ANZEIGE

Flossbach von Storch zu Fixed Income „Die Lage in Deutschland ist herausfordernder als gedacht“

Sven Langenhan, Portfolio Director Fixed Income bei Flossbach von Storch: „Im aktuellen Umfeld braucht man sehr gute Analysten, die jeden Schuldner sehr genau analysieren, um Chancen und Risiken sauber abwägen zu können.“

Sven Langenhan, Portfolio Director Fixed Income bei Flossbach von Storch: „Im aktuellen Umfeld braucht man sehr gute Analysten, die jeden Schuldner sehr genau analysieren, um Chancen und Risiken sauber abwägen zu können.“ Foto: Flossbach von Storch

Herr Langenhan, die Staaten kündigen im Zuge der Corona-Krise milliardenschwere Hilfsprogramme an. Was bedeutet das für den Anleihemarkt?

Sven Langenhan: Viele der angekündigten Maßnahmen sind bislang noch nicht finanziert. Bei der Emissionstätigkeit der Staaten ist also noch einiges zu erwarten. Bislang haben sie vereinzelt zumindest weniger Anleihen aufgelegt, als aufgrund der Höhe der Maßnahmen zu erwarten wäre. Oder anders ausgedrückt: Da steht noch viel Refinanzierungsarbeit an.

Betrifft das vor allem die südeuropäischen Staaten, die stark von der Krise betroffen und zudem bereits relativ hoch verschuldet sind?

Langenhan: Nein, nur bedingt: Spanien hat beispielsweise schon etwas mehr als die Hälfte des Refinanzierungsbedarfs für 2020, inklusive der aktuell geplanten zusätzlichen Corona-Ausgaben, durchfinanziert. Portugal sogar schon rund 60 Prozent. Das bedeutet, es wurden Staatsanleihen in entsprechender Höhe aufgestockt oder neu aufgelegt. Bei Italien sind es hingegen erst 29 Prozent der angekündigten Programme, die zudem bisher noch vergleichsweise verhalten ausgefallen sind und somit voraussichtlich nicht ausreichen werden, um die Folgen der Pandemie abzufedern.

Ist das ein Problem?

Langenhan: Ein Problem ja, aber aktuell scheint es zumindest nicht unlösbar. Denn hier steht die Europäische Zentralbank (EZB) bereit und verfügt aktuell noch über ausreichend Mittel, um an den Stellen zu unterstützen, wo der freie Markt nicht so funktioniert, wie politisch gewünscht oder für ein Überleben der Eurozone notwendig wäre.

Und was ist mit Deutschland? Hierzulande sollen zur Finanzierung der Corona-Hilfsmaßnahmen nach aktuellem Stand gut 160 Milliarden Euro zusätzliche Schulden aufgenommen werden, die Staatsgarantien nicht eingerechnet.

Langenhan: Bei Deutschland sehen wir die Lage zumindest als herausfordernder an als manch einer aufgrund der insgesamt deutlich solideren Ausgangslage im ersten Moment meinen könnte. Erst knapp 21 Prozent des aktuell zu erwartenden gesamten Refinanzierungsbedarfs sind gedeckt. Zur Deckung des zusätzlichen „Corona-Bedarfs“ wurden bisher noch nicht allzu viele neue Anleihen aufgelegt, sondern vor allem bestehende Emissionen aufgestockt, wovon die Deutsche Finanzagentur einen großen Teil in die eigenen Bücher genommen hat. Die nach wie vor zu beobachtende Knappheitsprämie bei deutschen Bundesanleihen könnte somit in naher Zukunft durchaus abschmelzen.

Das würde bedeuten: Der Druck auf die Kurse deutscher Staatsanleihen steigt?

Langenhan: Ganz genau. Denn das zusätzliche Angebot muss auch bei den mit bester Bonität ausgestatteten Bundesanleihen erst einmal verdaut werden. Hier stellt sich die Frage, wie viel und in welchem Zeitraum angesichts der nach wie vor bestehenden Negativrenditen tatsächlich platziert werden kann. Das könnte auf Sicht zu einem gewissen Aufwärtsdruck bei den Zinsen sowohl für Neuemissionen und damit letztlich auch zu sinkenden Kursen bei bestehenden Anleihen führen. Dieser Effekt gilt aber nicht nur für Deutschland und den Euroraum.

Wie meinen Sie das?

Langenhan: Schauen wir einmal in die Vereinigten Staaten. Dort werden unsere bereits gigantisch wirkenden Zahlen ruck-zuck in den Schatten gestellt: Die USA haben im zweiten Quartal einen zusätzlichen Finanzbedarf von drei Billionen US-Dollar. Ausgeschrieben sind das: 3.000.000.000.000 US-Dollar, also eine drei mit nachgezählten zwölf Nullen dahinter. Auch hier erscheint es unter dem Strich nicht ganz so einfach, die angekündigten Hilfen marktschonend zu platzieren. Wobei die Ausgangssituation dort etwas einfacher erscheint, weil die USA über eine Zentralbank für einen tatsächlich gemeinsamen Währungs- und Wirtschaftsraum verfügen.