Dieser Artikel ist der erste Teil einer dreiteiligen Serie.

Über den Autor
Richard Lechner ist seit über 25 Jahren im Bereich des Steuerrechts tätig. Er arbeitete mehrere Jahre als Leiter der Steuerabteilung für eine der größten international tätigen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften in Deutschland und gründete 2002 seine eigene Steuerberatungsgesellschaft. Seine Erfahrungen als Steuerberater, Aufsichtsratsvorsitzender einer Aktiengesellschaft und Business-Experte gibt er als Redner und Berater an Unternehmer und Entscheider weiter. Am 18.09.2014 erscheint sein Buch „Schwarzgeld, Nummernkonten und andere Steuerlügen. Was hinter den Türen einer Steuerkanzlei wirklich passiert“ im Verlag Orell Füssli.

www.steuerberater-lechner.de

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