Private Investments sind seit Jahrzehnten fester Bestandteil der Portfolios von Wealth-Management-Kunden und Stiftungen und Institutionen. Der Grund ist sehr einfach. Effektive Risikostreuung bei optimierten Sharpe Ratios. Dabei gilt: je höher das absolute Vermögen, desto höher der Anteil in Private Investments. Der Preis der fehlenden Liquidität ist normalerweise eine höhere Rendite.
Aus der Praxis von Privatbanken wie Credit Suisse Deutschland und der Bethmann Bank können wir festhalten: Gerade die Kunden mit einem großen liquiden Vermögen haben zumeist einen gewissen Anteil in Immobilien und häufig in Private Equity beigemischt und sind mit dieser Allokation über Jahre sehr gut gefahren.
Die Asset Allocation
Die traditionelle Vermögensaufteilung folgt häufig dem Prinzip: ein Drittel Aktien, ein Drittel Bonds und ein Drittel Immobilien. Markowitz definierte an Hand empirischer Forschung schon 1952 für die liquiden Assets 60 Prozent Aktien und 40 Prozent Anleihen. Er fand heraus, dass 80 bis 90 Prozent des Anlageerfolges eines Portfolios durch diese Aufteilung bestimmt werden, nur der Rest durch die Titelauswahl und das Market Timing.
Die großen Stiftungsfonds der amerikanischen Universitäten wie Yale und Harvard haben diesen Ansatz um nicht-liquide Assets ergänzt und so zu einem Multi-Asset-Ansatz weiter entwickelt. Gemäß der Devise „nicht alle Eier in einen Korb zu legen“ wurden weitere Körbe geschaffen, für Immobilien, Rohstoffe, Hedgefonds und Private Equity.
Warum?
- Diversifikation auf 6 Körbe
- Höhere Rendite als Preis für die Illiquidität sowie
- Eine günstige Korrelation der Körbe untereinander.
Der norwegischen Staatsfonds folgt diesem Prinzip, ist aber mit einer höheren Aktienquote deutlich liquider. Auch Family Offices folgen oft diesem Prinzip.
Fungibilität schafft neue Möglichkeiten in Portfolios
Waren bisher große Anlagebeträge erforderlich, um diesem Ansatz zu folgen, sind mit der Tokenisierung neue Möglichkeiten entstanden, solche Investments zu fragmentieren und investierbar zu machen. In den letzten Jahren sind im Bereich der Fintech-Szene immer mehr Akteure unterwegs und bieten unterschiedliche Investments als digitale Investments an. Warum wird diese neue Form bei Investoren immer beliebter?
Dass der Markt für digitale Assets höchst interessant ist und sich künftig noch weiter durchsetzen wird, lässt sich an der prognostizierten Marktentwicklung ableiten. Digitale Assets in Europa inklusive Schweiz werden auf ein Volumen von circa einer Billion Euro in 2025 ansteigen und sich bis 2030 auf 5 bis 6 Billionen Euro erhöhen. Der Anteil für Deutschland entspricht dabei 28 Prozent. Von 2023 bis 2025 wird vom Banking Hub angenommen, dass die Wachstumsgeschwindigkeit beim 2,5-Fachen liegt.
Neben der fortschreitenden Regulatorik (eWpG, DLT-Pilot-Regime) waren mehrere Katalysatoren in den letzten Jahren für die Entwicklung von digitalen Assets mit verantwortlich. Ein Treiber war die Nullzinsphase bis 2022. Gefolgt von der Covid-Pandemie, der anschließenden Inflation und einigen anderen Krisen, die zeitgleich stattfanden. Ein sehr großer Beschleuniger dabei war Covid. Geradezu zwangsläufig wurden Lebensgewohnheiten umgestellt, insbesondere im Hinblick auf den Einsatz von Technologie im täglichen Leben. Und der Anteil digitalaffiner Anleger wird in den kommenden Jahren weiter wachsen.
Balance-Akt zwischen Anlage und emotionaler Bindung
Vorteile für die Beliebtheit gibt es zuhauf. Einer der Hauptgründe für den Aufschwung digitaler Assets, die wir sehen, hängt mit der Produktvielfalt zusammen. Wenn man Kunden zunächst nach verschiedenen Kriterien einstuft, ihnen dann aber doch nur eines von drei Standardprodukten empfiehlt, führt das schnell zu Enttäuschungen. Die Zeit der klassischen Fonds ist vorbei, denn mit ihnen lassen sich die Bedürfnisse vieler Kunden nicht mehr erfüllen.
Digitale Assets-Klassen werden nicht nur als reines Anlageobjekt gesehen, sondern auch emotional erlebbar, etwa bei Kunst, Weinen und Diamanten gut belegbar ist. Diese Assets bieten die Möglichkeit, sich besser mit dem Investment zu identifizieren. Die emotionale Komponente beeinflusst die Investmententscheidung zusätzlich, vergrößert die Anlegergruppe und insgesamt die Affinität zu digitalen Assets.
Von Kunst über Fine Wine, Diamanten bis hin zu Infrastrukturprojekten und Immobilien – die Bandbreite der angebotenen digitalen Vermögenswerte hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen und bietet Anlegern neue Möglichkeiten. Zuvor war der Zugang für Privatanleger zu exklusiven Immobilien, Kunst, Wein oder Diamanten sehr schwierig.
