Warum der Schritt nach Deutschland?
Florence Schnydrig Moser: Wir haben schon länger deutsche Kunden. Und tatsächlich ist Deutschland für uns – wie auch bei anderen Banken – ein wichtiger Markt im Auslandsgeschäft. Was sich ändert, ist ja eigentlich nur: Wir können nun aktiv in Deutschland tätig werden. Ansonsten arbeitet immer noch das gleiche Team aus Zürich heraus.
Wieso dann der Aufwand für die vereinfachte Freistellung?
Schnydrig Moser: Weil wir vorher eher ein reaktives Geschäft betreiben mussten. Bei unseren Reisen waren wir regulatorisch sehr eingeschränkt. Nun können wir Veranstaltungen organisieren, Kunden einladen, die Marke der Zürcher Kantonalbank in Deutschland platzieren.
Reicht das aus, um am deutschen Markt zu bestehen?
Schnydrig Moser: Konkurrenz haben wir natürlich auch in der Schweiz. Der Zürcher Bankenplatz ist hart umkämpft, auch von ausländischen Banken, deswegen sind wir den Wettbewerb gewissermaßen gewöhnt. In Deutschland können wir damit punkten, dass wir eine der sichersten und stabilsten Banken der Welt sind, eine gewisse Historie und Langfristigkeit ausstrahlen. Wir gehören dem Kanton Zürich und sind nicht börsennotiert. Das in Kombination mit den Möglichkeiten einer Universalbank nimmt die Kundschaft wahr.
Ihre Beschreibung klingt wahrscheinlich nicht zufällig wie der Gegenentwurf zu Banken wie der UBS und der Credit Suisse. Wollen Sie sich auch explizit als Gegenentwurf platzieren?
Schnydrig Moser: Ich würde nicht sagen, dass wir der Gegenentwurf zu den genannten Banken sind. Wir ergänzen sie und bieten eine gewisse Alternative, weil wir inzwischen ebenfalls ein breites Angebot bieten können. Aber klar: Wir haben eine andere Eignerstruktur als börsennotierte Banken. Wir gehören dem Kanton und sind ihm verpflichtet. Deshalb haben wir eine langfristige Strategie und sind extrem risikoavers.
Hat Ihnen die Bankenkrise denn auf Kundenseite geholfen?
Schnydrig Moser: Sagen wir es so: Wir kennen schon seit Jahrzehnten das Phänomen, dass wir in Krisenzeiten und bei schwierigen Märkten mehr Anfragen und Zuflüsse von Kunden haben. Das war immer so und war auch dieses Mal nicht anders.
Welche Kunden sind das – gerade auch in Deutschland?
Schnydrig Moser: Im Fokus steht die Private-Banking-Kundschaft im klassischen Sinne. Das heißt für mich: Vermögen mit einer Größenordnung von einer Million Euro und aufwärts, für den Aufbau einer längerfristigen Kundenbeziehung können wir auch unterhalb dieser Schwelle beginnen. Im deutschen Geschäft funktionieren wir insbesondere als Anlagebank, daher ist es unser Anliegen, die Vermögensstruktur unserer Kunden besser zu gestalten. Kredite für deutsche Kundschaft in Deutschland gewähren wir nicht. Insofern bieten wir maximal das Kreditgeschäft in der Schweiz an, wenn eine Ferienwohnung oder eine Immobilie in der Schweiz finanziert werden soll.
„Es gibt in dem Sinne keine fixe Segmentierung, sondern nur eine im Individualfall rechnerisch vertretbare“
Wie geht die Segmentierung nach oben hin weiter?
Schnydrig Moser: Unser Asset Management kann verschiedene Lösungen bieten. Diese Standarddifferenzierungen verwenden wir immer dann, wenn sie sinnvoll sind. Es gibt in dem Sinne keine fixe Segmentierung, sondern nur eine im Individualfall rechnerisch vertretbare. Bei großer Kundschaft mit zum Beispiel dreistelligen Millionenbeträgen sind wir nach oben hin nicht limitiert. Diese Erfahrung haben wir im Schweizer UHNW-Geschäft gesammelt. Das nutzen wir auch in Deutschland aus.
