Fondsanalyse Deluxe, Teil 30 Warum ein Feri-Manager die Brücke von Hamburg nach Hongkong schlägt

Stephan Bongartz von Feri.

Stephan Bongartz von Feri: „Der Charme der Strategie Merger Arbitrage besteht darin, dass sich der Kurs einer Aktie, wenn Unternehmen eine Fusion oder Übernahme ankündigen, von den Bewegungen des Markts abkoppeln kann.“ Foto: Feri

Sollte man Encavis-Aktien kaufen? Wie Sie sicher gehört haben, gibt es ein Übernahmeangebot für die Encavis, den Hamburger Stromerzeuger aus dem M-Dax. Die Private-Equity-Firma KKR und Co-Investor Viessmann bieten 17,50 Euro je Encavis-Aktie. Während wir dies hier schreiben, also Mitte Juli, handelt die Aktie zu 17,10 Euro. Läuft alles nach Plan, soll die Übernahme bis Ende des Jahres abgeschlossen sein. Mit anderen Worten: Wer heute kauft, verdient in einem halben Jahr 40 Cent pro Aktie oder 2,3 Prozent – wenn alles glatt läuft. Auf Jahresbasis hochgerechnet wären das rund 5,1 Prozent. Zum Vergleich: Eine ungefähr zeitgleich fällige deutsche Staatsanleihe ist derzeit mit 3,5 Prozent verzinst, wirft also 1,6 Prozentpunkte pro Jahr weniger ab.

Ein guter Trade? Wir fragen Felix Lo, Hedgefonds-Manager aus London. Lo, in Hongkong geboren und in den USA ausgebildet, hat 17 Jahre Erfahrung mit Fusionen und Übernahmen. Zusammen mit zwei Analysten, Neo Tsangarides und Max Wang, verwaltet er den Trium Khartes Fund, einen klassischen Merger-Arbitrage-Hedgefonds. „Wir rechnen damit, dass die Übernahme gelingt, und haben eine kleine Long-Position in Encavis-Aktien im Portfolio“, sagt Lo und ergänzt: „KKR stellt den Abschluss der Encavis-Übernahme zwar erst für das vierte Quartal in Aussicht, wir halten diese Prognose aber für zu konservativ und gehen davon aus, dass die Transaktion bereits Ende des dritten Quartals abgeschlossen sein wird.“

Die Übernahme sei weder kartellrechtlich noch sicherheitspolitisch bedenklich, KKR habe die erforderlichen Unterlagen eingereicht und die meisten kartellrechtlichen Genehmigungen bereits erhalten. „Aufgrund des früheren Abschlusses erwarten wir eine annualisierte Rendite im hohen einstelligen Prozentbereich zwischen 8,5 Prozent und 9,5 Prozent“, erklärt Lo.

Performance

Eine Rendite von 9,5 Prozent pro anno auf die Encavis-Position wäre für Lo und sein Team ein durchschnittlicher Gewinn. Seit Fondsauflegung im Juni 2021 hat ihr Trium Khartes eine herausragende Wertentwicklung gezeigt: eine durchschnittliche Jahresrendite von 11,7 Prozent bei nur 4,1 Prozent Volatilität ergab eine Sharpe Ratio von 1,9. Auch in turbulenten Marktphasen konnte der Fonds mit marktneutralen Strategien stabile Erträge erwirtschaften. Seine beste Jahresrendite, von 13,1 Prozent, erzielte das Fondsmanagement des Trium Khartes ausgerechnet im Jahr 2022, einem Jahr historisch schlechter Aktien- und Anleihemärkte.

 

Der Charme der Strategie Merger Arbitrage besteht darin, dass sich der Kurs einer Aktie, wenn Unternehmen eine Fusion oder Übernahme ankündigen, von den Bewegungen des Markts abkoppeln kann. Plötzlich bestimmen nicht mehr Quartalsgewinne oder Konjunkturdaten den Kurs des Übernahmeziels, sondern Kartellbehörden, Vertragsklauseln und Synergieeffekte.

Auch im Kurs-Chart von Encavis verschwindet die typische Aktienvolatilität ab dem Tag der Übernahmeankündigung. Doch die Ruhe trügt: Sollte der Deal scheitern, dürfte die Aktie deutlich fallen. An- fang März, kurz bevor Encavis und KKR die Übernahme bekannt gaben, notierte die gebeutelte Encavis-Aktie noch bei 11 Euro. Andere Aktien des europäischen Energiesektors legten seit der Übernahmeankündigung um rund 7 Prozent zu. Entsprechend könnte man schätzen, dass die Encavis-Aktie im Fall eines „Deal-Breaks“ auf 11,77 Euro fallen würde. Die „Up-side“ läge bei 2,3 Prozent und somit 0,40 Euro, die „Downside“ im Fall eines Schei- terns der Übernahme bei -31,1 Prozent und somit bei -5,33 Euro. Der Markt preist also eine hohe Wahrscheinlichkeit (p) von rund 93,0 Prozent ein, dass der Deal gelingt: 0,40 Euro × p = 5,33 Euro × (1−p).

Dieses asymmetrische Auszahlungsprofil – hoher Downside, geringer Upside – ist bei Anlegern unbeliebt. Stattdessen bevorzugen sie „lotterieartige“ Auszahlungsprofile: ein begrenztes Verlustrisiko kombiniert mit einer Chance, wenn auch nur einer geringen, auf einen hohen Gewinn. Für solche lotterieartigen Auszahlungsprofile sind Anleger bereit, einen Aufpreis zu zahlen. Und so überrascht es nicht, dass das Handelsvolumen besonders hoch ist, wenn Unternehmen Übernahmen ankündigen: Die Altaktionäre freuen sich über Gewinn – im Fall von Encavis über mehr als 50 Prozent. Sie verkaufen, etwas zu billig, ihre Aktien an die Arbitrageure und überlassen es diesen, den vergleichsweise geringen Spread bis zum Übernahmeabschluss einzustreichen.

Prozess

Die Strategie des Arbitrageurs besteht nun darin, die idiosynkratischen Risiken der einzelnen Transaktionen zu diversifizieren. Ähnlich einem Versicherungsgeber vereinnahmt der Arbitrageur Risikoprämien und streut seine Risiken, um die Verluste im „Schadensfall“ zu begrenzen. Das Portfolio des Arbitrageurs ist dabei selbstliquidierend; im Durchschnitt dauert es nur drei bis sechs Monate, bis eine angekündigte Übernahme abgeschlossen ist. Jede abgeschlossene Transaktion muss ersetzt werden, wenn der Investitionsgrad gehalten werden soll.