Indexprobleme Gastbeitrag: Neue Benchmarks braucht das Land

Anna Stupnytska, Goldman Sachs Asset Management

Anna Stupnytska, Goldman Sachs Asset Management

Ein neuer Ansatz für Aktienanlagen muss her, fordert Anna Stupnytska, Direktorin und Makroökonomin bei Goldman Sachs Asset Management. Über das Schwellenländerwachstum, neue Benchmarks und die Dominanz der Marktkapitalisierung

Die rasante und anhaltende wirtschaftliche Expansion bisher unterentwickelter Länder ist die umwälzendste Entwicklung unserer Tage. Wir bei Goldman Sachs Asset Management glauben, dass in diesem Jahrzehnt acht der zehn Nationen, die am meisten zum Weltwirtschaftswachstum beitragen, Wachstumsmärkte sein werden.

Diese werden das weltweite Bruttoinlandsprodukt (BIP) möglicherweise um etwa 16 Billionen US-Dollar erhöhen (derzeit 70 Billionen Dollar), was mindestens dem dreifachen potenziellen BIP-Beitrag der USA und Europas zusammengenommen entspricht.

Unserer Meinung nach werden die Wachstums- und Schwellenländer dank ihrer zunehmend besseren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ihren Anteil am globalen BIP von aktuell 37 Prozent bis 2030 auf 59 Prozent erhöhen können.

Auswirkungen auf die Aktienmärkte

Trotz des langfristigen Wachstumspotenzials der Wachstums- und Schwellenländer machen Aktien aus diesen Ländern nur rund 6 Prozent der Portfolios institutioneller Investoren in den Industrieländern aus.

Warum legen Investoren nicht einen größeren Teil ihrer Mittel in diesen Ländern an, um die dortigen Ertragschancen zu nutzen? Die Angst vor dem Unbekannten und ein Mangel an Informationen sind Faktoren, die hierzu beitragen. Aber auch die Orientierung an Indizes, die auf der Marktkapitalisierung beruhen, stellt ein Hindernis für Investments in den Wachstumsmärkten dar.

Das Problem mit der Marktkapitalisierung

Die Zusammensetzung vieler weithin beachteter Indizes, die Investoren als Richtschnur für ihre Investments in den Aktienmärkten dienen, basiert auf der Marktkapitalisierung.

Obwohl solche Indizes in den vergangenen Jahren steigende Mittelzuflüsse verzeichnet haben, bringen sie unserer Meinung nach ernsthafte Nachteile mit sich. Tendenziell wird durch diese Indizes übergewichtet, was überbewertet ist, und untergewichtet, was unterbewertet ist.

Damit setzen sie Investoren dem Risiko themenbezogener Blasen aus. Beispiele hierfür gab es in den späten 1980er Jahren bei japanischen Aktien im MSCI World Index und gegen Ende der 1990er Jahre bei Titeln aus dem Informationstechnologiesektor im S&P 500 Index.

Außerdem hinken diese Indizes mitunter breit angelegten wirtschaftlichen Trends hinterher. So tragen die Wachstums- und Schwellenländer aktuell zwar 37 Prozent zum weltweiten BIP bei, kommen aber nur auf einen Anteil von 13 Prozent an der weltweiten Marktkapitalisierung. Noch in den 1980er Jahren betrug dieser Anteil lediglich ein Prozent. Wir gehen von einer stetigen Zunahme der Anlagechancen in diesen Ländern aus.

Neues Benchmark-Denken

Damit die Investoren diese Anlagechancen und die Dynamik in Bezug auf Risiken und Renditen verstehen, wäre es sinnvoll, eine neue Art von Benchmark einzuführen, die bei der Festlegung von Ländergewichten das BIP berücksichtigt.

Ein solcher Index würde den Wachstums- und Schwellenländern ein größeres Gewicht geben und Anlegern somit eine bessere Teilhabe an dem rasanten Wirtschaftswachstum in diesen Ländern ermöglichen.

Unser Vorschlag wäre eine Benchmark, die auf breiterer Basis eine Beteiligung am weltweiten Aktienmarkt erlaubt und eine kombinierte, auf Regeln basierende Methode verwendet. Dazu gehört eine Vorsortierung von Aktien nach ihrem in den vergangenen fünf Jahren realisierten Beta-Koeffizienten, um so die riskantesten Titel herauszufiltern, und eine Gewichtung der verbleibenden Aktien nach Substanzwert statt Börsenkapitalisierung.

Höhere Rendite, geringeres Risiko

Die derzeitigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben bei vielen Anlegern zu einer stärkeren Risikoaversion geführt. Ein innovativer und durchdachter Ansatz im Hinblick auf den Aufbau von Aktienportfolios könnte jedoch zu höheren Renditen bei gleichzeitig niedrigerem Risiko beitragen als traditionelle, auf der Marktkapitalisierung beruhende Indizes.

Bei Zugrundelegung dieser Methode läge der Anteil der Wachstums- und Schwellenländer an einer neuen Benchmark gegenwärtig bei etwa 20 Prozent.

Der potenzielle Gewinn für Anleger kann beträchtlich sein. Beständigkeit in Bezug auf die Wachstumserwartungen ist ein wichtiger Faktor, wenn Anleger über ihre Portfoliostruktur entscheiden.

Unsere Einschätzung zur weiteren Entwicklung in den Wachstums- und Schwellenländern wird geprägt durch deren anhaltendes Bevölkerungswachstum, hohen Binnenkonsum und Produktivitätsfortschritt. Damit verfügen diese Länder über besonders gute Voraussetzungen für anhaltendes Wachstum, und ihr BIP dürfte auch weiterhin rascher steigen, als dies in den Industrieländern der Fall ist.

Als Anleger müssen wir uns ständig so positionieren, dass wir aufkommenden Trends und Chancen einen Schritt voraus sind. Unserer Meinung nach hält die Art und Weise, wie Vergleichsindizes bisher zusammengesetzt werden, viele Anleger aber möglicherweise davon ab, Renditepotenziale auszuschöpfen.

Da die Wachstumsländer weiter als Lokomotive der Weltwirtschaft fungieren, ist es jetzt an der Zeit, dass wir unseren Ansatz in Bezug auf Aktieninvestments ändern und Benchmarks erstellen, die dem raschen Wandel der Welt um uns herum besser Rechnung tragen.

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