Der Goldkurs kletterte in den vergangenen Monaten von einem Höchststand zum nächsten, lag jüngst erstmals bei über 3.500 US-Dollar. Werden andere Edel- und Industriemetalle folgen? Ja, sagt der Marktexperte Cornel Bruhin, Portfoliomanager im Team Emerging Markets/Corporate Debt bei Mainfirst. Insbesondere Silber biete Potenzial. Dafür hat er sieben Gründe ausgemacht:
- Jeder Goldboom löst einen Preisanstieg im gesamten Rohstoffuniversum aus: „Die Welt befindet sich inmitten der vierten signifikanten Goldrallye in den vergangenen 100 Jahren. Jede bisherige Goldhausse zog einen Preisanstieg im gesamten Rohstoffuniversum nach sich, während der generelle Aktienmarkt im Zeitraum des Goldpreisanstiegs 50 Prozent oder mehr verloren hat. Beispielsweise fiel in den USA der Markt von den Höchstständen 1972 bis 1974 um fast 50 Prozent, im selben Zeitraum stieg der Goldpreis von 35 auf 185 US-Dollar. Bis 1980 kletterte der Goldpreis weiter – auf 850 US-Dollar, begleitet von einem Anstieg aller Rohstoffe: Der Bloomberg Commodity Index stieg von 1970 bis 1980 von 16 auf 160 an.“
- Aktuell beginnt eine Rotation im Investorenverhalten: „Jede der bisherigen Goldpreis-Rallyes wurde ausgelöst durch eine Rotation der Anlagepräferenzen. In den vergangenen Jahren waren die Tech-Werte dominant und haben eine Hausse erlebt. Aber die Beliebtheit der Werte nahm zuletzt stark ab und der Markt hat deutlich verloren. Zunächst hatte sich die Marktbreite im Techsektor verringert und einige Zeit hat nur noch die relative Stärke der ‚Magnificent 7‘ den Markt gehalten. Dies scheint vorerst vorüber zu sein.“
Goldrallye dauert im Schnitt 8 Jahre, Silber ist Spätzünder
- Die Goldrallye ist noch nicht am Ende: „Historisch betrachtet hat eine Goldrallye im Durchschnitt acht Jahre gedauert. Definieren wir den Start des aktuellen Goldbooms rekapitulierend im März 2020, bedeutet das, dass sich die Marktrallye noch in der Frühphase befindet. Ein Indiz dafür ist, dass verschiedene Rohstoffe noch nicht stark partizipiert haben. Anhand der Geschichte ist zu erwarten, dass sich das noch ändert. Aktuell hat der Silberpreis noch nicht einmal das Niveau von 1980 erreicht.“
- Der Silberkurs ist ein Spätzünder: „Es ist wichtig zu wissen, dass bei jeder Goldhausse das Verhältnis von Gold zu Silber beim Höchststand zwischen 15 und 45 lag. Teilt man den Goldpreis durch den Silberpreis, handelt der Markt derzeit bei 89. Dieses Verhältnis zeigt, dass wir uns nicht einmal annähernd in der Nähe eines Höchstpunktes befinden können. Historisch ist Silber ein Spätzünder und steigt zum Ende des Zyklus stärker als Gold.“
- Silber wird absehbar knapper: „Zwar enthält die Erdkruste achtmal mehr Silber als Gold, dennoch reicht die Silberproduktion nicht aus, um den Bedarf von Industrie und Anlegern zu decken. Rund ein Viertel des Silbers wird aktuell in Solarpaneele verbaut. Die Nachfrage steigt, denn Silber kommt in immer mehr Produktionen zum Einsatz: So stellte Samsung im vergangenen Jahr eine neue Batterie auf Silberbasis vorgestellt.“
Institutionelle Investoren haben bislang wenig Silber im Porfolio
- Es gibt erste Anzeichen für einen möglichen Short Squeeze: „Russland hat Silber, Palladium und Platin zu seinen Reservetools hinzugefügt. Indien und China steigern die Importe. In Shanghai ist eine Rohstoffbörse entstanden, vergleichbar zur New York Commodities Exchange (COMEX) oder der Londoner Metal Exchange (LME). Dort handelt der Silberpreis permanent mit einer Prämie von drei bis fünf Prozent über den anderen Börsen. Das führt dazu, dass vermehrt Silber nach China gelangt, während sich im Westen der Markt verengt. An der Comex und der LME haben die Lagerbestände kritische Tiefpunkte erreicht. Die Marktteilnehmer verlangen vermehrt nach physischer Lieferung. Das könnte mittelfristig einen Short Squeeze auslösen.“
- Institutionelle Investments werden die Kurse pushen: „Institutionelle Anleger sind noch nicht stark in Silber investiert. Das größte Silberanlagetool, der iShares Silver Trust, hat seit Jahresbeginn Abflüsse zu verzeichnen, während der Silberpreis in diesem Zeitraum von 29 auf knapp 33 US-Dollar angestiegen ist. Genau hier verläuft eine charttechnisch wichtige Linie. Sollte diese durchbrochen werden, könnte sich die Anstiegsgeschwindigkeit des Silberpreises beschleunigen. Da der Markt für Silber im Vergleich zu Gold relativ klein ist, können bereits geringe Nachfragesteigerung zu starken Kursausschlägen zu führen.“
Die Marktturbulenzen der vergangenen Wochen und die chaotischen Ankündigungen von Schutzzöllen seitens der US-Regierung ließen Investoren laut Bruhin nach sicheren Häfen suchen: „Normalerweise sind dies die Anleihenmärkte und Bargeld. Die US-Anleihenrenditen stiegen jedoch untypisch an und der US-Dollar verlor stark an Wert in den letzten Wochen. Da verbleiben nicht mehr viele Zufluchtsorte.“
Gold machte seiner Reputation in dieser Zeit laut Bruhin alle Ehre und stieg auf bis zu 3.500 US-Dollar. Der Silberpreis konnte dagegen nicht mithalten und das Gold/Silber-Verhältnis stieg auf bis zu 105: „ Ein Verhältnis von über 100 haben wir erst einmal in der Geschichte gesehen: in den Covid-Tagen im März 2020. Damals stieg das Verhältnis kurzfristig auf 125, von wo aus es bis Februar 2022 auf 70 fiel. Am 25.4.2025 handelt das Verhältnis bereits wieder bei 99.“
In einem Rohstoffbullenmarkt performen nicht alle Rohstoffe gleichzeitig, sondern es ist laut Bruhin ein steter Wechsel: „Der Goldpreis ist normalerweise der erste, der sich im Zyklus bewegt. In einer späteren Phase des Rohstoffzyklus outperformt Silber dann immer Gold.“
Bruhin geht davon aus, dass der Silberpreis der nächste Performer sein könnte und sollte, „weil ein Gold/Silberverhältnis auf diesem hohen Niveau historisch gesehen anormal ist und jeweils nur für wenige Tage Bestand hatte.“