Urteil des Bundesfinanzhofs Wann Ausgaben für Glattstellungsgeschäfte steuerlich berücksichtigt werden müssen

Sven Oberle von EY

Sven Oberle von EY: Bei der Glattstellung von Kauf- und Verkaufsoptionen ist der steuerliche Berücksichtigungszeitpunkt entscheidend. Foto: EY

Klar ist: Werden Stillhalterprämien aus der Einräumung von Kauf- sowie Verkaufsoptionen vereinnahmt, unterliegen sie beim Stillhalter selbst als Einkünfte aus Kapitalvermögen der Besteuerung. Weniger klar ist die Situation, wenn der Stillhalter zu Absicherungszwecken gegenläufige Glattstellungsgeschäfte abschließt. Dabei wird eine Option gleicher Art unter Closing-Vermerk erworben („Aufwendungen für Glattstellungsgeschäfte“) und es stellt sich die Frage, wie diese steuerlich zu berücksichtigen sind.

Steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen für Glattstellungsgeschäfte

Aufwendungen für Glattstellungsgeschäfte sind beim Stillhalter einer Stillhalterprämie (gemäß § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 EStG) als einnahmenmindernde Aufwendungen zu berücksichtigen. Damit vermindern sie die zu versteuernden Einkünfte aus dem Kapitalvermögen des Stillhalters. Das Werbungskostenabzugsverbot, das im Bereich der Einkünfte aus Kapitalvermögen allgemein besteht, gilt für Aufwendungen für Glattstellungsgeschäfte hingegen nicht.

 

Wenn die Aufwendungen für Glattstellungsgeschäfte in einem Veranlagungszeitraum insgesamt zu Verlusten aus Kapitalvermögen führen, dürfen diese Verluste (gemäß § 20 Abs. 6 S. 1 EStG) nicht mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden. Stattdessen werden sie erst in zukünftigen Veranlagungszeiträumen mit weiteren positiven Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet.

Zeitliche Berücksichtigung von Aufwendungen für Glattstellungsgeschäfte

Bislang war umstritten, ob Aufwendungen für Glattstellungsgeschäfte in dem Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen sind, in der die dem Glattstellungsgeschäft zugrunde liegende Stillhalterprämie vereinnahmt wurde – oder erst in dem Veranlagungszeitraum, in der des Glattstellungsgeschäfts getätigt wurde.

Nach Auffassung der Finanzverwaltung sollen die Aufwendungen für Glattstellungsgeschäfte in dem Veranlagungszeitraum berücksichtigt werden, in dem das Glattstellungsgeschäft getätigt wurde – wegen des im steuerlichen Privatvermögen geltenden Zu- und Abflussprinzips. Auf Grundlage dessen sieht das BMF-Schreiben betreffend die Einzelfragen zur Abgeltungsteuer in der Fassung vom 19.05.2022 vor, dass Aufwendungen für Glattstellungsgeschäfte als negativer Kapitalertrag im seitens des jeweiligen Kreditinstituts zu führendem Verlustverrechnungstopfs nach § 43a Abs. 3 S. 2 EStG zu erfassen seien – und eben erst im Veranlagungszeitraum der Tätigung. Demgegenüber vertraten Teile der steuerlichen Literatur, dass Aufwendungen für Glattstellungsgeschäfte als rückwirkendes Ereignis in Bezug auf die vereinnahmte Stillhalterprämie anzusehen seien. Nach dieser Argumentation sei sie im Veranlagungszeitraum der vereinnahmten Stillhalterprämie zu berücksichtigen.

Die hierbei zugrunde liegende Diskussion entfaltet insbesondere Bedeutung, sofern die vereinnahmte Stillhalterprämie und die getätigten Glattstellungsgeschäfte in unterschiedlichen Veranlagungszeiträumen erfolgen und der Steuerpflichtige im Veranlagungszeitraum der getätigten Glattstellungsgeschäfte nur über niedrige sonstige Einkünfte aus Kapitalvermögen verfügt. Letztere ermöglichen keine vollständige Verlustverrechnung. Infolgedessen können dem Steuerpflichtigen insbesondere Liquiditätsnachteile entstehen.

