Die Märkte für Anleihen sind komplex – besonders für Einsteiger. Wer sich nicht regelmäßig mit festverzinslichen Wertpapieren beschäftigt, kann sich schnell überfordert fühlen. Denn zahlreiche Einflussfaktoren – von wirtschaftlichen Fundamentaldaten über Bewertungen bis hin zu technischen Aspekten – wirken auf ganz unterschiedliche Anlageklassen ein: von Staatsanleihen aus Industrie- und Schwellenländern bis hin zu Unternehmensanleihen mit hoher oder niedriger Bonität (Investment Grade und High Yield). Diese Vielfalt macht den Markt unübersichtlich. Wer sich hier sicher bewegen will, braucht fundiertes Wissen, analytisches Gespür – und vor allem Erfahrung, um Anlagestrategien sinnvoll umzusetzen.
Candriam blickt auf mehr als 25 Jahre erfolgreiche Arbeit im Bereich festverzinslicher Wertpapiere zurück und verwaltet heute ein Volumen von 24 Milliarden Euro. Das Unternehmen stützt sich dabei auf ein erfahrenes Team aus über 40 Investmentprofis und 26 ESG-Analysten. Diese gebündelte Expertise ermöglicht es, frühzeitig Entwicklungen an den Märkten zu erkennen und fundierte Einschätzungen zu geben.
Verschiebungen auf den Kreditmärkten: Wie sich steigende Renditen auf die Anleger auswirken
In den vergangenen Wochen haben sich die Kreditmärkte spürbar verändert – vor allem, weil die Renditen von Staatsanleihen deutlich gestiegen sind. Besonders auffällig war diese Entwicklung in Europa: Dort zogen die Zinsen kräftig an. Ein Grund dafür sind die erwarteten Konjunkturprogramme der deutschen Regierung, ein anderer die wachsende Zahl neuer Staatsanleihen, die auf den Markt kommen.
Dieser Anstieg hat zu einer Zunahme der Mittelzuflüsse in europäische Kredite geführt. Die Ankündigung umfangreicher öffentlicher Ausgaben und die Unterstützung von Schlüsselsektoren haben die Erwartung eines größeren Angebots an Staatsanleihen geweckt und die Renditen in die Höhe getrieben. Für Anleger ergeben sich daraus attraktive Renditechancen. Bei einem Carry-Niveau von 3,4 Prozent für Euro-Investment-Grade-Anleihen (IG) und 5,5 Prozent für Euro-Hochzinsanleihen (HY, Quelle: Candriam, Bloomberg, 20.03.2025) sind die Anleger zunehmend daran interessiert, sich diese Erträge zu sichern.
Darüber hinaus stärkt die Widerstandsfähigkeit der Kreditmärkte in dieser Phase der Renditeausweitung das Vertrauen der Anleger weiter. Es bestehen jedoch nach wie vor Risiken, die sich aus der Volatilität der Märkte und der Unsicherheit auf den globalen Finanzmärkten ergeben.
Grafik: Kreditrenditen bleiben attraktiv


Trügerische Stabilität: Warum Kreditmärkte trotz robuster Fundamentaldaten anfällig bleiben
Trotz dieser Widerstandsfähigkeit der Kreditmärkte angesichts der höheren Renditen ist weiterhin Vorsicht geboten. Die derzeitige Stabilität ist größtenteils auf günstige technische Marktbedingungen zurückzuführen, einschließlich erheblicher Mittelzuflüsse im Bereich Investment-Grade und begrenzter Emissionen im High-Yield-Segment. Diese technischen Faktoren haben bei der Eindämmung der Spread-Volatilität eine entscheidende Rolle gespielt.
Zwar wirken die Kreditmärkte derzeit stabil, doch diese Stabilität ist anfällig. Schon ein Anstieg der Marktvolatilität oder eine Welle negativer Nachrichten könnte Anleger verunsichern und dazu führen, dass sie sich zurückziehen – mit potenziell deutlichen Auswirkungen auf die Risikoprämien (Spreads).
Ein wichtiger Stützpfeiler dieser Stabilität waren bislang die soliden Fundamentaldaten vieler Unternehmen: robuste Bilanzen und niedrige Ausfallraten haben viele Emittenten vor den Folgen wirtschaftlicher Turbulenzen geschützt. Die Ratingagenturen honorierten diese Entwicklung bislang mit mehr positiven als negativen Einstufungen. Besonders erfreulich: Immer mehr Anleihen, die ursprünglich als spekulativ („Junk Bonds“) galten, verbessern sich in ihrer Bonität und könnten bald als Investment-Grade eingestuft werden – diese Aufsteiger nennt man „Rising Stars“.
Konjunkturrisiken und Zölle belasten Kreditmärkte: Fokus auf Qualität wird entscheidend
Doch diese positive Entwicklung könnte ins Wanken geraten, wenn sich das wirtschaftliche Umfeld verschlechtert. Besonders gefährdet sind dabei Branchen, die stark von konjunkturellen Schwankungen oder geopolitischen Spannungen betroffen sind. Die Verhängung von Zöllen durch die Trump-Administration hat zusätzliche Unsicherheit in die globale Wirtschaftslandschaft gebracht. Die Zölle haben direkte Auswirkungen auf die europäische und die globale Wirtschaft, insbesondere auf zyklische Sektoren wie den Einzelhandel und die Automobilindustrie.
