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Flossbach von Storch Wie Europas Staaten bei ihren Anleihen tricksen

Bundesfinanzministerium in Berlin: Mit versteckten Zahlenspielereien fließen hohe Emissionsgewinne aus Anleihen in den aktuellen Staatshaushalt – zulasten kommender Generationen.

Bundesfinanzministerium in Berlin: Mit versteckten Zahlenspielereien fließen hohe Emissionsgewinne aus Anleihen in den aktuellen Staatshaushalt – zulasten kommender Generationen. Foto: BMF/Hendel

Man kann es den europäischen Finanzministern nicht verübeln, dass sie die immensen Zinsersparnisse durch die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank dankend annehmen. Allerdings werden dabei auch Einnahmen verfrühstückt, die eigentlich künftigen Steuerzahlern zustehen. Diese zeitversetzte Umverteilung – die Alten kassieren, die Jungen zahlen – würde man bei Unternehmen als Bilanztrick bezeichnen, mit dem die aktuelle Ertragslage zu Lasten zukünftiger Perioden geschönt wird.

So funktioniert der Trick

Und so funktioniert der Milliardentrick: Wenn eine Anleihe mit einem Kupon von null begeben wird, die Marktrendite aber unter null liegt, erfolgt die Ausgabe zwangsläufig zu einem Kurs, der über 100 Prozent des Nennwertes liegt (über pari), also beispielsweise zu 104 bei einer fünfjährigen Anleihe mit einer Emissionsrendite von minus 0,8 Prozent. Am Ende der Laufzeit muss aber nur der Nominalwert von 100 zurückgezahlt werden. Die Differenz von vier Prozent verbucht der Finanzminister als Gewinn für den Bund. Dieser fließt umgehend in den aktuellen Haushalt ein. Seit 2013 hat die Bundesrepublik auf diese Weise Emissionsgewinne von insgesamt rund 25 Milliarden Euro eingestrichen. Allein 2019 werden es voraussichtlich 7,5 Milliarden Euro sein.

Fader Beigeschmack

Bei kurzlaufenden Anleihen sind die Auswirkungen überschaubar. Wenn aber Langläufer, die bereits vor Jahren mit vergleichsweise hohen Kupons emittiert wurden, zu Kursen weit über pari aufgestockt werden und der damit verbundene hohe Emissionsgewinn in den aktuellen Staatshaushalt fließt, bekommt die Sache einen faden Beigeschmack.

Vorgehen nicht generationengerecht

Ein besonders krasses Beispiel: Die Aufstockung einer ursprünglich 2014 emittierten 30-jährigen Anleihe, die noch über einen üppigen Kupon von 2,5 Prozent verfügt. Als die Anleihe am 19. Juni aufgestockt wurde, lag die Rendite bei nur 0,26 Prozent. Der Kurs war mit 158,8 entsprechend hoch. Dem Bund flossen bei einem Aufstockungsvolumen von einer Milliarde Euro also 1,588 Milliarden Euro zu. Den daraus resultierenden Emissionsgewinn von 588 Millionen Euro konnte der Bundesfinanzminister sofort im laufenden Haushalt verbuchen. Im Gegenzug müssen die Steuerzahler allerdings 27 Jahre lang den relativ hohen Zinskupon von 2,5 Prozent zahlen. Das ist zwar nicht ungesetzlich, aber nicht gerade generationengerecht. Stattdessen müsste der Emissionsgewinn in eine Rücklage fließen und bis 2046 in 27 Jahresraten von jeweils 21,8 Millionen Euro zugunsten zukünftiger Haushalte und Steuerzahler aufgelöst werden.

In vielen Euro-Ländern beliebt

Dieser Trick ist auch in anderen Ländern der Eurozone beliebt. So stockte Spanien im September eine bis 2066 laufende Anleihe mit einem stattlichen Kupon von 3,45 Prozent zu einem Kurs von 168 auf und kassierte so einen Emissionsgewinn von 675 Millionen Euro. Italien erzielte mit der Aufstockung einer zu 3,85 Prozent verzinsten 30-jährigen Anleihe einen Emissionsgewinn von 603 Millionen Euro, der ebenfalls direkt in den aktuellen Staatshaushalt fließt und dafür einer ganzen Generation den unnötig hohen Zinskupon aufbürdet.

Und das Spiel geht weiter. Ungeachtet ausstehender Nullkuponanleihen hat die Bundesrepublik am 16. Oktober eine mit 1,25 Prozent verzinste 30-jährige Anleihe um eine weitere Milliarde aufgestockt. Der Kurs lag bei 133, was dem Finanzminister einen weiteren Gewinn von 330 Millionen Euro in den Haushalt gespült hat. Auch im Interesse unserer Kinder bleibt zu hoffen, dass eine generationengerechte Verbuchung der Emissionsgewinne, wie bereits in einigen EU-Ländern der Fall, auch bei uns Einzug hält.

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