Roundtable zu Asset Allocation „Es kommt auf das Durchhaltevermögen an“

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Panse: Darauf kann man den Kunden aber vorbereiten. Eins unserer Elemente ist, den Kunden zu zeigen, welche realen Erträge sie mit welcher Allokationsstruktur haben werden. Sie verstehen dann sehr genau, dass man mit Staatsanleihen und Cash in den nächsten zehn Jahren eine 80-prozentige Wahrscheinlichkeit hat, realen Vermögensverlust zu erzielen.

Siegismund: Vermögensanlage hat viel mit Psychologie zu tun. Die Realität zeigt, dass viele Anleger in Stress-Situationen wie 2008 die zuvor einleuchtende Allokation nicht durchhalten. Gerade wenn es für Kunden um deren Altersabsicherung geht, sind viele sehr an schwankungsarmen Anlagen interessiert.

Hinzu kommt, dass manche Anleger noch nicht mal für ihr falsches Anlageverhalten etwas können. Beispielsweise waren Versicherer 2002 und 2003 gezwungen, Aktien zu verkaufen, und haben die nachfolgende Erholungsphase verpasst. Die Kunden sind dann Opfer von Regulierungsvorgaben.

Panse: Ein Zustand, den ich absolut unbegreiflich finde. Die Regulierungsvorgaben werden von den betroffenen Investoren akzeptiert, ohne dass große Gegenwehr zu erkennen wäre. Nehmen Sie die Altersvorsorge: Von der Anlagelogik her dürften dafür vor allem Aktien infrage kommen. Auf gar keinen Fall hingegen Rentenpapiere vom eigenen Staat. Bizarr ist doch, dass wir Bürger erstmals in der Geschichte die Regierung selbst wählen dürfen, damit sie unsere Interessen vertritt.

Erstmals aber erlassen diese Regierungen Regeln für die Altersvorsorgetöpfe, die gezielt die breite Bevölkerung benachteiligen. Heutige Staatsanleihen haben eine Bonität, die seit dem Zweiten Weltkrieg noch nie so schlecht war. Diese Papiere dann für die Altersvorsorge zu erlauben, ist absurd. Leider wird es von der breiten Öffentlichkeit nicht wahrgenommen.

Zurück zur SAA. Kann man dem Anlegerverhalten, das wegen seiner Prozyklik in Stressphasen des Kapitalmarkts falsch ist, nicht in der SAA irgendwie begegnen?

Siegismund: Es braucht ausgleichende Bausteine im Portfolio. Das müssen nicht die vermeintlich risikolosen Staatsanleihen sein. Zum Beispiel gibt es Absolute-Return-Produkte, die marktneutrale Strategien verfolgen. Gänzlich ohne Anleihen wird es aber nicht gehen. Ziel ist, durch intelligente Diversifikation die Ertragsstabilität des Gesamtportfolios zu erhöhen.

Schütze: Ich muss hier mal eine Lanze für Anleihe-Investments brechen. Wir Europäer sind da momentan sehr pessimistisch. Die Fed-Präsidentin Janet Yellen hat jüngst gezeigt, wie man sich langsam wieder von einer lockeren Geldpolitik löst. Die US-Zinskurve sieht im Vergleich zur europäischen um einiges besser aus.

Nimmt man den Dollar-Wechselkurs raus, würde das Zinsniveau für eine Pensionskasse schon nahezu ausreichen. Mit ein wenig Fantasie haben wir in fünf Jahren ein anderes Zinsniveau. Und dann sieht auch unsere europäische Welt ganz anders aus.

Nun können fünf Jahre ein schmerzlich langer Zeitraum sein, wenn die Anleihekurse fallen.

Schütze: Es gibt aber in vielen Portfolios Anleihe-Bestände, die noch ergiebig rentieren. Nehmen Sie ältere zehnjährige Staatsanleihen, die immer noch laufen. Da ist die laufende Rendite meint gar nicht so niedrig, wie sie sich anfühlt. Etwas anderes wäre, wenn man die gleichen Papiere heute ins Portfolio kaufen würde.

Stattdessen weichen viele Investoren doch bei der Wiederanlage aus, indem sie länger laufende Anleihen zeichnen oder die Spread-Achse hochgehen. Man sieht also eine Ausweichbewegung, aber keine extreme Änderung der SAA.

Kleis: Man darf auch nicht vergessen, dass Investoren wie Pensionskassen und Versorgungswerke häufig nicht innerhalb der Laufzeit mit einem Rentenpapier handeln. Stattdessen kauft man einen Bond und streicht den Kupon bis zur Fälligkeit ein. Im Durchschnitt erzielt man so nach wie vor eine auskömmliche Rendite.

Erwarten uns 2016 mehrere Zinssteigerung von Frau Yellen?

Siegismund: Zunächst mal war die erste Zinssteigerung im Dezember vergangenen Jahres ein wichtiges Symbol. Viele glauben ja nicht mehr, dass die Zinsen, teilweise aus Gründen der Staatsschuldenfinanzierung, überhaupt noch steigen können. Insofern hat Frau Yellen zunächst mal ein Ausrufezeichen gesetzt. Ob wir deshalb zu einem Zinsniveau zurückkehren, das auskömmlich für die meisten Anleger ist, mag ich bezweifeln.

