Family Offices legen oft einen großen Wert auf das Vermögensreporting. Das Problem: Es befasst sich nur damit, wie sich das Vermögen in der Vergangenheit entwickelt hat und wie es sich in der Gegenwart zusammensetzt. Der Blick in die Zukunft fehlt oder endet am Geschäftsjahresende – sofern das Family Office ein Budget aufstellt. Auch Family Offices wollen aber die Frage beantworten, wie sich das Vermögen in den nächsten Jahren entwickelt.
Die simple Frage wird komplex, weil ihr viele Einzelannahmen zugrunde liegen: Wie sieht das Vermögen aus, wenn Family Officer Erträge, Kosten, Steuern, Entnahmen sowie Inflations-, Kapitalmarkt- und Zinsannahmen berücksichtigen? Dafür müssen sie die Kosten, die zu einzelnen Vermögenswerten gehören, auf verschiedenen Ebenen wie Gesellschaft, Asset-Klassen und Gesamtvermögen aggregieren.
Kosten wie Personal- oder Betriebskosten, die auf Gesellschaftsebene anfallen, müssen sie nach sinnvollen Parametern auf einzelne Vermögenswerte allokieren. Im Ergebnis erhalten Family Office und Familie für jeden Vermögenswert, aber auch für jede der Aggregationsebenen eine Vorstellung davon, wie sich Buchwert und Verkehrswert, Ergebnis und Rentabilität, Verschuldungsquote und Steuerbelastung in den nächsten fünf oder zehn Jahren auf Basis der eigenen Annahmen entwickeln werden.
Finanzplanung ist an vielen Stellen nützlich:
Strategische Asset Allocation (SAA)
Im ersten Teil dieser Serie wurde schon beschrieben, wie wichtig die Finanzplanung ist, um die SAA zu ermitteln. Familienmitglieder interessieren sich für effektive Ergebnisse. Deswegen lässt sich nur bewerten, ob eine gewählte SAA die Erwartungen der Familie an die Vermögensanlage erfüllen kann, wenn das Family Office die Vermögensentwicklung nach Kosten und Steuern transparent macht.
Es wäre leichtfertig, wenn der für die Vermögensentwicklung Verantwortliche – gleichgültig, ob er der Familie angehört oder ein familienfremder Family Officer ist – den Familienmitgliedern Renditen in Aussicht stellte, die selbst vor dem Hintergrund seiner eigenen Erwartungen gar nicht zu erreichen sind. Das in ihn gesetzte Vertrauen könnte er so verspielen.
Stranded Assets
Teilweise gibt es in Portfolios der Family Offices Vermögenswerte, die unter dem Strich keinen Gewinn versprechen. Finanzplanung kann diese Anlagen aufspüren, indem sie deren erwartete Erträge und Wertentwicklungen, Aufwendungen, Steuern und Gemeinkosten ermittelt. Klassisches Beispiel für Anlagen ohne Gewinn sind Immobilien, die in die Jahre gekommen sind. Oft sind Investitionen notwendig, nicht zuletzt aus ESG-Gründen.
Künftige Mieten können die Kosten manchmal kaum aufwiegen. Das gilt insbesondere für Immobilien in weniger attraktiven Lagen. Da oft auch hohe Personalkosten mit solch schwierigen Immobilien einhergehen, kann ein Verkauf die bessere Lösung sein. Gleiches gilt, wenn ein spezifischer Mieter wegfällt und die Immobilie möglicherweise umgenutzt werden muss.
Dann brauchen Family Officer realistische Annahmen zu Investitionskosten, ihren Abschreibungsmöglichkeiten, den danach zu erzielenden Mieten und den Auswirkungen auf den Bewertungsfaktor. Inflationiert der Family Officer diese Daten noch sinnvoll, zeigt sich, ob sich die Investitionen lohnen. Liegt hingegen ein Stranded Asset vor, wäre es vielleicht vorteilhaft, die Immobilie zu verkaufen. Die Erlöse können Family Officer dann anders verplanen.
Resilienz des Vermögens
Manchmal sind aber nicht nur einzelne Vermögenswerte von Wertverlusten bedroht. Wirtschaftskrisen oder Kapitalmarkt-Crashs können weite Teile des Vermögens negativ beeinflussen. Manchen Familienmitgliedern bereitet die Kapitalanlage deswegen Unbehagen, meist aus Unerfahrenheit. Und klar: Krisen sind zeitlich und in ihren Auswirkungen nicht kalkulierbar. Für das Erwartungsmanagement gegenüber der Familie hilft es aber, wenn Family Officer nicht nur gute Kapitalmarktjahre prognostizieren.
Wenn sie im Rahmen der Finanzplanung für die einzelnen Assetklassen individuelle Annahmen für mögliche Wertabschläge und Abstriche bei Ausschüttungen, Dividenden und Mieteinnahmen kalkulieren, können sie die Resilienz des Vermögens auch in einem Crashjahr gut überprüfen. In der Vergangenheit holten die Märkte die Kursverluste meist nach relativ kurzer Zeit schon wieder auf.
