Golfstaaten „Neue Steuern sind eine gute Sache“

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Vitt: Das ist mit ein Grund, weshalb wir uns einen Kooperationspartner gesucht haben. Wir können von Deutschland aus nicht die Details in Erfahrung bringen, die für das Fondsmanagement wichtig sind.

In den Ölförderländern sind die Staatshaushalte unter Druck geraten. Sie müssen die Steuern erhöhen, was Konsum und Unternehmen schädigen wird.

Alghussein: Einführen ist das bessere Wort. Die meisten Steuern existieren gar nicht.

Mein Fehler.

Vitt: Es ist ein gesunder Prozess, den viele Analysten auch so fordern. Denn damit gleichen sich die Bedingungen der Unternehmen weltweit wieder ein bisschen an. Das ist mit ein Grund, weshalb die Unternehmen nun auch verstärkt international Geldgeber ansprechen. Einige von ihnen haben uns beauftragt, nach Investoren zu suchen. Das haben sie früher nicht gemacht. Und so stellt sich die gesamte Region neu auf.

Alghussein: Jedes Land hat seine eigenen Probleme zu lösen. So ist unser Land Katar zwar sehr reich, hat aber nur eine kleine Bevölkerung. Wobei fast alle Länder ihre Ausgaben kürzen müssen. Sie haben allerdings in den vergangenen 10 bis 15 Jahren in Infrastruktur investiert und Kraftwerke, Häfen und Flughäfen gebaut. Das sind alles Ausgaben, die sie nicht wiederholen müssen, weil die Bauprojekte abgeschlossen sind. Dubai braucht nicht noch einen Flughafen.

Weil sie ihre Flughäfen immerhin zu Ende bauen.

Alghussein: (Lacht) Aber mal im Ernst. Mit dem niedrigen Ölpreis müssen sich die Staaten natürlich Gedanken über andere Einnahmequellen machen. Es wird schon über eine Mehrwertsteuer nachgedacht. Allerdings wird die nicht für lebenswichtige Güter wie Nahrungsmittel oder pharmazeutische Produkte gelten.

Sheikha Hanadi: Ich glaube, dass neue Steuern eine gute Sache sind. Sie führen dazu, dass die Bürger verantwortungsvoller werden als früher mit den vielen Staatsgeschenken.

Wie hoch wird denn der Steuersatz?

Alghussein: 5 Prozent.

Wir haben 19 Prozent.

Alghussein: Ja, wir starten von einer sehr niedrigen Basis. Andere Länder werden wohl erstmalig eine Unternehmensteuer einführen. Noch andere werden sie von 12 auf 15 Prozent erhöhen. Das alles wird die Unternehmensgewinne drücken, wir beobachten das sehr genau und sorgfältig. In ein paar Tagen beginnt die Berichtssaison. Dann werden wir mehr erfahren und sehen, wie wir uns neu ausrichten.

Sheikha Hanadi: Die Länder haben drei Dekaden lang Infrastruktur aufgebaut. Wir reden also nicht über Länder, die ihr Geld verprasst haben. Und es ist auch allen klar, dass sich die Wirtschaften von der petrochemischen Industrie lösen müssen. Daher verstehen sie den gesunkenen Ölpreis als willkommenes Signal. Sie können sich nun wie entwickelte Volkswirtschaften verhalten, die nicht mehr nur an einer einzigen Einkommensquelle hängen. Und das werden Sie in allen Bereichen erleben.

Gibt es denn neue Schwerpunkte?

Alghussein: Es gibt drei oder vier stark wachsende Branchen in der Region. Luftfahrt und Tourismus sind zwei davon. Dabei geht es nicht nur ums Durchleiten von Touristen von West nach Ost oder Nord nach Süd. Auch die Golfländer untereinander entwickeln ihren Tourismus stark weiter. Was natürlich auch an den bestens ausgebauten Flughäfen liegt. Ein anderes Beispiel ist Aramco. Das ist inzwischen ein hochkomplexes Unternehmen, das Öl fördert und komplett über die Wertschöpfungskette bis hin zum Plastik Ihres Mobiltelefons verarbeitet.

Sheikha Hanadi: In dieser Hinsicht hat die Petro-Industrie die Richtung für andere Branchen vorgegeben, sich besser aufzustellen. Auch die Banken entwickeln sich und legen dabei eine enorme Disziplin an den Tag. Wir sehen nun, wie eine neue, gut ausgebildete Generation die Wirtschaft übernimmt und voranbringt.

Alghussein: Das durchschnittliche Alter der Bevölkerung in der GCC-Region liegt unter 33 Jahren. Die Verschuldung der privaten Haushalte liegt bei fast null, das Hypothekengeschäft ist im Vergleich zu den entwickelten Ländern ebenso wie zu den Schwellenländern noch sehr begrenzt und dürfte in den kommenden Jahren der wichtigste Treiber für die Erträge der Banken werden. Es ist eine junge Bevölkerung, die einen Job möchte, ein Haus, ein Auto und eine Waschmaschine kaufen will und die heiraten will.

Sheikha Hanadi: Wir als Golfländer kennen unsere Aufgaben. Wir haben aber auch die besten Voraussetzungen, sie zu lösen. Wie Sie schon sagten, schaut derzeit kaum jemand auf die Golfregion als Wirtschaftsblock. Das wird sich aber schon in den nächsten fünf Jahren ändern. Definitiv.

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