Im Prinzip würde man erwarten, dass höhere Bewertungen der Vermögen neue Investitionen und daher eine steigende Nachfrage nach Krediten bewirken (Tobins Q-Effekt). Bisher war das nicht zu beobachten. Dies könnte darauf schließen lassen, dass die durch die Zinspolitik der EZB erzeugten Bewertungsänderungen von den Wirtschaftsakteuren als nicht dauerhaft angesehen werden.
Die Geldpolitik hat immer auch Auswirkungen auf die Verteilung von Einkommen und Vermögen in ihrem Wirkungsgebiet. Offensichtlich erhöhen niedrige Zinsen das frei verfügbare Einkommen von Schuldner und verringern das Einkommen von Eigentümern verzinslicher Bankeinlagen.
Darüber hinaus kann die Geldpolitik über ihre Wirkung auf Vermögenspreise auch die Verteilung von Vermögen verändern. Die dritte Grafik zeigt den FvS-Vermögenspreisindex für Haushalte auf dem zweiten Quintil von unten (FvSVP 20-40) und dem höchsten Dezil (FvSVP 90-100) zusammen mit dem Refinanzierungssatz der EZB. Da die weniger vermögenden deutschen Haushalte vor allem Sparguthaben bei Banken besitzen, sind die für sie zutreffenden Vermögenspreise nur sehr schwach mit dem EZB Zins korreliert.
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Quelle: Flossbach von Storch Research Institute, Statistisches Bundesamt, EZB
Am Höhepunkt der Finanzkrise sind ihre Vermögenspreise nur wenig gefallen. Nach der Erholung von der Finanzkrise sind diese Preise mit dem weiteren Rückgang der Zinsen aber auch nicht mehr gestiegen. Dagegen wurden die Vermögenspreise für die wohlhabendsten deutschen Haushalte durch die Zinserhöhungen der EZB bis zum dritten Quartal 2008 stark nach unten gedrückt. Danach sind diese Vermögenspreise mit dem Rückgang der Zinsen wieder stark gestiegen.
Der in den Grafiken gezeigte Zusammenhang zwischen Leitzins der EZB und Vermögenspreisen lässt den Schluss zu, dass der Ausstieg der Zentralbank aus der Politik der Nullzinsen und quantitativen Lockerung zu Einbrüchen bei den Vermögenspreisen führen wird. Grafik 4 zeigt für die Zeit seit Mitte der 2000er Jahre, dass in Deutschland die Vermögenspreise der Wirtschaftsleistung vorauslaufen.
Folglich könnte ein durch steigende Zinsen ausgelöster Rückgang der Vermögenspreise einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts auslösen. Es ist also möglich, dass die Zyklen für die Konjunktur und Vermögenspreise parallel verlaufen, obwohl die Konsumentenpreisinflation niedrig und stabil bleibt. Der Versuch der Zentralbank, die Konsumentenpreisinflation zu stabilisieren, könnte die Instabilität der Vermögenspreise und der Wirtschaftsleistung herbeiführen.
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Quelle: Flossbach von Storch Research Institute, Statistisches Bundesamt, EZB
EZB-Mandat schließt den Euro-Erhalt nicht ein
Mit seinen 2012 gesprochenen Worten, alles zu tun, um den Euro zu erhalten, hat EZB-Präsident Draghi die Euro-Währungsunion (EWU) vor dem möglichen Zusammenbruch bewahrt. Obwohl man dies zweifellos als großen Verdienst ansehen kann, muss die Frage zugelassen werden, ob er zum Aussprechen dieser Garantie berechtigt war.
Draghi hat die Garantie mit den Worten „innerhalb unseres Mandats“ eingeschränkt. Das Mandat ist aber auf die Wahrung der Preisstabilität beschränkt.
Darüber hinausgehende Maßnahmen zur Sicherung der gemeinsamen Währung liegen in der Verantwortung der regierenden Politiker. Sie haben die Voraussetzungen geschaffen, die zur Erteilung des Mandats an die EZB geführt haben, und es liegt folglich an ihnen, die Bedingungen zu erhalten, die eine Ausübung dieses Mandats möglich machen. Es ist rechtlich zumindest fragwürdig, wenn derjenige, dem ein Mandat übertragen wurde, selbst die Weiterführung des Mandats absichert.
Noch fragwürdiger ist es, wenn die ausgesprochene Garantie nicht nur nicht im Mandat enthalten ist, sondern vertraglich gesetzte Grenzen verletzt. Die Verletzung entsteht dadurch, dass sich die EZB mit der Gewährung der Bestandsgarantie für den Euro faktisch als Kreditgeber der letzten Instanz für die Mitgliedstaaten der EWU aufgestellt hat. Dies ist ihr aber gemäß ihrer Statuten nicht erlaubt. Letzten Endes besteht das Dilemma der EZB darin, dass die EWU falsch konstruiert ist.
Eine Geldordnung, in der Zentralbankgeld durch die Zentralbank aus dem Nichts und Giralgeld über die Vergabe von Krediten durch die Banken geschaffen wird, braucht eine Zentralbank als Kreditgeber der letzten Instanz für die Banken und den Staat. Dies liegt daran, dass im Falle von Schieflagen von Banken der Staat einspringen muss, um das umlaufende Giralgeld zu stützen, und im Falle einer sich daraus ergebenden Schieflage des Staates die Zentralbank den Staat vor der Insolvenz bewahren muss.
Der Geburtsfehler der EWU war, diese Zusammenhänge nicht berücksichtigt zu haben. Um den Euro als heute übliches Kreditgeld nachhaltig aufzustellen, wäre die Gründung eines Eurostaates notwendig gewesen, in den die EZB hätte eingebettet werden können. Ohne diesen Eurostaat hätte die EWU dem früheren Goldstandard entsprechend organsiert werden müssen, in der der Euro eine dem Gold ähnliche Rolle hätte spielen müssen.
Fazit
Die in den vorangehenden Abschnitten angestellten Überlegungen lassen den Schluss zu, dass das Mandat der EZB auf einer fehlerhaften Grundlage erteilt wurde. Unserer Ansicht nach hat die EZB das Mandat zudem verkürzt und auf problematische Weise ausgelegt. Gegenwärtig hat sie Schwierigkeiten, die selbst gesetzten Ziele zu erreichen.
Bei der aggressiven Verfolgung dieser Ziele entstehen schädliche wirtschaftliche Nebenwirkungen. Um den Zusammenbruch der EWU aufgrund ihrer Konstruktionsfehler zu verhindern, hat die EZB ihr Mandat erheblich ausgeweitet und hat unserer Einschätzung nach die ihr in ihren Statuten gesetzten Grenzen überschritten. Letzten Endes besteht das Dilemma der EZB darin, dass sie ihr Mandat wegen der Fehler in der Konstruktion der EWU nicht sachgemäß und im Einklang mit den ihr gegebenen Statuten ausüben kann.
>>Die Studie können Interessierte auch als PDF auf der Website des Flossbach von Storch Research Institutes downloaden
FvS-Denkfabrikleiter Thomas Mayer „Die Auslegung des EZB-Mandats ist problematisch – ökonomisch und rechtlich“
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