Heute erscheinen Crashs in Langzeitcharts oft nur als ein Zacken nach unten im ansonsten ansteigenden Kursverlauf. Family Officer können mit der Familie in der Finanzplanung vorgeben, ob, in welchem Maß und wie schnell ein crashbedingter überdurchschnittlicher Kursverlust wieder ausgeglichen sein soll. Solch eine Vermögensprojektion bildet auch negative Vermögensentwicklungen ab.
Erfahrungsgemäß beunruhigt dies die interessierten Familienmitglieder nicht. Vielmehr schätzen sie, dass ihre Family Officer sich auch mit Negativ-Szenarien befassen, auch wenn diese Szenarien höchstwahrscheinlich nicht genauso eintreten. Die Simulation weist aber nach, dass die gewählte Vermögensallokation auch vernünftige Negativ-Szenarien beherrschbar macht. Das beruhigt die Familienmitglieder und bereitet sie mental besser darauf vor.
Anlage-Leitplanken
Die Finanzplanung kann nicht nur die SAA daraufhin kontrollieren, dass sie maximale Fremdkapitalquoten und Risiko-Scores einhält, wie im ersten Teil dieser Serie beschrieben. Ebenso kann sie einzelnen Vermögenswerten eine bestimmte Liquidationswahrscheinlichkeit zuweisen und es damit Family Officern erleichtern, den Liquiditätsbedarf für bestimmte Investitions- oder Steuerverpflichtungen zu planen.
Die Finanzplanung macht dann deutlich, wie sich derartige Anlage-Leitplanken auswirken und wie Family Officer sie deshalb vernünftigerweise ausgestalten sollten. Oft verschieben sich dadurch die Anlagegewichte. Es wirkt sich unmittelbar auf die Renditeerwartung aus, wenn Portfoliomanager etwa renditeträchtigere Vermögenswerte aus Liquiditäts- oder Risikogründen geringer gewichten müssen. Welchen Einfluss das auf die SAA hat und inwieweit das an anderer Stelle zu kompensieren ist, können Family Officer ohne Finanzplanung nur schwer abschätzen.

Erbschaftsteuerplanung
Dass Vermögen manchmal liquidierbar sein muss, zeigt die Erbschaftsteuer. Das teilweise aberwitzig komplizierte Erbschaftsteuerrecht macht es fast unmöglich, die Steuerhöhe in einer mehrjährigen Finanzplanung zu prognostizieren.
Und doch: Wie sich das Vermögen auf Betriebs- und Verwaltungsvermögen aufteilen könnte, lässt sich ganz vernünftig abschätzen. Insbesondere dann, wenn die Familie schon einmal eine genaue Erbschaftsteuer berechnen musste. Für viele Vermögenswerte ist von vornherein klar, dass sie als Verwaltungsvermögen nicht erbschaftsteuerlich begünstigt sind. Die Finanzplanung kann also grob die potenzielle Erbschaftsteuerlast im Zeitverlauf kalkulieren.
Muss das gemeinsame Familienvermögen die Steuern letztendlich finanzieren, kann es sinnvoll sein, in der SAA eine Erbschaftsteuer-Reserve vorzusehen. Diese sollten Family Officer so anlegen, dass sie sie zeitnah liquidieren können. Tritt dieser Fall ein, sollte die Reserve nicht dem Risiko unterliegen, dass beispielsweise ein Aktiencrash sie kurz vorher erheblich reduziert. Wer die Erbschaftsteuerlast im Zeitverlauf kalkuliert, kann durch die so plastisch gemachte steigende Steuerlast zögerlichen Familienmitgliedern auch bei der Entscheidung helfen, schon mal einen Teil des Vermögens auf die nächste Generation zu übertragen.
So können Familien die erbschaftsteuerlichen Zehnjahresperioden optimal auszunutzen. Und es gibt unter Umständen noch andere Möglichkeiten. Schaffen Familien gezielt und möglicherweise nur vorübergehend Betriebsvermögen und vermeiden sie sogenanntes junges Verwaltungsvermögen, können sie einen Zeitpunkt „herbeistrukturieren“, zu dem große Teile der Familie ihre Anteile recht steuergünstig in die nächste Generation transferieren können.
Auch das wirkt sich auf die SAA und etwaige Investitions- oder Deinvestitionspläne aus und kann mit der Finanzplanung greifbar gemacht werden.
Impact und Philanthropie
Die langfristige Liquiditätsplanung kann aber auch hehreren Zielen nützen. Gerade die jüngere Generation ist für das Familienvermögen und die Rolle als Gesellschafter leichter zu begeistern, wenn sie mit dem Vermögen auch Gutes tut.
Wenn die Familie also auf der einen Seite weiß, dass die Vermögensstrategie auch in 5 oder 10 Jahren die Investitionen des Familienunternehmens deckt sowie Entnahmen für alle Gesellschafter sicherstellt, können auf der anderen Seite jährliche Beträge für Impact-Investments oder philanthropische Aktivitäten motivieren, Vorbehalte gegen die gemeinsame Vermögensbewirtschaftung aufzugeben. Dafür müssen Family Officer die finanziellen Spielräume aber konkret planen und kalkulieren, damit aus diesem Versprechen kein leeres wird.
