Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) treibt mit Reformvorschlägen eine investorenorientierte Neuausrichtung der EU-Nachhaltigkeitsberichterstattung voran. Der Verband empfindet die gegenwärtigen Berichtsstandards (ESRS) als zu komplex und zu wenig an den Informationsbedürfnissen professioneller Investoren ausgerichtet.
„Institutionelle Investoren nutzen Nachhaltigkeitsberichtsdaten als primäre Informationsquelle“, betont der GDV in seinem Positionspapier und fordert daher eine deutliche Fokussierung auf entscheidungsrelevante Kennzahlen. Diese Priorisierung quantitativer Daten gegenüber narrativen Elementen verringert nicht nur den Berichtsumfang, sondern steigert auch die Vergleichbarkeit und Entscheidungsrelevanz für Anleger erheblich. GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen formuliert es prägnant: „Der Fokus auf Zahlen reduziert den Umfang der Berichte erheblich, ohne deren Aussagekraft zu beeinträchtigen.“
Praxisnaher ESG-Datenkatalog
Als Lösungsansatz präsentiert der Verband den gemeinsam mit Bankenverbänden entwickelten ESG-Datenkatalog, der mit rund 100 Schlüsseldatenpunkten schlanker ausfällt als die aktuellen ESRS-Vorgaben. Der Katalog dient laut GDV als Konzept für eine gestraffte, investorenorientierte Berichterstattung und vereinfacht die Integration von Nachhaltigkeitskennzahlen in Anlageentscheidungsprozesse.
Besonders kritisch beurteilt der GDV die aktuelle Ausgestaltung der Scope 3-Berichterstattung. Finanzunternehmen – insbesondere Versicherer – beeinflussen indirekte Emissionen ihrer Kunden oft nur begrenzt. Der Verband fordert eine realistische Differenzierung, die Unternehmen nur für beeinflussbare Emissionen zur Rechenschaft zieht, was institutionellen Anlegern eine präzisere Risikobewertung ermöglicht.
Flexiblerer Blick auf das Wesentliche
Neben den reinen Kennzahlen fordert das Positionspapier auch grundlegende Veränderungen in der Struktur. Ein stärker auf das Management ausgerichteter Ansatz soll es Unternehmen ermöglichen, ihre Nachhaltigkeitsberichte näher an der tatsächlichen Unternehmenspraxis statt an formalen Vorgaben auszurichten. Diese größere Flexibilität – verbunden mit einer stärkeren Betonung des Wesentlichkeitsprinzips – gibt institutionellen Investoren demnach tiefere Einblicke in die realen Chancen und Risiken im Bereich Nachhaltigkeit bei ihren Portfoliounternehmen.
Als übergreifendes Prinzip empfiehlt der GDV die Einführung einer Generalklausel für einen „True and Fair View“ – analog zur Finanzberichterstattung. Diese vermittelt einen verlässlicheren Gesamteindruck der Nachhaltigkeitsleistung und schafft laut GDV gleichzeitig notwendige Flexibilität für unternehmens- und sektorspezifische Besonderheiten.
Mit diesen Vorschlägen will der GDV im laufenden ESRS-Reformprozess gestaltend einwirken. Die Europäische Finanzberichterstattungsgruppe (Efrag) legt ihre Empfehlungen bis Ende Oktober 2025 der EU-Kommission vor. Die Verantwortlichen des GDV hoffen, dass ihre Vorschläge maßgeblich zu einer effizienteren, vergleichbareren und investorgerechten Nachhaltigkeitsberichterstattung beitragen werden.