Abgesehen von den Wachstumsbedenken stellen die Zölle auch ein Inflationsrisiko dar, was sowohl die Federal Reserve (Fed) als auch die Europäische Zentralbank (EZB) dazu veranlasst hat, ihren politischen Kurs zu überdenken. Die EZB hat vor kurzem einen „Hawkish Cut“ vorgenommen, während sich die Fed dafür entschieden hat, die Geldpolitik beizubehalten. Bleibt die Inflation hartnäckig, könnten die Zinsen länger hoch bleiben, was die Ausfallrisiken für schwächere Kreditnehmer erhöhen und die Refinanzierungsprobleme für Unternehmen mit hohem Fremdkapitalanteil verschärfen könnte. In diesem Umfeld steigen spezifische Risiken, insbesondere bei schwächeren Hochzinsanleihen und anfälligen Crossover-Anleihen; also bei Unternehmensanleihen mit einem Rating zwischen BBB und BB, d.h. nahe der Grenze zwischen Investment-Grade- und High-Yield-Anleihen.
Ein vorsichtiger Investitionsansatz ist in einem solchen Umfeld unerlässlich. Schlüsselindikatoren wie Kapitalflüsse, die Rhetorik der Zentralbanken und die Entwicklungen in der Zollpolitik müssen genau beobachtet werden. Die Anleger sollten sich auf widerstandsfähige Sektoren und hochwertige Emittenten konzentrieren.
Selektivität im Investment-Grade-Segment: Finanztitel und defensive Sektoren können jetzt punkten
Innerhalb des Investment-Grade-Segments stellen Finanztitel eine attraktive Gelegenheit dar, zumal sie von der Versteilerung der Renditekurve profitieren dürften. Wir bevorzugen nationale Champions – Titel mit starker Kapitalisierung, solider Eigenkapitalrendite (ROE) und soliden Zinsdeckungsquoten. Im Bereich der nachrangigen Anleihen halten wir an einer langfristig positiven Einschätzung fest, wobei wir darauf achten, dass die Risikoprämien die damit verbundenen Risiken angemessen kompensieren.
Darüber hinaus sind defensive Sektoren wie Versorger und Telekommunikation aufgrund ihrer stabilen Cashflows und starken Kreditprofile gut positioniert, um Marktschwankungen zu widerstehen. Umgekehrt erfordern konjunktursensitivere Branchen wie Industriewerte und zyklische Konsumgüter einen vorsichtigeren Ansatz.
Hochzinsanleihen: Fokus auf qualitativ hochwertige Titel in defensiven Sektoren
Auf dem Markt für Hochzinsanleihen ist ebenfalls ein selektiver Ansatz von größter Bedeutung. Die jüngste Ausweitung der Spreads bei US-Hybridanleihen (nachrangige Schuldtitel, die von Nicht-Finanzunternehmen ausgegeben werden; sie kombinieren die Eigenschaften von Anleihen und Aktien) hat zwar Chancen eröffnet, aber wir bleiben lieber vorsichtig. Wir bevorzugen Emittenten mit höherer Qualität und defensive Sektoren. Branchen wie die Automobilindustrie und den Einzelhandel, die anfälliger für makroökonomischen Druck sind, gewichten wir unter. Nicht-zyklische Sektoren wie das Gesundheitswesen und Basiskonsumgüter bieten eine relative Stabilität innerhalb des HY-Bereichs.
Darüber hinaus haben sich ausgewählte auf den Energiesektor bezogene Kredite mit soliden Bilanzen und nachhaltigen Cashflows als widerstandsfähig erwiesen. Spekulativ eingestufte Emittenten mit schwachen Fundamentaldaten bleiben jedoch gefährdet, insbesondere wenn sich die Refinanzierungsbedingungen verschlechtern.
Wir plädieren für aktives Management und Selektivität
Die jüngste Entwicklung der Kreditmärkte birgt sowohl Chancen als auch Risiken. Während höhere Renditen das Carry-Potenzial erhöhen, erfordern makroökonomischer Gegenwind, anfällige technische Faktoren und sektorspezifische Anfälligkeiten ein vorsichtiges Vorgehen. Angesichts der Komplexität des derzeitigen Kreditumfelds ist ein aktives und selektives Management wichtiger denn je. Auf dem Markt scheint sich mitunter Selbstzufriedenheit breit zu machen, was die Notwendigkeit unterstreicht, zwischen widerstandsfähigen und anfälligen Segmenten zu unterscheiden.
Wer Risiken sorgfältig bewertet und wichtige Entwicklungen in einzelnen Branchen sowie zentrale Kennzahlen im Blick behält, kann sich sicherer und stabiler auf den Kreditmärkten bewegen. Entscheidend dabei sind eine gezielte Auswahl von Investments, aktives Management, die Fokussierung auf qualitativ hochwertige Schuldner sowie ein flexibles Portfolio, das auf Marktveränderungen reagieren kann. So lassen sich nicht nur Herausforderungen bewältigen, sondern auch attraktive Chancen in einem sich ständig verändernden Umfeld nutzen.