Nicht nur im UHNW-Geschäft sind illiquide Anlagen wichtiger geworden. Können Sie da mit anderen Banken mithalten?
Schnydrig Moser: In den illiquiden Anlagen sind wir schon limitierter als andere Banken, das stimmt. Aber wir bauen die illiquiden Anlagen im Asset Management aus. Das Gleiche gilt für digitale Assets. Insofern sind wir schon auf die klassisch liquiden Anlagen fokussiert.
Kostet Sie das grenzübergreifende Geschäft Angebote, die Sie in der Schweiz sonst anbieten könnten?
Schnydrig Moser: Den Direktzugang zum Handel können wir nur in der Schweiz gewährleisten, nicht aber im Auslandsgeschäft. Das ist also tatsächlich aktuell ein Unterschied, kann sich aber in der Zukunft ändern.
Problem ist: Die Europäische Union erwägt eine Verschärfung der Regulatorik. Damit könnten die vereinfachte Freistellung und ihr Marktzugang in Deutschland wieder kippen. Haben Sie das im Hinterkopf?
Schnydrig Moser: Sollte sich vom Gesetzgeber etwas ändern, sind wir darauf vorbereitet – im Zweifel kehren wir zu unserem vorherigen Modell eines reaktiven Geschäfts zurück. Wir haben alle Optionen im Visier und verfolgen die Entwicklungen. Wichtig ist, dass wir im Moment eine gute regulatorische Ausgangslage haben. Wir glauben an den Weg der aktiven Marktbearbeitung, sind aber auf alle Eventualitäten vorbereitet.
Sie haben angedeutet, dass vor der vereinfachten Freistellung ein längerer Prozess stand. Was war die Hürde?
Schnydrig Moser: Der Schritt war intern schon lange geplant, solche Projekte brauchen Zeit. Wir mussten uns etwa auf Mifid II umstellen – wie viele andere Banken auch. Das alleine hat schon ein Jahr in Anspruch genommen und ist die Grundvoraussetzung für den Schritt zur aktiven Marktbearbeitung. Deren Beantragung an sich hat nicht überdurchschnittlich lange gedauert.
Stand ein anderes Modell zur Disposition, etwa eine eigene Tochter in Deutschland?
Schnydrig Moser: Es stand nicht zur Debatte, eine Bank in Deutschland zu gründen oder zu kaufen. Als wir in Österreich eine Bank gekauft haben, war das eine andere Zeit und eine andere Ausgangslage. Dahinter standen strategische Überlegungen: Die Bank wollte den Zugang zum europäischen Markt haben. Das hat super funktioniert, unsere österreichische Tochter ist profitabel. Im Moment ist der deutsche Marktzugang via Filiale aber nicht nötig.
Auch nicht in Zukunft?
Schnydrig Moser: Nein, das brauchen wir nicht. Wachstum ist auch durch unsere verstärkte Präsenz in Deutschland möglich. Dafür braucht es kein neues Team, maximal ein paar neue Mitarbeiter, die wir ohnehin wegen unserer Wachstumsbestrebungen in verschiedenen Segmenten suchen. Diese Suche haben wir jetzt beschleunigt.
„Wenn wir überdurchschnittliches Wachstum in Deutschland erzielen, diversifiziert das unsere Ertragsquellen durchaus“
Brauchen diese Mitarbeiter eine explizite Expertise für den deutschen Markt oder können sie auch intern akquiriert werden?
Schnydrig Moser: Beides. Wir haben eine starke Talentschmiede für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, weil wir auch eine Verpflichtung gegenüber dem Zürcher Wirtschaftsraum haben und deswegen jedes Jahr Leute ausbilden. Aus diesem internen Pool für das Schweizer Geschäft wechseln regelmäßig Mitarbeiter ins internationale Geschäft. Wir besetzen offene Stellen aber auch mit Mitarbeitern anderer Banken – die dann schon eine Deutschlandexpertise mitbringen müssen. Wir erwarten, dass sie marktbekannt sind und ein bestehendes Netzwerk in Deutschland haben.
