private banking magazin: Lange galten Finanzdienstleister und hier vor allem Banken als seriöse und sichere Arbeitgeber, bei denen man gern arbeiten möchte. Das hat sich seit 2008 grundlegend geändert. Inwieweit ist der vielbeschworene Fachkräftemangel auch in der Finanzbranche angekommen?
Theresa Winkels: Der Fachkräftemangel ist in jeder Branche festzustellen. In der Finanzbranche ist das aber zu differenzieren. Im Retail Banking ist deutlich abgebaut worden, hier sehe ich auch keine kurzfristige Trend-Umkehr. Deutlich aufgebaut dagegen haben zum Beispiel Wealth Management und Family Offices. Nur leider lassen sich Abbau und Aufbau nicht miteinander verrechnen, denn es werden unterschiedliche Mitarbeitertypologien benötigt. Grundsätzlich ist die Rekrutierung nicht leicht. Wer heute im Wealth Management arbeiten möchte, braucht nicht nur die entsprechenden fachlichen Kompetenzen, um komplexe Vermögensstrukturen entwickeln und managen zu können, sondern auch die richtigen Charaktereigenschaften und die passende Persönlichkeit, um mit Vermögenden und Unternehmern auf Augenhöhe kommunizieren zu können. Dazu stehen weniger Kandidatinnen und Kandidaten als offene Jobs zur Verfügung.
Zugleich konkurrieren die etablierten Häuser heute zunehmend mit Start-ups um Talente. So gehen die Digital Natives heute oft lieber zu einem Fintech.
Winkels: Richtig, das von Ihnen eingangs angesprochene Thema IT und Digitalisierung kommt noch hinzu. Allerdings beschränkt sich das nicht nur auf Fintechs. Wer heute Kompetenzen im IT- und Digitalumfeld mitbringt, gleichzeitig in der Persönlichkeitsstruktur hohe Agilitätswerte und Lernwillen aufweist, der ist in jeder Branche willkommen und umworben. Nicht umsonst finden immer mehr Karrierewechsel zwischen Branchen statt. Auch hier gibt es im Finanzsektor, unabhängig von der Institutsklasse, einen Engpass.
Der digitale Wandel verschärft die Situation also noch zusätzlich. Was bedeutet vor diesem Hintergrund der ‚War of Talents‘ aktuell für Privatbanken beziehungsweise deren IT-Bereich?
Winkels: Die Finanzindustrie ist heute so etwas wie Medien, Handel und Logistik vor zehn bis fünfzehn Jahren. Hier sind in der nächsten Jahren noch nicht vorstellbar große Veränderungen zu erwarten. Das ist aufregend, gerade für junge Menschen. Aber auch in den genannten Branchen sind nur wenige vorweg gegangen, die heute den Markt dominieren – ob als Neugründung oder Weiterentwicklung einer tradierten Unternehmung. Jetzt ist der Zeitpunkt, die besten Talente anzusprechen und ihnen ein Angebot zu machen.