Georg Graf von Wallwitz „KI gibt keine Antwort auf das Warum“

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Hört sich fast so an, als wäre der Job des Fondsmanagers ein Auslaufmodell.

von Wallwitz: Die Lösung eines Algorithmus ist niemals sicher richtig, sondern immer nur wahrscheinlich. Das bietet Raum für clevere Investoren, besser zu sein als die Maschine, auch wenn dieser Raum kleiner wird. Deshalb halte ich das verstehende Nachvollziehen des Marktgeschehens nicht für überflüssig oder chancenlos. Zudem gibt es durchaus Grund zur Skepsis. Der Markt ist kein abgeschlossenes System. KI wirkt im Markt und damit auf sich selbst. Der Markt hat die Tendenz, seine Muster zu ändern, je häufiger diese identifiziert werden und sich ein Händler findet, der darauf handelt. Wenn etwa zu viele Systeme aus der Beobachtung des Marktes lernen, den US-Dollar bei 1,22 zum Euro zu verkaufen, dann findet sich bei dieser Marke bald kein Käufer mehr. Der Trade funktioniert nicht.

Ein weiteres Problem von Deep-Learning-Algorithmen besteht darin, den großen Bruch, der ohne Vorbild ist, nicht einordnen zu können. Wie etwa gehen Algorithmen mit einem Ereignis um, das es noch nie zuvor gab, wie seinerzeit der Flugzeuganschlag auf das World Trade Center? Dafür fehlen Trainingsdaten, um das Erkennen solcher Muster zu erlernen. Ebenso entziehen sich bislang Ereignisse der Datenanalyse, die eine psychologische oder historische Dimension haben.

Was verbuchen Sie im Asset Management unter KI, und was sind lediglich Quant-Filter-Maschinen?

von Wallwitz: Früher haben Quant-Fonds versucht, die Überlegungen eines klugen Fondsmanagers nachzubauen, indem sie Filter für Aktien mit günstiger Bewertung, positiven Umsatz- und Gewinntrends oder gutem Momentum entwickelt haben. Computerwissenschaftler haben Modelle gebaut, mit denen sich ein Sachverhalt erfassen, verarbeiten und analysieren lässt. Die KI hingegen sucht nicht nach Sachverhalten, sondern nach Mustern. Sie findet in der massenhaften Analyse von Unternehmensund Chartdaten Kauf- oder Verkaufssignale, Trends oder Abweichungen vom Trend.

Ob das alles Sinn macht, ob der Trendbruch real ist oder nur ein zufälliges Flackern, kann sie nicht begründen. Die Algorithmen des Deep Learning bleiben immer auf der Datenebene und geben, nach heutigen Stand, keine Antwort auf das Warum. Zusammengefasst: Quant-Filter suchen nach Sinn, KI sucht nach Mustern. Beides ist mal mehr, mal weniger nützlich, beides sollte man beherrschen. Das eine lässt sich aber nicht durch das andere ersetzen.

Handelsgeschäfte leben durch Ineffizienzen. Wie wirkt sich KI auf diese Lücken aus?

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von Wallwitz: Für klassische Arbitrage-Geschäfte braucht es einen schnellen Rechner und eine kurze Leitung, keine KI. Ob KI-Fonds mit anderen Ineffizienzen, beispielweise in Bezug auf Faktoren wie Value oder Momentum, gut umgehen können, muss die Zeit zeigen. Ich fürchte allerdings, die Lücken sind nicht groß genug für all das Geld, das sich dann auf diese stürzen wird.

KI wird laut Tesla-Chef Elon Musk zum bedingungslosen Grundeinkommen führen. Würden Sie dem zustimmen?

von Wallwitz: Das glaube ich nicht. Aber der Sozialstaat muss fraglos besser werden. Dazu gehört in einer digitalen „The-Winner- takes-it-all-Ökonomie“ wahrscheinlich auch die Anhebung der Spitzensteuersätze. Zur Teilhabe an der Gesellschaft gehört aber mehr als eine monatliche Überweisung. Die kreativen Potenziale der Menschen müssen geweckt werden. Und dazu braucht es alle: Menschen, Unternehmen und Staat.


Über den Interviewten:

Georg Graf von Wallwitz ist geschäftsführender Gesellschafter des Münchner Vermögensverwalters Eyb & Wallwitz. Die Investmentboutique gründete er 2004 zusammen mit Giselher von Eyb.

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