Governance-Element für Familienunternehmen Im gemeinsamen Erarbeiten liegt der Zweck der Familienverfassung

Christian Bochmann ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Flick Gocke Schaumburg in Hamburg.

Christian Bochmann ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Flick Gocke Schaumburg in Hamburg. Foto: Flick Gocke Schaumburg

In einer Familienverfassung definieren Unternehmerfamilien ihre Rolle gegenüber ihrem Familienunternehmen. Zudem stellen sie darin Regeln zum Umgang mit unternehmensbezogenen Angelegenheiten innerhalb der Familie auf. Mitunter bezeichnet man die Familienverfassung auch als Familiencharta oder Familienstatut. Häufig finden sich in Familienverfassungen zunächst Aussagen zum Selbstverständnis der Familie gerade als Unternehmerfamilie, zur Zugehörigkeit zu eben dieser und zum Umgang miteinander – nicht zuletzt beim Auftreten von Konflikten. Auch die Bekräftigung des Willens, das Unternehmen in Familienhand fortzuführen, und Bekenntnisse zum Standort sowie zu kaufmännischen, sozialen und ökologischen Werten sind verbreitet.

Jenseits derartiger allgemeiner Zielbeschreibungen können Familienverfassungen aber auch sehr konkrete Aspekte im Familienunternehmen sowie an der Schnittstelle von Unternehmen und Familie aufgreifen. So finden sich häufig Aussagen zur Rolle der Familienmitglieder im Unternehmen, insbesondere zur Berechtigung, Unternehmensanteile, Geschäftsführungs- oder Aufsichts-/Beiratspositionen zu übernehmen.

Ebenfalls befinden sich die dafür geltenden Voraussetzungen und Qualifikationen in der Familienverfassung. Auch wird im Statut vielfach klargestellt, ob Familienmitglieder überhaupt das Unternehmen führen sollen. Oder ob sich ein Fremdmanager es vielleicht besser eignet und die Familie ihren Einfluss über Aufsichtsorgane wie einen Beirat oder Aufsichtsrat ausübt. Zur strategischen oder gar operativen Ausrichtung trifft man  in Familienverfassungen, wenn überhaupt, eher allgemeine Aussagen, während Zielwerte zur Kapitalbasis und Ausschüttungspolitik durchaus üblich sind.

Im Kern ist all dies nichts Neues, da seit jeher das Zusammenspiel von Unternehmen und Familie die Familienunternehmen prägt. Seit jeher ist damit auch eine gewisse Übereinkunft innerhalb der Unternehmerfamilie erforderlich, wie ihr Unternehmen geführt, entwickelt, strukturiert oder finanziert werden soll. In der Vergangenheit bildete sich dieser Konsens jedoch eher stillschweigend und durch die tatsächliche Handhabung der Dinge heraus. Familienverfassungen hingegen entstehen in einem gezielt eingeleiteten Prozess, in dem die Unternehmerfamilie ihre Maximen und Ziele im Hinblick auf ihr Familienunternehmen bewusst herausarbeitet.

Die Resultate dieses Erarbeitungsprozesses werden sodann schriftlich festgehalten. Eine solchermaßen fixierte Familienverfassung enthält jedoch typischerweise zwei entscheidende Vorbehalte: Zum einen erhält sie eine gewisse Vorläufigkeit, indem die Unternehmerfamilie sich auf die Fahnen schreibt, die Familienverfassung regelmäßig zu überprüfen – Der Prozess der gemeinsamen Erarbeitung verstetigt sich auf diese Weise zur Daueraufgabe. Zum anderen wird die Rechtsverbindlichkeit der Familienverfassung fast immer ausdrücklich ausgeschlossen. Ihre Bindungskraft soll sie nach Vorstellung der Beteiligten vielmehr allein aus der gemeinsamen Überzeugung von der Richtigkeit ihrer Bestimmungen beziehen. Diese sollten die Parteien regelmäßig überprüfen und gegebenenfalls aktualisieren.

Dies führt zu zwei Fragen, die im Zusammenhang mit Familienverfassungen immer wieder gestellt werden: Braucht man so etwas überhaupt? Und welche Risiken sind zu bedenken?