Finanzwelt der Zukunft Nicht nur der Euro muss auf die Blockchain

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Und wo steht Europa und im Speziellen Deutschland?

Doch was passiert aktuell in Europa und in Deutschland? Wenig, zumindest in Bezug auf Großprojekte mit Systemrelevanz. Konkret formuliert: Hier werden wesentlich kleinere Brötchen gebacken. Ja, es gibt eine lebhafte Startup-Szene im Blockchain-Bereich, etwa in Berlin, Zürich, London und Paris. Konzerne wie Bosch, Daimler, die Commerzbank und andere unterhalten eigene Blockchain-Abteilungen. 

Auch Behörden wie die Bafin in Deutschland oder deren Äquivalente in der Schweiz und in Liechtenstein schaffen gemeinsam mit den entsprechenden Ministerien und Behörden die rechtliche Basis, damit die Blockchain-Technologie in verschiedenen Bereichen eingesetzt werden kann. Auch die Europäische Zentralbank baut Expertise auf, die Deutsche Bundesbank betreibt erste Experimente. Dies ist alles gut und richtig. Aber es wird nicht ausreichen, um international auf Augenhöhe mit weltweit führenden Projekten zu arbeiten.

Wie anhand der oben dargestellten Projekte zu erkennen, kann man der Blockchain-Technologie eine immer größere geopolitische Bedeutung beimessen, die die weltweite Finanzinfrastruktur zu verändern vermag. Was bedeutet dies konkret? Libra hat – nach allem, was uns an Informationen vorliegt – einen klaren US-Fokus auf Seite der Betreiberfirmen. Binance ist ein internationales Unternehmen mit chinesischen Wurzeln. Und die digitale Variante der chinesischen Währung ist für einen der größten Wirtschaftsräume der Welt konzipiert.

Dies alles sind Projekte, die den Finanzbereich verändern und umkrempeln werden – auf internationaler Ebene. Ein paar Studien und Prototypen hier oder ein paar Analysen dort sind zwar wichtig, werden aber nicht ausreichen.

Auch der Experimentiermodus von Zentralbanken und Konzernen ist wichtig, um die Technologie kennenzulernen und zu verstehen. Aber was nun erforderlich ist, ist nicht übermäßig schwer auszudrücken: Budget. Große Organisationen aller Arten – zum Beispiel Staaten, Ministerien, Behörden, Industriekonzerne, Banken, Investoren, Universitäten – sollten nun investieren.

Startups und Unternehmen haben die technologische Basis bereits geschaffen und die Sinnhaftigkeit der Blockchain-Technologie bewiesen. Gerade in Deutschland, der Schweiz und Liechtenstein wird nun Stück für Stück die rechtliche Basis weiterentwickelt. Die Bundesregierung wird – so ihre Pläne – im September die Blockchain-Strategie für Deutschland verkünden. Dann wird Angela Merkel oder ein Regierungssprecher vermutlich das Wort „Blockchain“ in den Mund nehmen, vielleicht ja auch das Wort „Bitcoin“. Kurzum: die technologische und rechtliche Basis ist da und wird derzeit weiterentwickelt, die Bundesregierung erzeugt zudem Rückenwind.

Nun liegt es an den Organisationen, die über Budget verfügen, dieses in Richtung Blockchain zu lenken. Wichtig wären vor allem Investitionen in Startups, in IT-Entwicklung und in die Anbindung existierender Prozesse und Systeme. Nicht zwingend erforderlich sind weitere Studien und Analysen. Diese Investitionen sind nötig, denn das Potenzial der Blockchain-Technologie ist zweifellos erkannt (siehe Libra, digitale chinesische Währung und Binance).

Heute liegen für Unternehmen die Chancen auf dem Tisch. Wer sich nicht mit dem Thema beschäftigt, für den wird es übermorgen sehr ernst werden. Wer die Chancen, die sich hier bieten, ignoriert, geht Risiken ein. Dies gilt auch für Mitarbeiter: Wer sich dieser Tage, im Herbst 2019, entscheidet, sich ernsthaft mit dem Thema Blockchain zu beschäftigen, wird in den kommenden zehn bis 20 Jahren sehr viel zu tun haben; er wird die digitale Transformation der Wirtschaft gestalten, anstatt passiv ansehen zu müssen, wie der eigene Arbeitsplatz transformiert wird oder gar entfällt.