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Flossbach von Storch Research Institute Wie die Große Depression erst richtig groß wurde

Marius Kleinheyer, Research Analyst beim Flossbach von Storch Research Institute

Die Große Depression in den USA zwischen 1929 und 1935 hat unsere Vorstellungen von Aktiencrash und Wirtschaftskrise stark geprägt. Landläufig heißt es, die Große Depression sei durch eine zu liberale Gesellschafts- und Finanzordnung entstanden. Weitreichende Interventionen des Staates und der Zentralbank, besser bekannt als „New Deal“, wären nötig gewesen, um die USA wieder zu stabilisieren. Doch weit gefehlt, argumentiert Marius Kleinheyer vom Flossbach von Storch Research Institute in einer aktuellen Studie. Das Gegenteil der traditionellen Lesart sei richtig: Die Interventionen von Staat und Zentralbank machten die Große Depression zunächst erst richtig groß.

Kreditboom in den 1920er Jahren

Im Ersten Weltkrieg wurde die US-Wirtschaft von einem relativ weitreichenden marktwirtschaftlichen System auf Kriegswirtschaft umgestellt. Enorme Produktivitätszuwächse waren die Folge. Durch den gewonnenen Krieg stiegen die USA zum größten Gläubiger der Welt auf. Obwohl das Preisniveau in der Nachkriegszeit in den USA stabil blieb, erhöhte sich aufgrund eines massiven Kreditbooms die Geldmenge und führte zu Verwerfungen in der Produktionsstruktur. Während die Stahl- und Eisenproduktion zwischen 1921 und 1929 um rund 160 Prozent anstieg, wuchs die Produktion von Konsumgütern nur um 60 Prozent. Auch die Löhne stiegen in der Kapitalgüterproduktion stärker: Stahl- und Eisenunternehmen hoben die Löhne zwischen 1921 und 1929 um 25 Prozent an, in der Lebensmittelbranche hingegen stiegen sie nur um 3 Prozent. An der Landwirtschaft ging der Boom vorbei.

Eng mit der Großen Depression ist Herbert C. Hoover, 31. US-Präsident, verbunden. „Gemäß der vorherrschenden Historikermeinung ist seine Laissez-faire-Politik für das Ausmaß der Krise verantwortlich. Nach dem Börsencrash im Oktober 1929 habe er fatalerweise auf die Korrekturmechanismen des freien Marktes vertraut. Aber erst der ,New Deal‘ unter Franklin D. Roosevelt hätte schließlich den Weg aus der Krise gewiesen“, erinnert Marius Kleinheyer.

Doch der genaue Blick zeigt, dass die historische Überlieferung trügt: Anstatt nach dem Börsencrash und der einsetzenden Wirtschaftskrise die Anpassung der teils zuvor stark gestiegenen Löhne und Preise sowie die Liquidierung von Unternehmen geschehen zu lassen – und gleichzeitig mit einer drastischen Verringerung von Steuersätzen und Haushaltsausgaben gegenzusteuern, so wie es echte Laissez-faire-Politik verlangt –  verlegte sich Hoover auf Interventionismus. Unter dem Druck der Regierung waren Unternehmen aufgefordert, die Löhne stabil zu halten und weiter zu investieren. Von Entlassungen sollte nach Möglichkeit abgesehen werden. Die US-Notenbank senkte die Zinsen und päppelte die angeschlagenen Banken mit Kapital. Die Gouverneure aller US-Bundesstaaten waren angehalten, ihre Investitionstätigkeiten auszudehnen und öffentliche Bauvorhaben durchzuführen.

Um der seit langem darbenden Landwirtschaft zu helfen, wurden bereits vorhandene Schutzzölle weiter erhöht – obwohl sich mehr als 1.250 Ökonomen gegen Zollerhöhungen aussprachen, weil sie dem Markt schaden würden. Ihre Begründung: Die betroffenen Produzenten hätten geringere Anreize, kosteneffizient zu arbeiten. Und vor allem gaben die Volkswirte zu bedenken: Länder, die ihre Produkte nicht in den USA absetzen können, erhalten nicht die notwendigen Devisen, um in den Vereinigten Staaten einkaufen zu können. Wie sollten sie dem größten Gläubiger der Welt dann ihre Schulden zurückzahlen?

Regierungen rund um die Welt protestierten vehement gegen die US-Schutzzölle. Insgesamt 38 Länder richteten offizielle Beschwerden gegen Washington. Nicht nur in der Schweiz und in Italien kam es zum Boykott amerikanischer Produkte.