Abfindungsanspruch für Aktionäre Vor- und Nachteile der neuen Delisting-Regelung

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Bessere Kalkulierbarkeit für Aktionäre

Begrüßenswert ist die gesetzliche Neuregelung insbesondere vor dem Ziel, breitere Bevölkerungskreise für Aktien als attraktive Anlageklasse zu gewinnen. Unkalkulierbare, auf überraschenden Delisting-Entscheidungen beruhende Kursstürze wären diesem Ziel auf Dauer abträglich.

Langfristig wirft ein gesetzlich fundierter Abfindungsanspruch allerdings die Frage auf, ob nicht für junge Unternehmen und deren (Gründer-)Aktionäre der Wechsel in den regulierten Markt weniger attraktiv wird, wenn der spätere Rückzug nur gegen Abfindung zulässig ist. Grundsätzlich sollte es ein Anliegen des Gesetzgebers darstellen, dass sich möglichst viele Unternehmen für das anlegerfreundlichste Kapitalmarktsegment entscheiden.

Kritik an Abfindung beim Downgrading

Auch geht die Regelung zu weit, indem eine Abfindung auch bei Wechsel in den (qualifizierten) Freiverkehr zu zahlen ist. Vielfach ist ein solcher Segmentwechsel durch die erheblichen Kosten der Börsennotierung ohne entsprechenden Nutzen begründet. Gerade in solchen Fällen dürfte ein Rückzug aus dem regulierten Markt zugunsten eines Wechsels in den Freiverkehr für Aktionäre eine akzeptable Alternative darstellen, ohne dass es eines weitergehenden Schutzes bedarf.

Lediglich in der Situation eines echten Going Private, also eines vollständigen Börsenrückzugs, dürfte es in entsprechend gelagerten Fällen für die verbleibenden Aktionäre schwierig sein, den wahren Wert der Beteiligung zu realisieren, wenn die Abfindung diesen unterschreitet. Insbesondere besteht das Risiko, dass der Aktionär an späteren Wertaufholungen nicht mehr partizipieren kann.

Im Ergebnis kann die gesetzliche Neuregelung damit nur teilweise überzeugen. Im Falle eines echten Delisting wäre eine am Ertragswert orientierte Abfindung gerade für die Anleger vorzugswürdig, auch um falsche Anreize zum Delisting und marktkonjunkturell verfremdete Abfindungsbeträge zu vermeiden.

Indem auch Fälle eines bloßen Segmentwechsels in den Freiverkehr zu einer Abfindungspflicht führen, geht die Neuregelung zu weit. Es steht zu befürchten, dass viele Unternehmen nach der Methode „wenn schon Abfindung, dann gleich vollständiges Going Private“ verfahren werden, statt in ein kostengünstigeres Segment zu wechseln. In der derzeitigen Ausgestaltung erweist sich ein verbesserter Aktionärsschutz mithin in weiten Teilen als Chimäre.


Über den Autor:
Wolfgang Troidl ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrechtler bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Eversheds in München.

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