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private banking magazin: Mehr als eine Million Familienunternehmen müssen in den kommenden Jahren eine Nachfolgelösung finden. Viele Unternehmensgründer wünschen sich eine Nachfolge innerhalb der Familie. Ist das nicht wirklich die beste Option?
Philipp Romeike: Eine familieninterne Nachfolge kann eine sehr gute Lösung sein. In der Praxis entscheiden sich aber tatsächlich immer weniger Töchter und Söhne für diesen Weg – aus den unterschiedlichsten Motiven. Entscheidend ist daher, dass sich der Unternehmensveräußerer klar ist über die Ziele, die er verfolgt. Grundsätzlich gibt es drei Motive: den wirtschaftlich besten Beitrag erzielen, möglichst schnell aus dem Unternehmen ausscheiden oder die emotionale Wunschlösung für das Lebenswerk finden. Zwischen diesen Zielen entstehen oft Spannungen. Wer einen bestimmten ökonomischen Wert realisieren möchte, sollte auch Finanzinvestoren oder andere Optionen prüfen. Die ideale Lösung hängt also von den individuellen Zielen ab.
Laut einer PWC-Studie haben Familienunternehmen ihre Berührungsängste vor Private-Equity-Investoren in den vergangenen Jahren weitestgehend abgelegt. Ist das Heuschrecken-Image Vergangenheit?
Romeike: Die meisten Unternehmer haben heute keine Berührungsängste mehr. Allerdings ist Private Equity nicht für jedes Unternehmen geeignet. Die Investoren suchen vor allem nach skalierbaren und starken Geschäftsmodellen. Diese Voraussetzungen müssen die Unternehmen erfüllen. Unternehmerinnen und Unternehmer sollten sich Zeit nehmen, ihr Unternehmen auf einen Exit vorzubereiten und die Ertrags- sowie Cashflow-Situation zu optimieren. Ein kurzfristiger Verkauf an einen Private-Equity-Investor wird daher längst nicht jedem Mittelständler gelingen – jedenfalls nicht in einer für ihn finanziell guten Lösung.
Industrie-Holdings sollten ja eh die besseren Investoren sein. Die denken doch viel langfristiger – oder etwa nicht?
Romeike: Der Markt wandelt sich. Auch Private-Equity-Investoren halten ihre Beteiligungen heute länger als früher. Der schnelle Exit nach drei bis fünf Jahren wird seltener. Industrie-Holdings agieren zwar mit längeren Zeithorizonten, hier ist das Feld potenzieller Käufer aber bei weitem nicht so groß, wie bei den Finanzinvestoren. Entscheidend ist, was Unternehmerinnen und Unternehmer erreichen möchten. Haben sie Zeitdruck oder möchten einen möglichst hohen Verkaufserlös erzielen, müssen sie ohnehin alle Käufergruppen in Betracht ziehen.
Wie lange begleiten Sie Mandanten in der Nachfolge für gewöhnlich? Ist dieser Prozess jemals abgeschlossen?
Romeike: Der reine Verkaufsprozess – von der Erstellung des Verkaufsprospekts über die Investorensuche bis zum Abschluss – dauert heute 12 bis 18 Monate, insbesondere auch weil die Sicherstellung einer Finanzierung auf Käuferseite länger dauert. Das hat früher nicht so viel Zeit in Anspruch genommen. Für einen ganzheitlichen Prozess empfehle ich einen früheren Start. Wer mit Mitte 60 ausscheiden möchte, sollte bereits mit Mitte 50 ein Gespräch mit einem Ansprechpartner wie uns führen. Das ist das Wunschbild. So bleibt Zeit, sich nochmal strukturell Gedanken zu machen, um etwa die Bilanz aufzuräumen oder eine Holding-Struktur einzuziehen, um die Steuerlast für Fall des Unternehmensverkaufs zu senken.
Selten waren Familienunternehmen thematisch so präsent in einem Bundestagswahlkampf – manchmal werden sie wohl auch bemüht, um die eigene politische Agenda zu untermauern. Aus Ihrer Beratungspraxis: Welche Themen bewegen Unternehmer wirklich?
Romeike: Die Unternehmerinnen und Unternehmer beschäftigt vor allem die zunehmende Regulierung und die allgemeine Wirtschaftsstimmung. Nach Corona-Krise, Russland-Krise und Energiekrise hat sich eine Unternehmer-Müdigkeit breitgemacht. Es wäre sehr wichtig, aus der Bundestagswahl mit ein, zwei Leuchtturmprojekten herauszugehen, die echte Entlastungen bringen – nicht unbedingt finanziell, aber im administrativen und bürokratischen Bereich. Der Mittelstand braucht wieder mehr Luft zum Atmen.
Über den Interviewten:
Dr. Philipp Romeike ist Leiter Externe Unternehmensnachfolge der National-Bank Vermögenstreuhand, dem Multi Family Office der National-Bank Essen. Seit Januar 2025 ist er zudem Generalbevollmächtigter des Unternehmens.