Mit dem Schritt nach Deutschland wollen Sie die „Ertragsquellen diversifizieren“. Aber: Das Geschäft in Deutschland bestand ja schon vorher. Wo kommt also die Diversifizierung her?
Schnydrig Moser: Wir wollen sie noch mehr diversifizieren als zuvor. Wenn wir überdurchschnittliches Wachstum in Deutschland erzielen, diversifiziert das unsere Ertragsquellen durchaus. So können wir uns vom Zinsgeschäft unabhängiger machen. Auf dem Weg dahin sind wir im Vergleich zu anderen Schweizer Kantonalbanken schon sehr weit, wir halten daran fest, um die Ertragsströme des Konzerns weiter zu verteilen.
Kann das Deutschlandgeschäft diese Profitabilität schon leisten?
Schnydrig Moser: Es ist absolut profitabel. Sowohl das Onshore-Geschäft der österreichischen Tochter als auch das Geschäft aus der Schweiz heraus zahlen sich aus. Im internationalen Geschäft ist Deutschland sogar der profitabelste und größte Markt.
Wie viel Basispunkte möchten Sie auf das verwaltete Vermögen verdienen?
Schnydrig Moser: Das lässt sich so nicht pauschal beziffern. Letztendlich definiert der Kunde durch die Wahl seines Servicemodells und durch die Intensität der Interaktion mit seinem Relationship Manager, wieviel er bezahlt. Deshalb geben wir keine fixen Größenordnungen bekannt, da wir zuallererst mit dem Kunden über seine Bedürfnisse und Ziele sprechen wollen. Bei Kunden mit einem niedrigeren sechsstelligen Vermögen können die Fees bei über einem Prozent liegen, bei dreistelligen Millionenbeträgen sind sie deutlich tiefer. Allerdings ist das sehr abhängig von der Situation und dem Betreuungsaufwand eines Mandats. Da arbeiten wir mit individuellen Konditionen.
Die schon angesprochene österreichische Tochter soll ergänzend zum Schweizer Team auftreten. Wie soll das funktionieren?
Schnydrig Moser: Es gibt eine kleine Überschneidung in Süddeutschland. In der Realität liegt der Fokus unserer österreichischen Tochter in Österreich, dazu kommt aus Salzburg heraus die Region um München. Dieses Geschäft fußt auf persönlichen Beziehungen und Empfehlungen. Die Kundschaft weiß in der Regel um beide Möglichkeiten und kann sich entscheiden: entweder für unsere Tochterbank in Österreich oder das Mutterhaus in Zürich. Aus der Schweiz heraus können wir ein etwas breiteres Angebot bieten, während unsere österreichische Tochter sehr auf die diskretionäre Vermögensverwaltung fokussiert ist.
Wie sieht die Zielvorgabe für ihren Deutschlandvorstoß aus?
Schnydrig Moser: Wir haben gut ein Dutzend Veranstaltungen in ganz Deutschland für dieses Jahr geplant, begleiten beispielsweise das Zürcher Kammerorchester als Sponsor bei der Deutschlandtournee. Zudem haben wir das Marketing intensiviert, wollen online sichtbar werden. Im Endeffekt müssen wir aber vor allem unser Erlöswachstum weiter steigern.
Über die Interviewte:
Florence Schnydrig Moser leitet das Private Banking der Zürcher Kantonalbank seit Mai 2021. Schnydrig Moser begann ihre berufliche Laufbahn bei der UBS und arbeitete zwischenzeitlich fast 20 Jahre lang für die Credit Suisse und danach in der Geschäftsführung des Schweizer Kreditkartenanbieters Swisscard. Im Januar 2021 heuerte sie dann bei der Zürcher Kantonalbank an.