Flossbach von Storch Research Institute Wie eine gerechte Erbschaftssteuerreform aussähe

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Was kann und soll der Staat leisten?

Zieht man aber zur Beurteilung dieser Erbschaftssteuerregel die Rechts- und Moralphilosophie von Immanuel Kant heran, dann ist diese Erbschaftssteuerregel gerecht. Nach Kant ist das „angeborne Recht des Menschen … nur ein einziges: Freiheit (Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür), sofern sie mit jedes anderen Freiheit nach einem allgemeinen Gesetz zusammen bestehen kann, ist dieses einzige, ursprüngliche, jedem Menschen kraft seiner Menschheit zustehende Recht.“

Das Recht ist deshalb der Inbegriff der Bedingungen, unter denen der Wille des einen Menschen mit dem Willen des anderen Menschen unter einem allgemeinen Gesetze der Freiheit nebeneinander bestehen kann.

Der Staat hat zwar die Befugnis zur Anwendung von Zwang, um eine Verfassung von der größten Freiheit zwischen Menschen zu errichten und zu sichern, nicht jedoch zur Errichtung einer Verfassung von der größten Glückseligkeit und Wohlfahrt. Der Staat darf keine Glücks- und Wohlfahrtsvorstellungen per Gesetz – und das heißt per Zwang – durchsetzen oder fördern. Der Staat hat lediglich dafür zu sorgen, dass die Glücks- und Wohlfahrtsvorstellungen der Menschen nebeneinander bestehen können.

Glücks- und Wohlfahrtsvorstellungen sind ausschließlich individuelle Lebensführungsprogramme. Kein Mensch, keine Gruppe, keine noch so demokratisch gewählte Mehrheit und auch kein Staat haben deshalb das Recht, Menschen zu zwingen, auf eine bestimmte Art und Weise glücklich zu sein.

Jeder Mensch hat das Recht, auf seine Art nach Glück zu streben. Das heißt, dass der Staat auch nicht das Recht hat, die Gesellschaft auf bestimmte Förderziele zu verpflichten.

Kompromisse führen zur Ungerechtigkeit

Die betrachtete Erbschaftssteuerregel ist entsprechend dieses rechts- und moralphilosophischen Beurteilungsmaßstabes gerecht. Sie enthält keine Beurteilungen des Lebensstils und der Entscheidungen der Erblasser, also keine Glücks- und Wohlfahrtsvorstellungen. Sie unterscheidet aus Gerechtigkeitsgründen nicht zwischen unterschiedlichen Vermögensgegenständen oder Verwendungsweisen.

Auch werden die Folgen nicht beurteilt. Diese sind der materielle Ausfluss der freien Entscheidungen der Menschen, die Folge des Willens und der Freiheit der Individuen.

Natürlich ist diese Erbschaftssteuerregel nicht die einzige mögliche Regel, um die von Immanuel Kant formulierten Bedingungen zu erfüllen. Es wäre mit der Gerechtigkeit auch vereinbar, überhaupt keine Erbschaftssteuer zu erheben. Die Gerechtigkeit erfordert lediglich, entweder alle Vermögensgegenstände im Erbfall gleich zu besteuern oder keinen. Tertium non datur! Kompromisse und Zwischenlösungen führen zur Ungerechtigkeit.

Sollte also keine Gleichbehandlung bei der Regelung der Erbschaftssteuer erreicht werden können, muss die Erbschaftssteuer abgeschafft werden.


Über den Autor:
Norbert F. Tofall arbeitet seit 2014 als Senior Research Analyst für das Flossbach von Storch Research Institute in Köln. Von 2004 bis 2011 war er Lehrbeauftragter der Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder im Studiengang „Master im Internationalen Management” in Minsk (Belarus) und hat von 2008 bis 2013 als wissenschaftlicher Mitarbeiter für den FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler gearbeitet.

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