Allerdings ist die fundamentale Blockchain-Kritik aus der Ecke der Datenschützer nicht angebracht, da gerade die Blockchain-Technologie mit ihren Zugriffssystemen und Verschlüsselungsprozessen besser in der Lage ist als nicht-Blockchain-basierte Systeme, erstens Daten „by design” zu schützen, zweitens das Eigentum an den Daten zu organisieren, und drittens die Monetarisierung der Daten auch denjenigen zu ermöglichen, die diese Daten erzeugen. Angemerkt sei hier, dass ein Blockchain-System keinen Ersatz für eine konventionelle Datenbank darstellt, sondern diese für bestimmte transaktionale oder unverfälschbare Daten nur ergänzt.
Auch hier gibt es in Deutschland bereits Unternehmen, die vor allem in zahlreichen Experimenten an diesem Thema arbeiten. Ein Live-Einsatz ist hierzulande noch nicht möglich, wird aber früher oder später kommen. Die Commerzbank ist ein Blockchain-Vorzeigeunternehmen und fällt sehr positiv durch Projekte mit dem sogenannten Sovrin-Framework auf. Auch die Deutsche Telekom und Daimler sind in diesem Bereich sehr aktiv.
Bezüglich der Identität von Maschinen und Sensoren ist vor allem Bosch zu nennen. Zudem bietet das Startup Spherity plattformübergreifende Identitäts- und Registerlösungen – zum Beispiel für Autos und Maschinen – an. Die Frankfurter Firma Esatus bietet Blockchain-basierte Zugangssysteme (Keycards, Zugangskontrolle für Gebäude) an, und hat damit eine andere Perspektive auf das Identitätsmanagement.
Diese und noch weitere Unternehmen experimentieren mit Identitäten aller Couleur auf Blockchain-Basis. Früher oder später wird es zum Live-Einsatz in der Breite kommen. Auch hierfür bedarf es größerer Budgets, um das Identitätsmanagement auf der Blockchain voranzutreiben. Natürlich sind auch Unternehmen aus dem Ausland in diesem Bereich sehr aktiv.
Und was nun?
Entscheidungsträger in Unternehmen und Regierungen müssen akzeptieren, dass sie sich mit der Blockchain-Technologie intensiv beschäftigen müssen. Sie müssen Budgets schaffen, Blockchain-basierte Projekte initiieren, Entscheidungen treffen, Teams zusammenstellen, neue Kollegen einstellen und ihre Mitarbeiter technologisch weiterbilden. Der wichtigste Fakt ist, dass die Blockchain-Technologie zumeist IT-Experten im eigenen Haus erfordert, da IT von strategischer Relevanz ist und in zahlreiche Prozesse direkt eingreift.
Wenn der Euro und Identitäten auf einem Blockchain-System laufen, ist davon indirekt jedes Produkt und jeder Zahlungsempfänger betroffen. Ein Auslagern an einen IT-Dienstleister oder das Wegdelegieren an die EDV-Abteilung wird nicht funktionieren. Die Hoffnung, dass die Blockchain-Technologie erst später relevant wird, wenn der Nachfolger den eigenen Sessel erklommen hat, ist insofern unsinnig, weil die Technologie bereits da ist.
Es ist grob fahrlässig, die Entwicklungen um Libra, die chinesische digitale Währung und Binance, und auch Bitcoin, nicht wahrhaben zu wollen. Der Kelch geht nicht vorüber, sondern er ist uns direkt in die Hand gegeben worden. Bitcoin wird nicht mehr verschwinden – wie viele immer noch glauben –, sondern zu einem IT-System internationaler Bedeutung auswachsen. Dies zu ignorieren ist gefährlich und bringt die Zukunft unserer Wirtschaft und unserer Unternehmen in Gefahr.
Über die Autoren:
Professor Dr. Philipp Sandner ist Leiter des Frankfurt School Blockchain Center an der Frankfurt School of Finance & Management. Die Expertise von Professor Sandner umfasst insbesondere Blockchain-Technologie, Krypto-Assets, Distributed Ledger-Technologie (DLT), Euro-on-Ledger, Initial Coin Offerings (ICOs), Security Token (STOs), Digital Transformation und Entrepreneurship.
Jonas Groß ist Projektmanager und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Frankfurt School Blockchain Center. Seine Interessengebiete sind vor allem Kryptowährungen. Außerdem analysiert er im Rahmen seiner Doktorarbeit die Auswirkungen der Blockchain-Technologie auf die Geldpolitik der weltweiten Zentralbanken. Er beschäftigt sich hauptsächlich mit Innovationen wie Central Bank Digital Currencies (CBDC) und Central Bank Crypto Currencies (CBCC).