Urteil des Bundesfinanzhofs vom 02. August 2022

Mit Urteil vom 02. August 2022 (Aktenzeichen VIII R 27/21) hat der Bundesfinanzhof („BFH“) sich entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung entscheiden. Das heißt: Aufwendungen für Glattstellungsgeschäfte werden nicht im Veranlagungszeitraum berücksichtigt, in dem das Glattstellungsgeschäft getätigt wurde, sondern in dem Veranlagungszeitraum, in dem die dem Glattstellungsgeschäft zugrunde liegende Stillhalterprämie vereinnahmt wurde. Die Aufwendungen für die Geschäfte sind damit als rückwirkendes Ereignis zu berücksichtigen. Das grundsätzlich im Privatvermögen geltende Zu- und Abflussprinzip finde in diesem Fall keine Anwendung.

 

Der BFH äußerte sich, auch wenn im Urteilssachverhalt mangels kapitalertragsteuerabzugspflichtiger Stelle nicht von inhaltlicher Bedeutung, im Rahmen eines Obiter Dictums dahingehend, dass die oben geschilderte im BMF-Schreiben vom 19. Mai 2022 betreffend die Einzelfragen zur Abgeltungsteuer vorgesehene Vorgehensweise in Bezug auf die Berücksichtigung von Aufwendungen für Glattstellungsgeschäfte beim Kapitalertragsteuerabzug nicht mit der vom Gesetzgeber vorgesehen und im Urteil dargelegten Vorgehensweise vereinbar sei.

Praxisempfehlungen

Was können Steuerpflichtige tun, um diese jüngst ergangene Rechtsprechung des BFH zu ihren Gunsten zu nutzen? Wenn über inländische Kreditinstitute Stillhalteprämien vereinnahmt sowie Glattstellungsgeschäfte getätigt wurden, stehen dem Steuerpflichtigen aufgrund der materiellen rechtlichen Bindungswirkung des § 20 Abs. 3a EStG im Regelfall keine Handlungsmöglichkeiten zu. In diesem Zusammenhang bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung mit der Widersprüchlichkeit umgehen wird, die vom BFH aufgezeigt wurde. Dabei geht es also um die Widersprüchlichkeit der im BMF-Schreiben vom 19. Mai 2022 vorgesehenen Berücksichtigung von Aufwendungen für Glattstellungsgeschäfte im Kapitalertragsteuerabzugsverfahren zur materiell rechtlichen Anordnung des Gesetzgebers.

Demgegenüber sollten Steuerpflichtige, die regelmäßig Stillhalterprämien vereinnahmen sowie korrespondierende Glattstellungsgeschäfte über ausländische Kreditinstitute abschließen, überprüfen, ob in vergangenen und noch verfahrensrechtlich zugänglichen Veranlagungszeiträumen Stillhalterprämien sowie Aufwendungen für Glattstellungsgeschäfte zeitlich auseinanderfielen, sodass sich die auf Grundlage der seitens der Finanzverwaltung vorgeschriebene Vorgehensweise liquiditätsmindernd zu deren Nachteil ausgewirkt hat.

Falls sich die Finanzverwaltung entschließen sollte, obiges Urteil im Bundessteuerblatt zu veröffentlichen, können sich betroffene Steuerpflichtige unmittelbar gegenüber der Finanzverwaltung auf die Entscheidung des BFH berufen und eine Berücksichtigung etwaiger Aufwendungen für Glattstellungsgeschäfte in dem Veranlagungszeitraum erwirken, in der die Stillhalterprämie vereinnahmte wurde. Falls sich die Finanzverwaltung gegen eine Veröffentlichung im Bundessteuerblatt entscheiden und gegebenenfalls zusätzlich einen Nichtanwendungserlass erlassen sollte, können Steuerpflichtige gegebenenfalls eine Rechtsdurchsetzung im Einspruchs- oder Klageverfahren in Betracht ziehen.

Über den Gastautor:
Sven Oberle ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater und leitet das Private Client Team von EY in Frankfurt. Er berät Familienunternehmen, vermögende Privatpersonen und Family Offices in deutschen und internationalen Angelegenheiten.

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