Das Finanzgericht Hamburg hatte mit dem Urteil vom 11. Juli 2023 (3 K 188/21) die Gelegenheit, die schenkungsteuerlichen Folgen disquotaler Einlagen in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien – kurz: KGaA – näher zu beleuchten. Im Urteil stand das Ergebnis, dass eine von einem Gesellschafter in die KGaA geleistete disquotale oder überquotale Einlage ohne schenkungsteuerliche Konsequenzen bleibt. Das ist bemerkenswert, da das Finanzgericht mit dieser Entscheidung bezüglich der schenkungsteuerlichen Erfassung von Wertverschiebungen im Sinne von Paragraf 7, Absatz 8 im ErbStG wieder für gestalterischen Spielraum bei der Schenkungsteuer gesorgt haben dürfte.
Fall deckt Lücken bei KgaA-Strukturen auf
Im Urteilsfall war der Kläger als persönlich haftender Gesellschafter an einer KGaA beteiligt; Kommanditaktionär war der Vater des Klägers, der sämtliche Stückaktien der KGaA in Höhe von 50.000 Euro vollständig übernommen hatte. Der Kläger erbrachte als persönlich haftender Gesellschafter der KGaA eine nicht auf das Grundkapital zu leistende Vermögenseinlage in Höhe von 450.000 Euro in bar. In der Folge legte der Vater einen Betrag von 100 Millionen Euro in die Gesellschaft ein, welcher in die ungebundene Kapitalrücklage (§ 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB) der Gesellschaft eingestellt wurde. Wie diese ungebundene Kapitalrücklage geregelt ist, steht in Paragraf 272, Absatz 2 und Nummer 4 des Handelsgesetzbuches.
Das Finanzgericht führt insofern überzeugend und ausführlich aus, warum durch die Einlage des Vaters weder eine (fiktive) Schenkung nach Paragraf 7, Absatz 8 des ErbStG noch eine Schenkung nach Paragraf 7, Abssatz 1 oder Abssatz 6 des ErbStG vorliegt. Und das, obwohl der Vater eine überquotale Einlage geleistet hat, welche dem anderen Gesellschafter „zugute“ gekommen ist.
Im Kern stellt das Gericht dabei auf die „Zwitterstellung“ der KGaA zwischen einer Kapital- und einer Personengesellschaft ab: Zwar sei die KGaA selbst eine Kapitalgesellschaft; der persönlich haftende Gesellschafter als Bedachter halte aber gerade keinen Anteil an einer Kapitalgesellschaft. Denn er hatte nicht wie ein Kommanditaktionär Aktien gezeichnet und er hatte auch keine Einlage auf das Grundkapital geleistet, sodass ihm keine Beteiligung am Nennkapital der KGaA zustand. Insofern konnte beim persönlich haftenden Gesellschafter auch nicht, wie für Paragraf 7, Absatz 8 ErbStG erforderlich, eine „Werterhöhung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft“ erfolgen. Ergo: Es ist keine fiktive Schenkung an den Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft anzunehmen.
Zur Begründung seiner Rechtsauffassung verweist das Finanzgericht im Folgenden auf den Gesetzeswortlaut der Paragraf 13a, b ErbStG und stellt detailliert die Regelungen dar, in denen zwischen der Beteiligung als persönlich haftender Gesellschaft und der Beteiligung als Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft beziehungsweise als Kommanditaktionär differenziert wird.
KgaA hat hybriden rechtlichen Charakter – aber ist Rechtsträger mit eigenem Vermögen
Auch eine Besteuerung nach Paragraf 7, Abssatz 1 ErbStG erfolgt nicht: Trotz ihres hybriden rechtlichen Charakters sieht das Finanzgericht die KGaA wie jede andere Kapitalgesellschaft als eigenständigen Rechtsträger mit eigenem Vermögen, sodass die mit der Einlage einhergehende Erhöhung des Beteiligungswertes des anderen Gesellschafters nicht zu einer Vermögensverschiebung zwischen den Gesellschaftern führt. Zwar werde der persönlich haftende Gesellschafter steuerlich wie ein „Mitunternehmer“ behandelt. Eine dingliche Beteiligung am Vermögen folge daraus jedoch nicht. Da die KGaA gerade keine Personengesellschaft ist, komme auch kein steuerbarer Erwerb nach Paragraf 7, Abssatz 6 ErbStG infrage – so wie es bei einer übermäßigen Gewinnausstattung einer Personengesellschaft der Fall wäre.