Kleis: Die Erwartung ist ganz klar, dass es bei der Zinserhöhung im Dezember nicht bleiben wird. Zwar wird Frau Yellen die Zinsen nicht mit jeder der Fed-Sitzungen wie ihr Vorgänger Alan Greenspan in den 1990ern erhöhen. Es gibt aber schon die Erwartung des Markts, dass es nicht zwei Jahre bis zur nächsten Steigerung dauert, wenn die Fed erst mal in den Zinserhöhungszyklus einsteigt.

Ob wir am Ende bei einem Zinsniveau von 1,5 oder 2,0 Prozent landen, muss man abwarten. Das wird vor allem auch abhängig von Wirtschaftsdaten sein. Zunächst mal wird die Zinskurve in den USA am vorderen Ende steigen. Spannend wird sein, inwiefern das lange Ende diese Entwicklung mitmachen wird.

Herr Panse, Sie schweigen zum Thema Staatsanleihen.

Panse: Wir bei HQ Trust investieren mit unseren Kunden nicht mehr in Staatsanleihen. Analysiert man die Vergangenheit, zeigt sich, dass in keinem 30-Jahres-Zeitraum seit dem 19. Jahrhundert Aktien schlechter performt haben als Staatsanleihen. Allein deswegen ist ein Investment in Letztere absurd.

Auch lohnt ein Blick auf die Staatsschuldenquote eines Landes. In den USA beispielsweise besteht seit 1945 eine ganz klar negative Korrelation zwischen Staatsverschuldung und Zinssatz. Ist Erstere hoch, werden mit aller Macht und regulatorischen Kniffen die Zinsen niedrig gehalten. Liegt wie in den 1980ern die Schuldenquote bei lediglich 30 Prozent, sind auch schon mal zweistellige Zinsen möglich.

Das gilt ähnlich für jedes andere Land. Japan ist mit einer Gesamtverschuldung von Staat, Haushalten und Unternehmen von rund 640 Prozent derzeit der größte Schuldner – und damit nicht mehr zu retten. Die Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen liegen jedoch nur bei 0,3 Prozent.

Es folgen Europa mit rund 450 Prozent Schuldenquote und einem Zinsniveau von einem Prozent, die Amerikaner mit 350 und 2,0 Prozent sowie die Chinesen mit der vergleichsweise niedrigen Gesamtverschuldung von 250 Prozent und einem Zins für zehnjährige Staatspapiere von 3,0 Prozent. Worauf ich hinaus will, ist, dass die Staaten die Zinssätze gezielt manipulieren können.

Die Gewichtung der Staatsanleihen im Portfolio sollten Anleger also mitunter überdenken.

Kleis: Das Gebot der Stunde heißt Diversifikation. Die vergangenen 30 Jahre war die Anlagestrategie vergleichsweise einfach. Man hat beispielsweise in zehnjährige Staatsanleihen investiert und 10 Prozent Aktien beigemischt. Das versprach eine ausreichende Rendite, und man konnte eine gute Risikobalance herstellen.

Im Rückspiegel betrachtet war das relativ einfach. Künftig wirft der Fixed-Income-Anteil nahezu keinen Ertrag ab. Anleger müssen sich in dieser Situation fragen, ob und wie viel mehr Risiko sie nehmen wollen.

Lähn: Alle Welt spricht immer von zu niedrigen Zinsen. Vielleicht befinden wir uns am Zinsmarkt schlichtweg in einer neuen Normalität. Vielleicht ist ein 1,5-prozentiger Kupon etwas, worüber wir uns später noch mal freuen. Was wir derzeit massiv erleben, ist eine Vermögenspreisinflation, beispielsweise am Immobilienmarkt.

Wer hätte früher für das 35-fache der Jahresnettokaltmiete eine Immobilie in München gekauft? Von London brauchen wir nicht einmal zu sprechen. Das ist aus historischer Investmentsicht alles sehr teuer. Wenn Vermögenspreise sich ändern, ergeben sich auch neue Verhältnisse zwischen den Anlageklassen.

So hat sich insbesondere am Rentenmarkt das Chance-Risiko-Profil verschoben. Vielleicht liegt künftig die Relation zwischen Renten- und Aktienmarkt bei einer Rendite von einem und 5 Prozent. Das hat, und das ist entscheidend, auch Folgen für die Diversifikation.

Was ist dann die Alternative unter den Investments?

Kleis: Einfach höher verzinsliche Unternehmensanleihen zu kaufen ist schwierig, da diese stärker mit den Aktienmärkten korrelieren. Alternativ setzt man auf illiquide Anlagen wie Private Equity oder auf ein größeres Alpha. Dann reden wir über Hedgefonds oder Absolute-Return-Strategien. Das sind momentan die großen Trends, die wir am Markt erkennen.