Entnahmeformel
Achtung, Konfliktherd! Wie hoch sollten Entnahmen sein? Je weiter das Familienmitglied vom Unternehmen entfernt ist, je kleiner sein Gesellschaftsanteil ist oder je wichtiger die Entnahmen für den Lebensunterhalt sind, desto stärker interessieren sich Familienmitglieder für zuverlässig hohe Entnahmen. Viele Familien wollen Konflikte mittels einer Entnahmeformel vermeiden.
Anknüpfungspunkt für eine solche Formel kann eine bestimmte Gewinngröße oder ein definierter Anteil des Eigenkapitals sein, Grundlage kann der Einzelabschluss der Holding oder der Konzernabschluss sein. Für die Formel lassen sich aber auch Vermögenszuwächse durch unrealisierte Gewinne berücksichtigen, Bemessungsgrundlagen familienspezifisch modifizieren und Mindest- oder Höchstentnahmen definieren.
Hier die richtige Formel zu finden, ist allerdings nicht ganz einfach. Sie soll ja einerseits durch ausreichend hohe Entnahmen befrieden, andererseits die gemeinsame Vermögensbewirtschaftung durch zu hohe Abflüsse nicht gefährden. Die Familie muss trotz Entnahmen Liquiditätsanforderungen, aus welchem Grund auch immer, jederzeit erfüllen können.
Vielleicht möchte die Familie sogar die Höhe der Entnahmen nur an einzelnen Assetklassen ausrichten oder hierfür die Erträge verschiedener Asset-Klassen unterschiedlich gewichten. Der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt, solange die Gesellschafter damit zufrieden sind. Wie sich verschiedene Entnahmeformeln auswirken, kann die Finanzplanung über alle Finanzflüsse und längere Zeiträume ermitteln und gegenüberstellen. Eigentlich versetzt erst das die Familienmitglieder in die Lage, eine solche Entnahmeformel kompetent zu beschließen.
Umstrukturierungen
Es gibt noch ein weiteres Feld, auf dem die Finanzplanung Strukturierungsentscheidungen erleichtern kann: die rechtliche Struktur, in der die Familie ihr Vermögen verwaltet. Sie ist oft optimierbar, etwa um Erbschaft- oder Ertragsteuerbelastungen zu reduzieren. Die Anwälte stellen meist tolle Ideen zur Diskussion, die aber teuer werden können. Der Family Officer muss entscheiden, inwieweit das für die Familie wirklich Vorteile bringt.
Hier kann es helfen, den Vorteilswert den Aufwendungen gegenüberzustellen. Dafür können Family Officer das Vermögen bei ansonsten gleichen Annahmen in Ist- und optimierter Struktur fortplanen. Dann zeigen sich möglicherweise Vorteile, die dem kostenbewussten Vermögensträger die Entscheidung erleichtern. Er wird sie dann auch leichter seinen Mitgesellschaftern vermitteln können.
Personalthemen
Schließlich nützt die Finanzplanung auch in Personalfragen. Wer sich als Family Officer oder Portfoliomanager bewirbt, möchte genau verstehen, welche Möglichkeiten ihm die Position bietet. Familie und Family Office machen einen deutlich professionelleren Eindruck auf ihn, wenn sie ihre Vorstellungen etwa durch einen Investitionsplan konkretisieren können. Er lässt sich aus der Finanzplanung unmittelbar ableiten. Die Finanzplanung kann den Family Officer aber auch hinsichtlich des Bestandsvermögens unterstützen. Je mehr Daten, desto besser.
Beispiel: Für jede Immobilie kann die Finanzplanung zeigen, wie sich Erträge und Aufwendungen zusammensetzen und wie sich diese im Zeitablauf ändern. Daraus lassen sich Kennzahlen ableiten, mit denen Family Officer die Immobilien untereinander oder via Benchmarks auch mit einer anzustrebenden Zielgröße vergleichen können. Das macht Optimierungspotenziale schnell transparent.
Und möglicherweise ergeben sich daraus auch Anknüpfungspunkte dafür, wie die variable Vergütung des Family Officers bemessen werden könnte. Das kann sachgerechter sein, als die Vergütung rein auf das bloße Ermessen oder problematische Renditeziele abzustellen. Ersteres incentiviert möglicherweise nicht genug und Letzeres vielleicht in eine ungewollte Richtung.
Fazit
Finanzplanung kann an vielen Stellen dazu beitragen, Ziele der Vermögensverwaltung zu schärfen, Erwartungen der Familienmitglieder entsprechend zu managen und die Tätigkeit des Family Office gemäß den Familieninteressen zu steuern. Den überschaubaren Aufwand, der dafür zu leisten ist, rechtfertigt dies allemal.

Über den Autor:
Henning Schröer hat für die Familie Merz ein Single Family Office aufgebaut und geleitet. Mit Fidubonum berät er vermögende Familien in Strategie- und Strukturfragen und Familien, die ein Single Family Office aufbauen wollen. Mit Fiducheck hat er ein Finanzplanungs-Tool speziell für komplexe Familienvermögen entwickelt.