Insbesondere die kleinteilige Stückelung, die durch die Tokenisierung möglich ist, verschafft den Investoren den Zugang zu einer völlig neuen Struktur für das Portfolio. Das gilt für Kleinanleger wie für Wealth-Management-Kunden. Grund hierfür: Vorher musste das Asset zu 100 Prozent gekauft werden. Mit der Tokenisierung lässt sich das Volumen leichter auf mehrere Investitionen verteilen. Ganze 4 Millionen Euro in eine Violine von Stradivari zu investieren, ist risikobehafteter, als wenn die gleiche Summe auf mehrere Projekte der gleichen Asset-Klasse verteilt werden.
In einigen Sparten haben wir Investoren, die regelmäßig mittlere Beträge in jedem Investment platzieren und somit locker auf über 40 Einzelinvestments kommen. Ein typisches Portfolio sieht bei Finexity sieht wie folgt aus:
Das dargestellte Portfolio wurde seit Juni 2021 von einer Kundin aufgebaut und besteht aus insgesamt 35 Investments. Im Schnitt investiert die Kundin knapp 1.800 Euro je Investment. Dabei ist jedes Investment ein Committment und das baut Vertrauen auf und steigert die Loyalität.
Strategische Asset Allocation hat sich verändert
Mit privaten Investments kann eine spürbare Diversifikation erreicht werden. Denn Aktien und Anleihen reagierten zuletzt immer ähnlicher, weil die Grundannahme der gegenläufigen Kursentwicklung oft falsch ist. Kurse von Anleihen und Aktien bewegen sich parallel: 2022 fielen sie zusammen, in diesem Jahr stiegen beide bis August, fielen dann wieder – um nunmehr wieder zusammen zu steigen. Wo bleibt da die gegensätzliche Korrelation, von denen die Portfoliomanager gerne sprechen?
Eine Untersuchung des Analysten Pascal Kielkopf vom Vermögensverwalter HQ Trust hat ergeben, dass in den vergangenen 100 Jahren die jährlichen Zwölf-Monats-Korrelationen zwischen dem S&P 500 und zehnjährigen US-Staatsanleihen eine positive Korrelation aufweisen. Darüber sollten Anleger einer klassischen 60:40 Strategie mal nachdenken.
Ein weiterer großer Vorteil digitaler Asset ist, dass diese jederzeit 365 Tage 24/7 zeichen- und handelbar sind. Der Zeichnungsprozess ist zu 100 Prozent digital, KYC inbegriffen. Da kann jeder handeln, unabhängig von Zeitzonen und Orten. Ändern sich die Rahmenbedingungen, ist jeder Investor sofort handlungsfähig.
Die fortschreitende Entwicklung der regulatorischen Rahmenbedingungen seit 2020 sorgt bei Banken, Institutionellen und Anlegern für mehr Klarheit und Rechtssicherheit und trägt dazu bei, den Markt zu institutionalisieren, denn auf europäischer und nationaler Ebene sind eine Reihe von Vorschriften erlassen worden; eWpG, DLT-Pilot Regime sowie MiCAR letzteres wird voraussichtlich in 2024 in Kraft treten.
Banken, Versicherungen und Asset Manager unter Zugzwang
Vor diesem Hintergrund entsteht hier ein neuer Milliardenmarkt und etablierte Marktteilnehmer wie Banken, Versicherungen, Asset Manager und Börsen müssen dem zunehmenden Verlangen ihrer Kunden nach einem Angebot an digitalen Assets nachkommen, um sich im Wettbewerb mit neuen Marktteilnehmern zu behaupten, Umsatzanteile s zu verteidigen und neue Ertragsmöglichkeiten zu erschließen. Andernfalls müssen sie, da Digital Assets nicht auf die traditionelle Bankinfrastruktur angewiesen sind und auch außerhalb gehandelt und in „Wallets“ verwahrt werden können, in den kommenden Jahren mit erheblichen Kapitalabflüssen und Ertragseinbußen rechnen.
Als Wettbewerbsfaktor gewinnen digitale Assets zunehmend an Bedeutung. Sie bieten nicht nur eine Möglichkeit, sich im umkämpften Markt abzuheben, sondern tragen auch zur Stärkung der eigenen Markenposition bei. So suchen Kunden verstärkt nach Lösungen, die ihnen helfen, die Herausforderungen einer dynamischen Wirtschaftswelt zu bewältigen. Die rasche Entwicklung digitaler Technologien ermöglicht es Banken, maßgeschneiderte Lösungen anzubieten, die auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Kunden zugeschnitten sind.
In diesem Umfeld ist es unerlässlich, dass Banken ein Umdenken vollziehen und sich den Veränderungen der Zeit anpassen. Die digitale Transformation des Finanzsektors bietet sowohl Herausforderungen als auch Chancen. Banken müssen ihre Strategien überdenken, um die steigenden Erwartungen ihrer Kunden zu erfüllen, die Potenziale des digitalen Produktmarkts zu nutzen, um sich in einer komplexen, wandelnden Welt zu differenzieren.
Über die Autoren:
Franz Lerdo hat 30 Jahre in vielen führenden Positionen im Private Banking und Wealth Management für M.M. Warburg, Credit Suisse sowie Dresdner Bank im In- und Ausland gearbeitet.
Oliver Becker ist Leiter Wachstum (Head of Growth) bei Finexity und arbeitet seit 25 Jahren im Bereich Vermarktung, Sales und Marketing für erklärungsbedürftige Produkte, unter anderem für Generali, Ernst & Young, Bethmann Bank im In- und Ausland und als freier Berater für Banken, Fintechs sowie professionelle Service-Beraterunternehmen.