Aus Sicht der EU-Kommission reicht das derzeitige Investitionsvolumen nicht aus, um ein ökologisch nachhaltiges Wirtschaftssystem zu stützen, das dem Klimawandel und der Ressourcenverknappung entgegenwirkt. Die derzeit bestehende Investitionslücke wird auf 180 Milliarden Euro geschätzt. Daher hat die EU-Kommission am 2. März 2018 ihren Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzwesen vorgestellt. Ende Mai wurden auf dessen Basis erste Gesetzgebungsvorschläge veröffentlicht. Zentrales Ziel des Aktionsplans ist es, Kapitalströme vermehrt in nachhaltige Investitionen zu lenken, um hierdurch einen Beitrag zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens sowie der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen zu leisten.
Die ersten Legislativvorschläge auf Basis des Aktionsplans adressieren vier Kernpunkte:
- Einheitliches EU-Klassifikationssystem („Taxonomie“)
Die EU-Kommission möchte harmonisierte Kriterien erarbeiten, anhand derer sich beurteilen lässt, welche wirtschaftlichen Tätigkeiten als ökologisch nachhaltig angesehen werden.
- Investorenpflichten
Die Verordnung gibt vor, wie institutionelle Anleger Nachhaltigkeitsfaktoren in ihren Investitionsentscheidungsprozessen berücksichtigen sollten. Zudem müssten Vermögensverwalter und institutionelle Anleger künftig nachweisen, inwieweit ihre Investitionen an Nachhaltigkeitszielen ausgerichtet sind und offenlegen, in welcher Weise sie diesen Pflichten nachkommen.
- Referenzwerte für geringe CO2-Emissionen
Anleger sollen künftig besser über den CO2-Fußabdruck von Unternehmen und ihrer Investitionsportfolios informiert werden, um ihr Engagement mit Referenzwerten vergleichen zu können.
- Bessere Kundenberatung in Sachen Nachhaltigkeit
Die Beratung von Privatkunden durch Wertpapierfirmen und Versicherungsvertreiber hinsichtlich der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten soll gestärkt werden. Bei der Prüfung, ob ein Anlageprodukt den Kundenbedürfnisse entspricht, sollten Nachhaltigkeitspräferenzen berücksichtigt werden.
Der Maßnahmenkatalog verdeutlicht, dass es nach wie vor keine einheitliche Auffassung darüber gibt, was genau unter dem Begriff der Nachhaltigkeit und des nachhaltigen Handelns und Investierens eigentlich zu verstehen ist. Dies offenbarte auch jüngst eine Anfrage der FDP-Fraktion im deutschen Bundestag: Ob die Bundesregierung der Auffassung sei, dass es sich bei den sogenannten ESG-Kriterien derzeit um subjektiv unterschiedlich beurteilte Ziele von Marktteilnehmern, Verbrauchern und Regulierungsinstitutionen handele und nicht klar sei, was überhaupt unter nachhaltigen Finanzen zu verstehen se? In der Antwort war zu lesen, dass es in der Tat keine einheitliche, zentral festgelegte und klare Definition für nachhaltige Finanzen im Finanzsystem gebe.
Diesen Umstand wolle die EU-Kommission nun gemäß dem Aktionsplan durch eine Taxonomie ändern. Die EU-Kommission ist, was das Erreichen dieses Ziels angeht, durchaus optimistisch, will sie doch einen Kriterienkatalog entwickeln, anhand dessen bestimmt werden kann, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit ökologisch nachhaltig ist – oder eben nicht. Die Bundesregierung gibt jedoch einschränkend zu bedenken, dass es „in der Natur der Sache [läge], dass die Beteiligten aus ihrer jeweiligen Interessenlage heraus in der Beurteilung der Sachverhalte nicht immer übereinstimmten“. Kurzum, was genau als nachhaltige Investition zu betrachten ist, ist alles andere als klar, weil höchst subjektiv.
So ist auch zu verstehen, dass die Bundesregierung keine Kriterien für „nachhaltige Finanzen“ erstellt, die etwa eine schematische Auflistung von entsprechenden Anlagen und Investitionen ermöglichen würde. Da es bislang kein umfassendes und allgemein anerkanntes Indikatoren-Set zur Messung von Nachhaltigkeit gibt, müsse man stets den konkreten Sachverhalt betrachten. Hier gibt es also offenbar grundsätzlich unterschiedliche Auffassungen über die Möglichkeit oder Sinnhaftigkeit einer angestrebten Harmonisierung der Kriterien.