private banking magazin: Inwieweit beeinflusst die langanhaltende Niedrigzinsphase Ihre Beratung?
Wolfgang Stadler: Die derzeitige Marktsituation erfordert einen intensiven Kundendialog, denn Chancen und Risiken sind durch die anhaltenden Eingriffe der Geldpolitik völlig neu zu bewerten. In einer Welt, in der der risikolose Zins abgeschafft ist und sich eine – selbst geringe – Rendite nur noch über Inkaufnahme eines gewissen Risikos erzielen lässt, ist es unabdingbar verstärkt Kasse zu halten, um sich ergebende Chancen effizient zu nutzen.
Dies wird perspektivisch umso wichtiger, sollten sich die Kapitalmärkte in einen Zinserhöhungszyklus begeben. Einer breiten Diversifikation wird in den nächsten Jahren wieder eine besondere Bedeutung zukommen.
Was beschäftigt Ihre Kunden derzeit am meisten?
Thilo Stadler: Die Sorge vor der weiteren Entwicklung in Europa und der Eurozone ist ungebrochen. Viele Kunden fragen sich, ob Griechenland nur die Spitze des Eisbergs darstellt und der Euro bei anhaltenden Krisen in größeren Staaten wie Italien zur Weichwährung wird.
Hieraus leiten sich weitere Fragen ab: Wie lange wird das Niedrigzinsniveau noch anhalten? Wie erfolgreich können die Rentenversicherer noch wirtschaften um spätere Rentenzahlungen zu garantieren? Wird die Schuldenkrise und die in diesem Zuge von den Zentralnotenbanken zur Verfügung gestellte Überliquidität eines Tages doch zur Inflation führen? Und unter dem Strich bleibt die Frage, wie man sein eigenes liquides Vermögen mit Blick auf diese Themen investieren soll.
Welches sind aktuelle Strategie- und Produkttrends?
Wolfgang Stadler: Die Frage nach Produkten und Produkttrends findet unserer Meinung nach, gerade bei Banken, eine zu große Aufmerksamkeit. Die Branche sollte sich viel stärker am Kunden orientieren und jeweils individuelle Betreuungsstrategien ableiten. Die Produkte sollen hierbei das letzte Glied in der Kette sein. Im Übrigen sind die klassischen Anlagevehikel - Aktien und Anleihen – die ältesten, bei den Kunden aber immer noch beliebtesten Instrumente. Bestehenden Inflationssorgen treten wir mit der Empfehlung zu Sachwerten und hier besonders hochqualitativer Aktien entgegen.
Steigt die Bedeutung illiquider Assets wie Kunst oder Wald?
Wolfgang Stadler: Auch hier sind die Bewertungen durch den bestehenden Anlagenotstand in vielen Bereichen bereits sehr hoch. Für große Vermögen sind insbesondere Wald- und Landinvestitionen im Rahmen der Diversifikation erwägenswert. Viele Experten zählen hierzu auch Kunst – gerade das ist aber ein Markt, der sehr illiquide und intransparent ist. Wer Interesse hat sollte hier den Rat von ausgewiesenen Experten suchen, aber sehr große Vorsicht walten lassen.
Wie beurteilen Sie die Rolle von Gold und anderen Edelmetallen?
Thilo Stadler: Für uns sind Edelmetalle keine Glaubensfrage, sondern wir halten eine geringe, strategische Goldquote im Rahmen der Gesamtvermögensallokation für sinnvoll. Jedoch geben wir zu bedenken, dass die Goldinvestition keinen laufenden Ertrag abwirft. Gold oder andere Edelmetalle sind Sachwerte, denen ertragsbringende Sachwerte wie zum Beispiel Aktien bei den Investitionsentscheidungen gegenüberzustellen sind.
Welches sind die größten Herausforderungen, vor denen ein Vermögensverwalter in den nächsten drei bis fünf Jahren steht?
Wolfgang Stadler: Die weitere Entwicklung der internationalen Kapitalmärkte richtig einzuschätzen, insbesondere mit Blick auf die anhaltende expansive Geldpolitik der Zentralbanken, sehen wir als eine große Herausforderung. Der richtigen Einordnung der Relevanz von neuen Informationen kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu.
Durch die neuen Medien und moderne Kommunikationswege sind diese Informationen für die breite Masse der Marktteilnehmer sofort verfügbar. Dies führt zu einer erhöhten Schnelllebigkeit dieser Informationen, aber auch zu vermehrten Über- und Falschreaktionen des Marktes. Heftige Kursreaktionen, die oftmals schon nach wenigen Handelsstunden relativiert werden, sollten häufiger zu beobachten sein. Die Differenzierung, welchen Informationen eine nachhaltige Bedeutung zukommt, wird somit zur Herausforderung.