Flossbach von Storch Research Institute Was bedeutet eigentlich Nachhaltiges Investieren?

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Hierbei sind Investitionen in bestimmte Branchen, bei denen die Geschäftsmodelle der Unternehmen von der Allgemeinheit als unmoralisch angesehen werden, wie etwa die der Waffen- oder Tabakindustrie sowie in Unternehmen, die in der Vergangenheit mit Arbeits- oder Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht wurden, ausgeschlossen. Völlig anders ist die Herangehensweise beim so genannten Best-in-Class-Ansatz, bei dem über alle Branchen hinweg die nach ESG-Scoring besten Unternehmen der jeweiligen Industrie ins Portfolio gelangen, losgelöst von der Frage, ob die Branche an sich mit ökologisch oder ethisch einwandfreiem Handeln in Verbindung gebracht wird.

Diese Vorgehensweise basiert auf der Annahme, dass es aus Praktikabilitätsgründen ohnehin kaum möglich erscheint, ein ausgewogenes Portfolio zu konstruieren, dass ausschließlich Unternehmen enthält, die über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg nachweislich höchsten ESG-Anforderungen genügen. Doch scheint man auch bei Verwendung dieses Ansatzes vor groben Fehlgriffen nicht gefeit, landeten bei so manchem Best-in-Class-Rating Unternehmen wie VW oder BP als Klassenbeste ganz vorn und damit in vielen ESG-Portfolios.

Zielgerichteter erscheint da schon die Positivauslese, wie sie bei den weit weniger verbreiten Nachhaltigen Themenfonds (10 Prozent) zur Anwendung kommt. Hierbei geht es um Investitionen in Branchen und Unternehmen, die sich explizit mit Themen beschäftigen, die von der Allgemeinheit als nachhaltig angesehen werden, wie etwa Solar-, Wasser- oder Windenergie. Die Tabelle enthält eine Kategorisierung der wesentlichen Ansätze nach der Definition des Forums für nachhaltige Geldanlagen (FNG).

Nachhaltigkeitsansätze

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 Quelle: Forum für Nachhaltige Geldanlage, Stand Juli 2018

Natürlich würde niemand dem Prinzip des Brundland-Berichts widersprechen wollen, nicht auf Kosten der künftigen Generationen zu leben. Um dies zu messen, wählt jedoch nicht nur die Finanzindustrie unterschiedliche Herangehensweisen. Auch jedes Individuum hat kulturell, ökonomisch oder gar religiös bedingt eine andere Vorstellung davon, was konkret nachhaltig ist und was nicht. Der Umweltaktivist hat eine andere Präferenzordnung in Bezug auf die ESG-Dimensionen als der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat eines Stahlkonzerns. Wie einwandfrei die CO2-Bilanzen der Unternehmen der Finanzindustrie aussehen, dürfte dem Arbeiter in der südafrikanischen Goldmine ziemlich gleichgültig sein, für ihn wird der Arbeitsschutz die weitaus wichtigere ESG-Komponente sein.

Die Antwort auf die Frage, ob es sich bei der Atomenergie um eine saubere Form der Energiegewinnung handelt, wird zwischen Deutschen und Franzosen höchstunterschiedlich ausfallen. Dass Investments in die Kohleindustrie bei einer ESG-konformen Investitionspolitik zu unterbleiben haben, ist hingegen nicht nur unter Deutschen Konsens, doch wie sieht es eigentlich mit den Banken aus, die diese Industrie finanzieren? Und müssten konsequenterweise nicht auch die meisten Versicherungen aus den Portfolien verschwinden, da sie mitunter auch die Geschäfte vieler nicht nachhaltig handelnder Firmen versichern?