Abschließend erläutert das Finanzgericht, dass auch eine Auslegung des Paragraf 7, Absatz 8 ErbStG über den Wortlaut hinaus nicht in Betracht kommt. Zwar habe der Gesetzgeber die Vorschrifteingeführt, um Besteuerungslücken in Fällen disquotaler Einlagen in eine Kapitalgesellschaft zu schließen. Diese Auslegung muss aber ihre Grenze im Wortsinn der Vorschrift finden, die ausdrücklich auf den „Anteil an einer Kapitalgesellschaft“ abstellt und – wie gezeigt – den persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA damit nicht erfasst. Damit liegt nach Auffassung des Finanzgerichts eine Besteuerungslücke vor, soweit der persönlich haftender Gesellschafter einer KGaA von disquotalen Einlagen anderer Gesellschafter der KGaA profitiert. Zu Recht verweist das Gericht darauf, dass es nicht die eigene Aufgabe sei, derartige Besteuerungslücken zu schließen.
Da diese Besteuerungslücke auf dem hybriden Charakter der KGaA beruht, besteht diese Lücke allerdings nur in Bezug auf den persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA – Vermögensverschiebungen zwischen Personengesellschaftern werden grundsätzlich nach Paragraf 7, Absatz 1 des ErbStG besteuert; Werterhöhungen von Anteilen von Kapitalgesellschaftern aufgrund von Einlagen anderer Gesellschafter nach Paragraf 7, Absatz 8 ErbStG.
Wer dieses Variante der Vermögensübertragung nutzen will, muss daher zwingend die Rechtsform der KGaA wählen. Dabei sollte man sich allerdings bewusst sein, dass die Besonderheit der Gesellschaftsform eine erhebliche Komplexität mit sich bringt, da weitestgehend das Recht der Aktiengesellschaft Anwendung findet. Aus diesem Grunde ist eine Gestaltung über eine KGaA vor allem für größere Vermögen geeignet. Auch gesellschaftsrechtlich muss geklärt werden, ob die von der Familie gewünschten Regelungen in der KGaA getroffen werden können.
Schwebendes Revisionsverfahren beim Bundesfinanzhof
Die Revision gegen die Entscheidung des Finanzgerichts ist mittlerweile beim Bundesfinanzhof (BFH II R 23/23) anhängig. Das Ergebnis der Revision ist schwer zu prognostizieren: Auf der einen Seite überzeugen die Argumente des Finanzgerichts, welches dogmatisch stringent den hybriden Charakter der KGaA herausarbeitet und aufzeigt, dass die Regelungen des Erbschaftsteuergesetzes nur disquotale Einlagen in „klassische“ Personen- und Kapitalgesellschaften erfassen und dem Wortlaut nach nur bei diesen eine Besteuerung vorsehen.
Auf der anderen Seite sollte Paragraf 7, Absatz 8 des ErbStG gerade bestehende Besteuerungslücken bei disquotalen Gesellschafterleistungen in Kapitalgesellschaften schließen und diese einer Besteuerung mit Schenkungsteuer unterwerfen. Der Bundesfinanzhof ist bei seiner rechtlichen Würdigung nicht an die Entscheidung des FG gebunden; im Rahmen der Revision findet eine umfassende rechtliche Überprüfung statt.
Ebenfalls nicht absehbar ist, ob und wann der Gesetzgeber tätig werden wird – insbesondere, ob dieser das BFH-Verfahren abwartet und nur im Falle einer bestätigenden Entscheidung eingreift oder ob die Lücke bereits durch das bald im Entwurf vorliegende Jahressteuergesetz geschlossen wird.
Klar dürfte sein, dass das Zeitfenster für disquotale Einlagen in eine KGaA kurz bemessen ist – ob die Entscheidung des BFH abgewartet werden kann, ist höchst fraglich. Soll die vom Finanzgericht aufgezeigte Gesetzeslücke genutzt werden, um schenkungsteuerfrei Vermögen zu übertragen, muss schnell gehandelt werden – ein Erfolg kann aber aufgrund des schwebenden BFH-Verfahrens keinesfalls garantiert werden. Auch muss damit gerechnet werden, dass das Finanzamt Schenkungsteuer festsetzen wird. Gegen einen entsprechenden Schenkungsteuerbescheid ist gegebenenfalls Einspruch einzulegen und unter Berufung auf das Revisionsverfahren beim Bundesfinanzhof das Ruhen des Verfahrens zu beantragen.
Über die Gastautorinnen:
Catarina Herbst ist Rechtsanwältin und Steuerberaterin, zudem Fachanwältin für Steuerrecht. Herbst ist seit 2015 Partnerin bei Mazars und verantwortet in der Rechtsanwaltsgesellschaft den Bereich Vermögens- und Unternehmensnachfolge am Standort Hamburg. Zuvor war sie als Rechtsanwältin und Steuerberaterin bei Esche Schümann Commichau im Bereich Private Clients tätig.
Christina Vosseler ist Steuerberaterin und seit 2017 auch Partnerin bei Mazars. Vosseler ist seit 1999 bei der Rechtsanwaltsgesellschaft respektive den Vorgängergesellschaften tätig. Schwerpunkte sind unter anderem die Beratung vermögender Privatpersonen, die Begleitung von Investments im nationalen und internationalen Kontext, Vermögensstrukturierung und die Gestaltung und Begleitung von Nachfolgelösungen.