Folgen für die Finanzmärkte Stimmen zum gescheiterten Referendum in Italien


Prof. Achim Wambach, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim:

„Durch das Schielen auf die Verfassungsreform als Allheilmittel wurde wertvolle Zeit verloren. Die italienischen Wählerinnen und Wähler haben die von Matteo Renzi eingebrachte Verfassungsreform abgelehnt. Diese Ablehnung als Reformunwilligkeit zu interpretieren, ist nicht gerechtfertigt.

Dafür waren die Vorschläge in der Sache zu umstritten. Um das angeschlagene Land wieder auf einen Wachstumspfad zu bringen, bedarf es allerdings wirtschaftlicher Reformen in der öffentlichen Verwaltung, dem Gerichtswesen sowie der Arbeitsmärkte. Durch das fast zweijährige Schielen auf die Verfassungsreform als Allheilmittel wurde wertvolle Zeit verloren.“


Kommentar der Feri Gruppe:

Während Österreich mit der Wahl des ehemaligen Grünen-Chefs Alexander Van der Bellen zum Präsidenten noch den „Sieg der Vernunft“ feiert, haben in Italien die Populisten wie erwartet gewonnen: Die Wähler lehnten die Verfassungsreform von Ministerpräsident Renzi mit deutlicher Mehrheit ab.

„Die Märkte werden diesen Ausgang verschmerzen. Sie haben aus den politischen Wendungen, die das Jahr 2016 bislang brachte, gelernt“, sagt Heinz-Werner Rapp, Vorstand und Investmentchef von Feri. Das negative Italien-Votum sei schon im Vorfeld antizipiert und quasi „eingepreist“ gewesen: Aktienmarkt und Staatsanleihen zeigten in den vergangenen Wochen ausgeprägte Schwächen, die Risiko-Spreads seien bereits seit August deutlich angestiegen, und auch der Euro habe zuletzt deutlich abgewertet.

Feri rechnet deshalb damit, dass negative Marktreaktionen nach dem Italien-Referendum nur kurzfristig anhalten und nicht sehr stark ausfallen werden. Danach könnten Gegenbewegungen und sogar leichte Markterholungen eintreten, da im Vorfeld bereits umfangreiche Leerverkäufe gegen Italien getätigt wurden. „Jetzt werden diese Positionen wieder eingedeckt, was den Euro und italienische Staatsanleihen kurzfristig stabilisieren dürfte“, sagt Rapp.

Während der Brexit für die Finanzmärkte noch völlig überraschend kam und zunächst zu starken Verwerfungen führte, trat nach dem Wahlsieg von Donald Trump der allgemein erwartete Absturz der Märkte erst gar nicht ein. „Das Reaktionsmuster der Kapitalmärkte hat sich grundlegend gewandelt“, so Rapp.

Was die Märkte jedoch längerfristig beschäftigen dürfte, ist die Frage, wie es in Italien nach dem Referendum weiter geht. Die wirtschaftliche Lage ist schlecht, und vielfach herrschen Wut und Perspektivlosigkeit. Ein Vormarsch EU-kritischer Kräfte ist vorprogrammiert, und Italien könnte politisch zerfallen.

„Genau wie andere Teile Europas bewegt sich Italien auf einem gefährlichen Pfad, der den Zerfall des Euro immer wahrscheinlicher macht“, sagt Rapp. Strategische Investoren sollten dieses Szenario bereits heute ernst nehmen und sich entsprechend vorbereiten.

Die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) kommentiert:

Was man nach den Prognosen erwarten konnte, ist eingetreten: Italiens Wähler haben den Vorschlag der Regierung zur Reform der Verfassung des Landes mit etwa 59 Prozent zu 41 Prozent abgelehnt. Die Wahlbeteiligung lag bei fast 70 Prozent. Die Reform hätte die Befugnisse Regionen verringert und im Zwei-Kammer-System dem Senat weniger Einfluss gegeben, so dass die Gesetzgebung vereinfacht worden wäre.

Insgesamt wäre dadurch die Zentrale des Landes gestärkt worden. Die Wähler haben diesen Vorschlag abgelehnt. Ministerpräsident Renzi hat nun seinen Rücktritt angekündigt. Wer die Regierung künftig führen wird, ist zur Stunde offen. Möglich ist eine Übergangsregierung ebenso wie eine Auflösung des Parlaments und Neuwahlen. Das Wort hat nun sozusagen Staatspräsident Mattaralla.

Der Rentenmarkt hat zwar mit einer Ausweitung der Spreads und entsprechenden Kursverlusten italienischer Staatsanleihen reagiert, aber insgesamt fiel die Bewegung moderat aus, weil das Ergebnis keineswegs überraschend kam, sondern sich in den letzten Wochen bereits abzeichnete. Die wesentliche Kursbewegung hat hier bereits stattgefunden. Der Euro, seit der Wahl von Donald Trump ohnehin unter Druck, hatte zwar im asiatischen Handel etwas verloren, nachdem erste Ergebnisse bekannt wurden, doch per Saldo hat sich gegenüber dem Ende der Vorwoche wenig getan. Zum US-Dollar pendelt die Einheitswährung um die 1,06 Euro.