Corona-Sonderregeln Für Stiftungen bleibt Rechtsunsicherheit

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Auch wenn Rechtsprechung dazu noch nicht ersichtlich ist, spricht alles dafür, dass die Erleichterungen auch für Stiftungen gelten.

Das zeigt schon der Gesetzentwurf (BT-Drucks. 19/18110) in seiner Einleitung bei Aufriss von Problem und Lösung: Dort sind ausdrücklich die erheblichen Auswirkung von Covid-19 auf die „Handlungsfähigkeit verschiedener Rechtsformen“ erkannt, dass teilweise nicht mehr auf herkömmlichem Weg Beschlüsse auf Versammlungen der entsprechenden Organe herbeigeführt werden können, mit der ausdrücklichen genannten Möglichkeit „existenzieller Bedeutung für Stiftungen“. Also hatte der Gesetzgeber für Stiftungen nicht nur deren Vorstands- und Führungslosigkeit im Blick, die er für Stiftungen ausdrücklich gelöst hat, sondern auch und vor allem die Handlungsunfähigkeit mangels Möglichkeit zur herkömmlichen Beschlussfassung in Versammlungen, die er ausdrücklich für den Verein verbessert hat, offensichtlich davon ausgehend, dies auch für Stiftungen zu tun. Die Regelungs- und Erleichterungsabsicht des Gesetzgebers für Stiftungen ausschließlich auf den Erhalt eines zeitlich befristeten Vorstandsamtes zu reduzieren, geht vollkommen an den Problemen und Lösungsabsichten des Gesetzgebers vorbei, die auch ausdrücklich im Gesetzentwurf (BT-Drucks. 19/18110) genannt sind.

In diesem Sinne hat auch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) in seinen FAQs zur Handlungsfähigkeit von Stiftungen während der Corona-Krise die Frage beantwortet, warum keine gleichen Regelungen für die Beschlussfassung der Vereins- und Stiftungsorgane vorgesehen worden sind: Besondere Regelungen wurden nicht als erforderlich angesehen, weil davon auszugehen ist, dass die Regelungen über die Beschlussfassung der Mitglieder aufgrund der Verweisung in Paragraph 28 BGB auch auf Beschlussfassung eines … Stiftungsvorstands, der aus mehreren Mitgliedern besteht, anzuwenden sind. Da Paragraph 28 BGB auch entsprechend auf andere Organe von … Stiftungen angewendet wird, gelten diese Regelungen auch entsprechend für die Beschlussfassung dieser Organe.

Das BMJV hat darüber hinaus auch in seinem mit Pressemeldung vom 19. September 2020 veröffentlichten Referentenentwurf einer Verordnung zur Verlängerung der Covid-19-Sonderregeln darauf hingewiesen, dass die Erleichterungen durch die Verweisnorm aus Paragraph 28 BGB auch für Stiftungsvorstände gelten (Seite 8): Die Sonderregelungen in den Paragraph 5 Absatz 2 und 3 GesRuaCOVBekG, durch die Paragraph 32 BGB ergänzt und modifiziert wird, sind nach Paragraph 28 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auch auf die Beschlussfassung der … Stiftungsvorstände anzuwenden. Auch die Vorstände werden 2021 weiterhin von diesen Sonderregelungen bei ihrer Beschlussfassung Gebrauch machen können, soweit die … Stiftungssatzung nichts Abweichendes regelt.

Verlängerter Geltungszeitraum 2020/21

Zeitlich sind die Covid-19-Sonderregeln als Gesetz am 28. März 2020 in Kraft getreten und sollten zunächst nur für im Jahr 2020 stattfindende Versammlungen und auslaufende Vorstandsämter gelten. Zugleich wurde aber das BMJV ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Geltung bis höchstens zum 31. Dezember 2021 zu verlängern, wenn dies aufgrund fortbestehender Auswirkungen von Covid-19 geboten erscheint. Und von dieser Verlängerungsmöglichkeit hat das BMJV nun auch Gebrauch gemacht: mit am 28. Oktober 2020 im Bundesgesetzblatt (BGBl. I S. 2258) verkündeter und am Folgetag in Kraft getretener Verordnung zur Verlängerung von Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie. Damit sind die Erleichterungen bis zum 31. Dezember 2021 verlängert worden, um unter Covid-19 insbesondere für Stiftungen Beschlussfassungen zu ermöglichen und Handlungsfähigkeit zu gewährleisten.

4. Fazit – Handeln: Satzungen prüfen, anwenden und anpassen!

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Es spricht alles dafür, dass die Erleichterungen zur Beschlussfassung außerhalb Versammlungen aus dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie auch für Stiftungsvorstände gelten. Folgerichtig hat dies auch das BMJV in seinen FAQs zur Handlungsfähigkeit von Stiftungen in der Corona-Krise und in seiner Verordnung zur Verlängerung der Covid-19-Erleichterungen klargestellt. Außer, dass das Gesetz eine ganz ausdrückliche Anwendung der Erleichterungen für Stiftungen handwerklich vermissen lässt, gibt es auch keinen vernünftigen Grund, die Anwendung auf Stiftungen zu verneinen – jedenfalls nicht, wenn man Stiftungen nicht schaden will.

Bis zur hundertprozentigen Rechtssicherheit durch gesicherte Rechtsprechung oder eine ausdrücklich gesetzliche Klarstellung, muss man Stiftungen und ihren Vorständen allerdings raten, sich mit ihrer zuständigen Stiftungsaufsichtsbehörde abzustimmen. Dies gilt umso mehr bei bedeutenden Entscheidungen, etwa in Bezug auf das Stiftungsvermögen.

Alternativ kann die Beschlussfassung außerhalb von Versammlungen zum Beispiel durch vorherige schriftliche Zustimmung ermöglicht werden (dazu oben 2. Was passiert, wenn die Stiftungssatzung keine Regelung zur Entscheidung ohne Sitzung enthält?).

Und natürlich gehören Regelungen zu Beschlussfassung außerhalb von Versammlungen in jede gute Stiftungssatzung. Deshalb sollten Satzungen geprüft, korrekt angewendet und gegebenenfalls geändert werden, was auch verhältnismäßig einfach möglich sein sollte. Dies ist der rechtssicherste Weg.

Über den Autor:

Frank Schuck berät Familien, Unternehmer und Privatpersonen, Stifter und Stiftungen. Einer seiner Schwerpunkte ist die Errichtung von Stiftungen, deren laufende Beratung einschließlich Strukturänderungen und Streitigkeiten. Er ist Rechtsanwalt und Assoziierter Partner im Münchener Büro der Kanzlei Noerr.

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