Zentralbanker außer Rand und Band Geldflut hält bis 2014 an

Die kanadische Notenbank hat beispielsweise ihre Straffungsabsichten bei der Sitzung in dieser Woche unter den Tisch fallen lassen, und Schweden plant den Leitzins langsamer anzuheben als zuletzt. Auch die überraschende Beibehaltung der Bondkäufe durch die Federal Reserve im September und das Niedrigzinsversprechen der Europäischen Zentralbank können dem zugerechnet werden. Außerdem kam es in den letzten Monaten zu Leitzinssenkungen in Schwellenländern von Ungarn bis Chile.

“Wir sehen zweifelsfrei, wie diese Zentralbanker außer Rand und Band geraten”

Jüngstes Beispiel ist die Ankündigung einer Neuausrichtung der Geldmarkt-Operationen durch die Bank of England. Die Notenbank will mehr Sicherheiten akzeptieren und Kredite länger und günstiger zur Verfügung stellen, kündigte Notenbankchef Mark Carney am Donnerstag in London an.

“Wir sehen zweifelsfrei, wie diese Zentralbanker außer Rand und Band geraten”, sagt Richard Gilhooly, ein Zinsstratege von TD Securities in New York. Sie “injizieren einfach jede Menge Liquidität und versprechen, die Leitzinsen niedrig zu halten. Das ist nicht normal.”

Normal oder nicht, das ist schon seit fünf Jahren so, nachdem die Währungshüter weltweit eine Deflation bekämpften und eine Erholung der Weltwirtschaft vorantreiben wollten. In vielen Industrieländern wurden die Leitzinsen nahe Null gesenkt und eine quantitative Lockerung eingeleitet, durch die die Zentralbankbilanzen auf über 20 Billionen Dollar anschwollen.

Der wirtschaftliche Erfolg dieser Strategie hält sich in Grenzen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) verringerte in diesem Monat seine Prognosen für das Wachstum der Weltwirtschaft in diesem und kommendem Jahr um jeweils 0,2 Prozentpunkte. Die Inflation wird in reicheren Ländern vom IWF unterhalb des Ziels vieler Notenbanken von zwei Prozent erwartet.

“Die Entscheidung der Fed hat die Ausstiegsstrategien vieler Zentralbanken kompliziert”

“Wenn man sich anschaut, wo wir heute wirtschaftlich stehen gegenüber der Lage vor einem Jahr, dann hat sich praktisch nichts verändert”, sagte Gary D. Cohn, Präsident von Goldman Sachs am Donnerstag im Interview auf Bloomberg Television. “Wenn die quantitative Lockerung vor einem Jahr Sinn gemacht hat, dann ist sie auch heute noch sinnvoll.”

Die US-Notenbank hatte im September von einer Verringerung ihrer Anleihekäufe von monatlich 85 Milliarden Dollar Abstand genommen und wollte Hinweise auf ein nachhaltiges Wachstum abwarten. Nach dem temporären Verwaltungsstillstand in den USA infolge des Haushaltsstreits und schwächeren Arbeitsmarktdaten für September als erwartet rechnen von Bloomberg News befragte Ökonomen damit, dass eine Reduzierung des Bondkauf-Volumens erst im März 2014 stattfinden wird.

“Die Entscheidung der Fed hat die Ausstiegsstrategien vieler Zentralbanken kompliziert”, sagt Derek Holt, Vice President Volkswirtschaft bei Bank of Nova Scotia in Toronto. Andere Notenbanken würden nun mehr zu geldpolitischen Lockerungen neigen, denn eine Straffung vor der Fed würde ihre Währungen zum Dollar aufwerten lassen, was die Exporte belaste.

Der Dollar hat im vergangenen Monat 1,1 Prozent gegenüber einem Korb aus zehn Währungen verloren, wie der US-Dollar-Index von Bloomberg zeigt. Vor diesem Hintergrund beginnen nun auch Zentralbanken in einigen Schwellenländern zu handeln. Chile und Israel überraschten Analysten jüngst mit einer Leitzinssenkung. Auch Ungarn, Lettland, Rumänien, Serbien, Sri Lanka, Ägypten und Mexiko haben ihre Geldpolitik seit Anfang September gelockert.

“Angesichts des in den vergangenen Tagen und Wochen viel schwächeren Dollars beginnen Zentralbanken, die zuvor noch gezögert haben, jetzt ihre Geldpolitik zu lockern”, sagt Thierry Wizman, globaler Zins- und Währungsstratege bei Macquarie in New York.

Notenbanken, die kaum noch Raum mehr für Zinssenkungen haben, greifen gern auf Niedrigzinsversprechen zurück, die so genannte “Forward Guidance”. Die EZB verspricht ihren Leitzins von 0,5 Prozent über einen “längeren Zeitraum” auf niedrigem Niveau zu belassen und die Bank of England stellt unveränderte Zinsen in Aussicht, solange die Arbeitslosigkeit nicht auf 7 Prozent fällt - was erst in drei Jahren sein dürfte. Die Fed garantiert ein Zinsniveau nahe null, “mindestens solange” die Arbeitslosigkeit über 6,5 Prozent liegt.

Die EZB und die japanische Notenbank werden nach Einschätzung von Joachim Fels, Co-Chefökonom von Morgan Stanley, neue Konjunkturmaßnahmen einleiten, wenn der Dollar weiter fällt. “Wir stehen an der Schwelle einer weiteren Runde von geldpolitischen Lockerungen”, sagt er. Die Ökonomen von Citigroup sehen das ähnlich und erwarten neben neuen Schritten in Japan auch einen weiteren Langfristtender der EZB.

“Die Voraussetzungen für Blasen haben Bestand”

Die Politik des “leichten Geldes” birgt aber auch das Risiko von Vermögenspreisblasen, mit denen die Zentralbanker später fertigwerden müssen. Die Bundesbank erklärte in dieser Woche, dass Wohnungen in Großstädten bis zu 20 Prozent überbewertet sind. Auch die Notenbanken in Schweden und Norwegen äußerten sich jüngst über die Entwicklung an ihren Häusermärkten besorgt, und in Neuseeland und Singapur wurden bereits zu Maßnahmen ergriffen, um die Nachfrage zu dämpfen.

“Die Voraussetzungen für Blasen haben Bestand”, sagte Michael Ingram, Marktstratege von BGC Partners LP in London, am Mittwoch in Bloomberg Radio und fügte hinzu: “Wir könnten durchaus noch weitere Impulse sehen.”

Denn derzeit überwiegt die schlechte Arbeitsmarktlage die Sorgen um Preisblasen. Die Arbeitslosenquote in den USA belief sich im September auf 7,2 Prozent - das ist lediglich der niedrigste Stand seit November 2008. Die Quote in den 17 Euro- Staaten lag mit 12 Prozent nur knapp unter dem bisherigen Rekordhoch.

“Was immer ihr offizielles Mandat ist, die Zentralbanker sollen das Realeinkommen schützen”, erklärte Karen Ward, leitende Ökonomin bei HSBC Holdings in London, in einem Bericht vom 21. Oktober. Angesichts der Arbeitsmarktlage von den USA bis zu Großbritannien sei aber “nicht so bald eine schnelle Rücknahme der globalen Liquiditätszufuhr zu befürchten”.

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