Georg Graf von Wallwitz „Dann wäre es Zeit, die Aktienquoten zu reduzieren“

Georg Graf von Wallwitz, Geschäftsführer Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement

Georg Graf von Wallwitz, Geschäftsführer Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement

Einhundert Ausgaben ist das Börsenblatt nun alt. Das ist eine runde Zahl, die zu besinnlicher Rückschau und rosigem Ausblick verleitet, zu starken Meinungen und Aussagen, vielleicht sogar zu sentimentalischen Faust-Zitaten (zum Beispiel „Ihr glücklichen Augen, Was je ihr gesehen, Es sei, wie es wolle, Es war doch so schön.“) oder zu knackigen Lord-Byron-Zitaten.

Jedenfalls ist sie aber Anlass zu einem erleichterten Seufzer im Gedenken an die umtosten Klippen, die es in den letzten 12 Jahren an den Finanzmärkten zu umschiffen galt – und die wir nicht nur mit Können, sondern auch mit Glück hinter uns gelassen haben.

Dennoch kommt bei mir keine Sektlaune auf. Das hat in erster Linie mit der Erfahrung zu tun, dass immer dann, wenn an den Finanzmärkten (und bei den Schreibern von Finanzmarktkommentaren) die Korken knallen, der nächste Absturz kurz bevorsteht.

Wenn die Laune gut und die Stimmung entspannt ist, kommt immer etwas dazwischen. Und wer das 12 Jahre als Autor (und 16 Jahre als Marktteilnehmer) mitgemacht hat, ist immer misstrauisch, in guten wie in schlechten Tagen.

Das Misstrauen darf aber nie die Grundhaltung an der Börse sein. Das ist eine der wichtigsten Lehren, die man als Kommentator weitergeben kann. Man muss immer vorsichtig sein und hinterfragen, ob man nicht gerade in eine entsetzliche Falle tappt. Und es gibt immer Tage und Situationen, in denen das Misstrauen dominiert und sein Recht einfordert.

Man darf nie die Fähigkeit der Menschen unterschätzen, sich selbst und die Seinen zu ruinieren. Wer im Sommer des Jahres 2008 keine Angst hatte, hat nicht verstanden, worum es damals ging. Aber die Grundhaltung muss doch immer der Optimismus sein, also die Hoffnung, dass es irgendwie weiter geht, auch wenn es nicht danach aussieht. Denn nur der Optimist kauft Aktien, wenn die Zeichen auf Sturm stehen und Risikopapiere billig sind, und nur in dieser Phase lässt sich richtig Geld verdienen.

Wöchentliche Wertentwicklung ausgewählter Spekulationsobjekte



In gewisser Weise ist die derzeitige Situation an den Finanzmärkten furchtbar durchschnittlich. Es gibt viele Gründe sehr misstrauisch zu sein. Israelis und Palästinenser haben wieder in ihre Kriegsroutine zurückgefunden, der Irak zerfällt und die Russen haben sich auf den Sonderweg zurückbegeben, den sie vor 1989 bereits 400 Jahre lang verfolgt hatten. Die Fed-Präsidentin Janet Yellen hat vor Überbewertungen bei den Aktien der Social Media- und Biotechnologieunternehmen gewarnt.

Die hochrespektable Bank für Internationalen Zahlungsausgleich befürchtet, dass der Versuch vieler Anleger, auch in diesen mageren Zeiten noch irgendwie eine Verzinsung für ihr Geld zu bekommen, diese in spekulative Papiere treibt, deren Mechanismen sie nicht durchschauen. Von unserer Seite möchten wir noch die Bereiche Leveraged Loans (Kredite ekelerregend schlechter Qualität), moderne Kunst und Londoner Immobilien hinzufügen.